Abrissbirne statt Adamsblatt

Mit »Deadpool« kommt endlich eine Marvel-Adaption in die Kinos, die den derben Gags und der blutigen Action ihrer Vorlagen gerecht wird. Es gibt wieder Hoffnung für das Superheldengenre.

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Seit Monaten träumen ganze Fanboy-Heerscharen von »Deadpool« … und kleben am nächsten Morgen an ihren Bettdecken fest. Jugendverbot, Promo-Irrsinn und der Kult um die Comics sind starke Aphrodisiaka für Liebhaber von Superhelden. Wenn der rotgewandete Söldner mit der Riesenklappe endlich im Kino seine Schwerter schwingt, werden also mit Sicherheit nicht nur Augen feucht. Warum? Weil die neueste Marvel-Verfilmung hält, was sie verspricht: Derbe Gags, bitterböser Humor und exzessive Gewalt machen »Deadpool« zum ersten Comic-Movie der Generation Blockbuster, das ein R-Rating erhielt (und auch erhalten wollte). In den USA dürfen sich Kinder unter 17 Jahren den Film nur in Begleitung eines Erwachsenen ansehen. Bemerkenswert ist das, weil sich die großen Studios meist um eine Profit-steigernde Altersfreigabe (PG-13) bemühen.

Dass »Deadpool« in dieser Form zu sehen ist – sprich dem Grundtenor von Robert Liefelds Comics treu und nicht für Kinder geeignet – geht vor allem auf die Kappe des Hauptdarstellers Ryan Reynolds. Der setzte sich nach dem desaströsen Kino-Debüt des Anti-Superhelden als Nebenfigur in »X-Men Origins: Wolverine« vehement für Wiedergutmachung ein. Reynolds selbst macht die Fans für die Realisierung des Streifens verantwortlich: Nach dem Leak von blutigen und politisch so gar nicht korrekten Probeaufnahmen entstand ein derart gigantischer »Deadpool«-Hype, dass 20th Century Fox das jahrelang abgewiesene Projekt schließlich bewilligte.

Nein zum Adamsblatt

Der Plot des Films sticht nicht aus der Masse der Comic-Movies heraus: Ex-Elitesoldat Wade Wilson hat seiner Geliebten gerade einen Antrag gemacht, als bei ihm Krebs im Endstadium diagnostiziert wird. Um sein Leben zu retten, nimmt er an geheimen Experimenten des US-Militärs teil. Die verleihen Wade zwar übermenschliche regenerative Kräfte, vernichten aber auch sein gutes Aussehen. Um Looks und große Liebe wiederzubekommen, jagt der Ex-Soldat als Deadpool dem Laborchef und Foltermeister Ajax hinterher. Dabei wird er von den X-Men Colossus und Negasonic Teenage Warhead (großartig: Brianna Hildebrand) unterstützt.

Die unausweichliche Origin-Story ist der einzige nervige Comic-Verfilmungsstandard, mit dem »Deadpool« nicht bricht. Ungeniert lassen Regisseur Tim Miller und Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick Köpfe explodieren, amüsieren mit Schmähs härtester Gangart, zerbeulen die vierte Wand konsequent mit der Abrissbirne und sparen weder mit Selbstironie noch Genrekritik. Bei einem anderen Marvel-Helden würde das womöglich plakativ und aufgesetzt wirken, zu »Deadpool« passt es wie die Faust aufs Auge. Endlich wieder ein Film, der sich kein Blatt vor den Mund und kein Adamsblatt vor den (CGI-)Penis nimmt!

Hoffnungsschimmer

Das offenbart sich bereits in der ersten Minute des Films, die »Walking Dead«-Mastermind Robert Kirkman nach einem Vorab-Screening als »beste [Anfangs-]Credits-Sequenz, die ich in den letzten Jahren gesehen habe« beschrieb. Der Autor des Originals, Robert Liefeld, sprach gar vom besten Deadpool aller Zeiten und sorgte damit für den Ritterschlag der Comic-Adaption. Ob das Erfolgsrezept von »Deadpool« Bestand hat, wird sich spätestens im bereits geplanten Sequel zeigen. Fest steht, dass der Film in Zeiten der Comic-Movie-Ära – in der die Studios an Zehnjahresplänen feilen und mit PG-13-Franchises Milliarden scheffeln – nicht nur eine willkommene Abwechslung darstellt, sondern auch Hoffnung macht: Auf wildere, fiesere, bessere Superhelden.

»Deadpool« startet am 12. Februar in den österreichischen Kinos.

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