Mehr Wert

„Swimming Pool“ bündelt Musik aus der österreichischen Indie-Szene, heizt sie für Film, Werbung & Games auf und wandert zwischendurch einmal durch die Förderungsschleife.

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„Grey’s Anatomy 2“, „CSI“ oder „The Vampire Diaries“ mögen vielen Bands ziemlich egal sein – aber genau wegen Serien wie diesen gibt es heute auch mehr Independent Music im Mainstream-Bereich. Auch kleine Labels sehen hier ihre Chance. Wenn schon niemand mehr Alben und Singles kauft, man aber trotzdem ein paar Besorgungen zahlen will, können Serien helfen. Denn diese bringen Musik aus der Nische an wirklich viele Ohren und zudem bringt es ein paar Tantiemen auf die Konten. In den ganz großen US-Serien zu landen ist dann ungefähr der ultimative Jackpot. Bands wie Mogwai, MGMT, Radiohead oder den Decemberists hat es nicht geschadet. Wenn „Untitled“ von Interpol in der finalen Szene einer Staffel von „Friends“ dem folgenschweren Kuss von Rachel und Joey erst die richtige Tragweite gibt, entsteht neben einigen Quadratzentimetern Gänsehaut auch eine Wechselwirkung zwischen Musik und Markt. Swimming Pool, ein aus Österreich agierendes Büro für Sync Rights, will für genau für diese Spannungsverhältnis sorgen. Mit einer Förderung von rund 140.000 Euro sollte dem jungen Unternehmen die ambitionierte Idee zudem leichter fallen.

Sync Rights“ braucht es immer dann, wenn Musik zu einer Bildspur synchronisiert wird, also zu Filmen, zu einem Werbeclip, zu Games, einer Serie oder einer Reportage. Der Artist hat meistens schon vorher einem Label oder Verlag erlaubt, seine Musik weiter zu verwenden. Vor einigen Jahren war das allerdings kaum eine Überweisung wert. Früher waren Labels da, um Platten zu verkaufen, Konzerte waren da, um mehr Platten zu verkaufen, es drehte sich alles um den Tonträgerverkauf. Das hat sich spätestens mit Napster und Rapidshare geändert. Ein Album ist heute – ja doch! –, immer noch eine lebendige Kunstform, ein wunderbarer Grund, um über Musik zu reden, aber es ist auch immer häufiger die kreative Visitenkarte für mehr Live-Auftritte und mehr Sync Rights. Swimming Pool klinkt sich in diese Entwicklung ein.

Das Projekt ist eine Idee von Hannes Tschürtz, dem Indie-CEO von Ink Music. Als Label hat sich Ink mit Garish, Trouble Over Tokyo oder Ja, Panik schon länger einen Namen gemacht, Bookings und Promo erledigte der Mikro-Major ebenfalls. Und seit 2001 liefen Sync Rights so nebenbei mit. Für mehr als reagieren fehlte die Kraft und die Zeit. Nachdem sich aber speziell bei Trouble Over Tokyo und Clara Luzia die Anfragen häuften, kam im März 2009 Lisa Humann zu Ink Music um das Feld der Sync Rights mit mehr System zu jäten und zu düngen. Probleme dabei: Förderungen einreichen, Ideen verschriftlichen, Arbeitszeit durchrechnen, einen Zeitplan festlegen, was kostet wie viel, was wünscht man sich und was lässt sich selbst mit dem Budget einer Eigentumswohnung mit Mini-Observatorium auf der Dachterasse nicht umsetzen. Der Businessplan war mehr als 30 Seiten lang. Im Büro von Departure, der Kreativförderstelle der Stadt Wien, hatte man schließlich ganze fünf Minuten, um das Konzept von Swimming Pool auf drei Folien vorzustellen, danach kamen „zehn Minuten sehr gemeine und sehr böse Fragen. Ich hätte genau dieselben Bedenken geäußert“, wie Hannes Tschürtz das formuliert. Durch die hohen Anforderungen sei man gezwungen gewesen, jeden Baustein fünfmal zu überdenken, das lange Prozedere war ein Reality Check. Von insgesamt 50 bei Departure eingereichten Projekten erhielten beim heurigen ganze vier eine Förderungszusage – und Swimming Pool war eines davon. Kommendes Jahr setzt die Förderstelle einen Musik-Schwerpunkt, es erhöhen sich die Chancen für erfinderische Labels, Vertriebe und Vermarktungsideen.

Die Sache mit den Rechnungen

Gefördert werden bei Swimming Pool aber nur die Entwicklungskosten, und zwar zu 50% Prozent in den ersten drei Jahren, Büromaterialien oder Miete fallen als laufende Kosten aus. Die restlichen rund 140.000 Euro müssen von Hannes Tschürtz aufgebracht werden, ebenso wie die laufenden Kosten von grob 40.000 Euro. Im Idealfall aber spielt Swimming Pool das schon in den ersten Jahren wieder ein. Eine Datenbank für das eigene Repertoire wird entwickelt, das Netzwerk aufgebaut, Verträge werden ausgehandelt, Termine ausgemacht.

Das bringt Mainstream und Indie näher zusammen. Als Ian Ziering von „Beverly Hills 90210“ noch 1995 über den Auftritt der Flaming Lips in der Serien-Soap sagte: „You know, I’ve never been a big fan of alternative music, but these guys rocked the house!", war das eine seltene Annäherung von zwei getrennten Kosmen. Mit der ständigen Verfügbarkeit von Musik im Internet wuchsen die Nischen und Mainstream ist zunehmend mit Indie verschmolzen. Die heimische Freak-Folk-Band Go Die Big City! schaffte es deshalb in einen A1-Werbespot. 5.000 Euro war der Ein-Jahres-Deal wert, dazu fast noch einmal so viel an Tantiemen. Die eine Hälfte ging an die Band, die andere an ihr Label Seayou Records. Für dieselbe Summe hätte Go Die Big City! mehrere tausend CDs verkaufen müssen. Seayou Records wiederum bekam über die Jahre ebenfalls immer wieder Anfragen aus Werbung und Film und stellte deshalb sofort sein Repertoire für Swimming Pool bereit.

Bisher sind außerdem Asinella, Wohnzimmer, Siluh, Violet Noise und Schönwetter dabei. Von anderen Indies werden gezielt nur einzelne Bands aufgenommen. Denn mit den internationalen Majors wird man in der Breite der Musik ohnehin nie mithalten können. Gaga, Killers, Guetta oder auch The Drums haben dort ihren Preis nach Liste: für eine Kampagne mit Reichweite X bitte hier Geld einwerfen – und dann warten. Swimming Pool will dagegen unkompliziert sein, der Großteil ihrer Musik kann ab jetzt sofort verwendet werden. Damit aber kein Artist gegen seinen Willen in einem Spot für BP, Halliburton oder die Hypo Alpe Adria auftaucht, will man das eigene Repertoire im Schlaf kennen und auch von der Musik erwartbar bleiben. Swimming Pool setzt auf den persönlichen Kontakt, Telefon und Kaffeehaus.

Analoges, soziales Netzwerk

Das persönliche Netzwerk ist für Swimming Pool essenziell. Wenn für ein Game oder eine Kampagne ein Song gesucht wird, passiert das nicht auf der zentralen, schwarzen Tafel im Internet. Stattdessen muss man die Leute kennen lernen, die solche Pitches ausschreiben und ausschicken. Swimming Pool agiert in einem „Peoples Business“ (Tschürtz). Deshalb baut man seit einem halben Jahr gezielt Kontakte auf, damit sich ein Leben mit der Musik ausgeht. Das ist die allergrößte Hürde: gefragt werden. An der zweiten Hürde muss man dann überhaupt den passenden Song haben. Und es braucht regelmäßige Anfragen für Songs. Deshalb fährt man zu Messen, zu der Diagonale, zu den Amadeus Awards, zum dänischen Spot-Festival. Im ersten Schritt haben Hannes Tschürtz und Lisa Humann Leute aus dem Filmbereich angesprochen. Das bringt Renommee und Bekanntheit – auch wenn es viel weniger als Werbung einspielt. Doch der Werbe-Markt ist umkämpft, es konkurrieren dort bereits eine Reihe englischer, französischer und US-amerikanischer Agenturen. Über Serien und Indie-Produktionen will man sich international festsetzen, Österreich alleine ist für Swimming Pool viel zu klein. Für eine große US-Serie werden allerdings pro Szene zwischen 600 und 1000 Songs eingereicht. Ausgewählt wird man nur, wenn man die Entscheidungsträger kennt und zusätzlich reichlich Glück hat. Der Weg dorthin soll zwiebelförmig über Österreich, Deutschland, Europa und die ganze Welt führen. Und ja, auch über Salesmen, Music Supervisor, Kontakter, Key Account Manager und den ganzen Anzugkram.

Der geförderte Bauplan wird bereits in die Tat umgesetzt. Indie aus Österreich rückt damit absehbar näher an das große Geld. Bei FM4 hat man eine ungewöhnlich große Schnittmenge mit den Hörern, doch das Ziel lautet definitiv die Welt. Swimming Pool nützt schließlich vor allem wieder den Bands selbst. Denn die sind dann mehr wert.

Swimming Pool bietet seit April 2010 Musik aus der österreichischen Independent-Szene für Games, Werbung und Film an. Im Spätherbst soll eine offizielle Launch-Party stattfinden. Ein vollständiges Interview mit Hannes Tschürtz und Lisa Humann zu Förderung, Einreichung, Netzwerken und Strategie findet sich bald unter www.thegap.at/swimmingpool

i>www.swimming-pool.at

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