Affine Pt.2: Das Business

Affine Records ist die derzeit wuseligste Beat-Schmiede Wiens. Ihr hybrider Wonky-Frickel-House-Electro-Jazz-Mutant schreibt am Sound der Stadt mit und ist dabei noch ziemlich einzigartig. Grund genug für das vielleicht ausführlichste Interview aller Zeiten (auf The Gapsite). Labelbetreiber Jamal Hachem über den Magnet, das Business, den dahinter und die Substanz von Affine.

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Verkauft sich eure Musik oder findet sie im Netz statt mit allem was das an Problemen mit sich bringt?

Also Problem …, ich sehe es als Gegebenheit an, die nicht zu verhindern ist. Auf der anderen Seite möchte ich nicht alles dem fast schon Unwort „Promo“ und Promoeffekten unterschieben; und das sag ich als Label. Auch vor drei Jahren schon hat es nicht lange gedauert bis das Zeug online zu finden war. Und die Vertriebe schmeißen sich ebenfalls bewusst auf das sog. Zugpferd und versuchen da alles rauszupressen, statt den eher schwierigen Weg zu gehen einen Newcomer anzubringen.

Habt ihr auch diese aktuell modischen 360-Grad-Verträge?

Was sind 360-Grad-Verträge?

(Lacht)

Äh, ein Label bekommt aus allen Teilen der Wertschöpfungskette einen Anteil.

In dem Fall nicht, aber natürlich ist das auf mehrere Felder verteilt, weil der Tonträger allein das Kraut noch nicht fett macht. Das soll aber ein Selbstverständnis zwischen Artist und Label sein, weil es anders kaum zu bewerkstelligen ist. Das sind Verkäufe, Booking und Lizensierungen; Im Tortendiagramm macht das Letzte eher einen untergeordneten Teil aus. Merchandising haben wir z.b noch gar nicht.

Bei Go Die Big City! sind ja für eine Lizenzierung an A1 etwa rund 10.000 Euro geflossen.

Also so einen großen Deal haben wir noch nicht an Land gezogen, dann würde sich das Diagramm schlagartig verändern.

Dorian Concept in Skins, hmm, ist doch vorstellbar.

Es gibt eine Partnerschaft mit einer Agentur in England, aber die großen Dinge sind noch nicht passiert. Das versuche ich zu pushen, animiere aber niemanden dazu extra Musik zu machen, damit es möglicherweise in einem Spot landen könnte. Da müsste ich mich, äh, 360 Grad verbiegen.

(Lachen)

Bei anderen ergibt sich das auch mehr, dass einzelne Acts vielleicht weniger verkaufen, aber lizenziert werden. So etwas könnte doch eigene Prioritäten verändern?

Ja, meine Beobachtung ist allerdings, dass die Vorlieben der Industrie ziemlich schnell wechseln. Eine Zeit lang ist sehr viel Downtempo lizenziert worden für Mobilfunker und wurde plötzlich durch Gitarrenlastiges abgelöst – was hat darauf hingewiesen, wer hat das bestimmt, ist es etwa die wechselnde mediale Aufmerksamkeit? Als Label ist das eh nicht steuerbar. Und trotzdem ist es wichtig so gute Voraussetzungen zu schaffen und Partnerschaften einzugehen, dass es möglich ist entdeckt zu werden. Von Ubiquity weiß ich, dass sie Lizensierungen auch nicht planen können; aber 70 Prozent ihrer Erlöse durch T-Shirts lukrieren, die sogar in High Class Boutiquen verkauft werden.

Es ist in dem Bereich einiges möglich. Sync Agenturen etwa. Andere verschicken Label-Sampler an entsprechende Agenturen, es gibt Pitches oder man geht sich mit Media-Clippings vorstellen: „Da, wir sind berühmt.“ Ist das für Affine vorstellbar?

Ich hab das intensiviert und mal sehen, ob das Früchte trägt. Durch mehr Einsatz, könnte in dem Bereich schon etwas passieren.

Die Vinyl-Verkäufe steigen derzeit, teilweise durch Re-Issues. Wären etwa hochwertige Vinyls in verschiedenen Deluxe-Versionen nicht zu den manchmal fast elektronisch-barocken Texturen von Affine passend?

Wir hatten selbst noch zu wenig Album-Releases um das auszuprobieren – statt Marktforschung halte ich lieber meine Augen und Ohren offen. Ja, es ist wichtig das hervorzuheben – auch wenn sich das Ganze noch in einem relativen Mikrokosmos abspielt aber die Hörer sind intelligent genug um Wertigkeiten selbst zu definieren. Ich weiß etwa von vielen, dass sie sich einen Tonträger zuerst illegal runterladen und sich später den Release kaufen. Zum Vorhören reicht das Snippet auf Boomkat oder Amazon offenbar nicht.

Das Thema Artwork ist für uns natürlich essenziell und stammt bei Affine aus einer Hand – von Leonhard Lass – ich gebe da allerdings keine Vorgaben, weil das unbestritten Hoheitsgebiet des Artists ist. Aber wir reden natürlich und es ist nicht so: der eine macht, der andere begutachtet und ist dann total überrascht. À la: „Scheiße, schaut aus wie ein Playboy-Cover.“

Ja, is so, pfff.“ Äh, wie international ist Affine?

Ich habe bemerkt, dass die Label-Compilation im April wichtig war um den Labelnamen etwas in den Vordergrund zu rücken – was mit den Vinyl-Releases nicht immer übermäßig passiert ist, die nicht wie eine Kuh den Brand aufgedrückt bekommen hatten.

Das wäre dann genau ein Brand.

Ja, aber sagt ein Bauer gebrandet?

Äh, besiegelt?

(Lachen)

Die Label-Compilation war jedenfalls bewusst platziert um ein klares Statement abzugeben, um jeden aus dem Affine Kosmos zu involvieren und auch eine gewisse nach aussen transportierte Label-Identität zu schaffen.

Ihr bekommt Feedback sicher auch über Bookings oder Zugriffe auf eure Website?

Internationales Feedback kommt immer mehr und mehr. Es gibt Territorien – wie Großbritannien, Deutschland, ein wenig USA, Japan – denen wir stärker sind. In Frankreich sind wir z.b eigentlich nicht so stark, wobei unser einziger Digital-Release im Backkatalog (JSBL Remixes, Anm.) am stärksten in Frankreich war, obwohl es da gar kein aktives Pushen gab.

Schaltet ihr Banner auf iTunes oder auf Blogs?

Anzeigentechnisch fehlt offen gesagt das Budget. Da bevorzuge ich das redaktionelle Feature. Obwohl ich auch da bei einem größeren deutschsprachigen Magazin über zwei Ecken gehört habe, dass wir langsam für die Review eine Anzeige schalten müssten. Ich versteh das auch und war ja selbst drei Jahre beim Falter im Anzeigengeschäft. Aber ich schau in die Buchhaltung und mir ist es wichtiger in ein Artwork zu investieren.

Manche Magazine machen es ja nur so, Artikel gegen Anzeige, bei anderen war es eine Zeit lang die Verbindung von Anzeige und Artikel sehr auffällig.

Ich hab solche Pakete ja verkauft, redaktionell aufbereitete Anzeigen, die wirklich nach einem Schema funktionieren wie etwas beigestellt werden muss.

Ahja. Äh, was hat Österreich bei einem potenziell sehr internationalen Publikum und der digitalen All-Verfügbarkeit für einen Stellenwert?

Als Heimatstadt bestehen natürlich viele Verbindungen in Wien und durch diverse Auftritte gibt es zwangsläufig mehr Präsenz. Aber es wäre absurd etwas nur auf Österreich auszurichten. Der Stuff, den wir rausbringen, ist – auch etwas für das Phrasenschwein – eine universelle Sprache. Ich sag mal so – und bin froh, dass dieser Gedanke von jedem Mitstreiter getragen wird – es ist nicht genug ein Local Hero zu sein. Es gibt den Anspruch international wahrgenommen zu werden. Ich liebe es verblüfft zu werden, wenn etwa eine Bestellung von der bulgarischen Schwarzmeerküste oder aus Australien reinkommt. Man kommt dann positiv ins Grübeln.

Wie sehr ist Affine in Osteuropa präsent?

Auf der Landkarte ist das ziemlich stark, etwa in Bulgarien, Polen, Slowenien, Kroatien, in denen es subkulturellen Zentren, die entsprechenden Clubs und eine Infrastruktur gibt. Da wird viel gemacht und das schlägt dann teilweise auch Österreich in manchen Spezialisten-Festivals.

Mir fallen da zunehmend hochklassige Festivals auf; und nachdem Budapest und Bratislava vor der Haustüre sind, sollten sie doch zum Tourplan gehören wie Innsbruck und Salzburg.

Absolut, absolut. Das sind auch Städte, die bei uns regelmäßig im Tourplan vorkommen.

Affine-Interview, Pt.1: Der Magnet

Affine-Interview, Pt.3: Der Dahinter

Affine-Interview, Pt.4: Die Familie

Fotos links: Cover-Artwork Affine Label-Compilation "What A Fine Mess We Made", JSBL, Zanshin, Dorian Concept, Cid Rim, The Clonious, Ogris Debris, Jamal Hachem

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