Roofies, Türsteher, Strache, Love Parade und Actress – wer geglaubt hat Clubkultur ist unpolitisch, der wird jetzt überrascht sein: Ist sie nicht. Franziska Mayr-Keber von Club Courage hat uns dazu Antworten in einem Interview gegeben.
Wen würdet ihr nicht in euren Club reinlassen? Dealer, Ewald Stadler, Fotografen von Warda, schwer Illuminierte, Hipster mit "ironischen" SS-Kappen, Mario Soldo?
Wenn man sie erkennen kann – Menschen, die dem Statement von Club Courage eindeutig widersprechen.
Allerdings ist es nicht Intention von Club Courage einen Kriterienkatalog zu erstellen, wer wo und in welchem Outfit und mit welchem Ego in den Club darf oder nicht, sondern eine Plattform zu bieten, der Frage nachzugehen: "Was bedeutet denn couragiertes Verhalten konkret?". SS-Kappenträger würde ich zum Beispiel fragen, warum sie das tragen und was sie daran sexy, lustig oder hip finden. Genauso würde ich von einem mit Blackface maskierten Moderator wissen wollen, warum er sich für ein Outfit entschieden hat, das für eine rassistische Tradition steht und warum es für ihn nicht notwendig ist, dies zu respektieren.
Natürlich gibt es grade an der Türe nicht immer Zeit für Gespräche, auch muss man sich nicht als Bekehrer verhalten. Doch was spricht dagegen jemanden mit dem Respekt zu begegnen, den man sich selber wünscht?
Wir wurden bei The Gap dafür kritisiert, HC Strache als einen von cirka 70 Leuten auf ein Clubkultur-Cover gegeben zu haben. Rund um die Pratersauna gab es heftige Diskussionen wegen einer Plech-Beteiligung. Die Grelle Forelle wurde für ihren Ausschluss von FPÖlern kritisiert. Ganz offenbar sind Clubs politische Orte, Clubmusik hat eine integrative Tradition – Warum lösen aber Rechte dort immer noch so heftige Reaktionen aus?
Ich denke, im Gegensatz zu den Wählern, die man nicht pauschal in einen Topf werfen kann, steht diese Partei wie auch ihr Frontmann symbolisch für Populismus rund um Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Und sich damit nicht identifizieren zu wollen, ist doch nachvollziehbar?
Ganz naiv gesprochen, gerade im Bereich Musik, sieht man einmal von bestimmten Heimatklängen und Propaganda Songs ab – dass HC den Rap für sich entdeckt hat, ist ja auch nichts Neues -, geht das ja überhaupt nicht zusammen…
Die 21 Toten bei der allerletzten Love Parade in Duisburg ist so cirka das schlimmst-denkbare Ende für eine “engagierte” Clubkultur. Ist Courage da an ihrem Ende?
Ich hoffe nicht, dass Courage an ihrem Ende ist. Fest steht, dass dieses Ereignis stark traumatisiert. Das Gerichtsverfahren läuft vielleicht noch heuer an und die Frage bleibt, ob sich jemand, und vor allem wer, verantworten wird oder zur Verantwortung gezogen wird. Zu couragiertem Verhalten seitens eines Veranstalters, und in diesem Fall z.B. die Stadt oder deren Verwaltungsorgane, gehört auch, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen, die einer Veranstaltung beiwohnen oder eben den Mut zu haben, abzusagen. Massenpanik ist ein bekanntes Phänomen und es ist sehr bedauerlich, dass nach wie vor scheinbar Sicherheitserkenntnisse unzureichend ernst genommen werden oder gar nicht bekannt sind. Egal wie der Prozess ausgeht, das Trauma bleibt mit Sicherheit länger.
Diskussionen, ob die Loveparade noch das ist, was sie anfangs war oder nur mehr eine reine Kommerzveranstaltung von inhaltlicher Leere, gab es aber schon vor diesem Unglück.
Diedrich Diederichsen hat letztens Actress als den Sound zu Snowden bezeichnet. Wo seht ihr derzeit politische Club-Sounds in Wien?
Aus der Sicht von Club Courage, das man zunächst nur als ein Statement, ein Bekenntnis zu menschlichen Grundwerten und Clubkultur als politischen Ort verstehen kann, finde ich, ist es nicht sinngemäss eine Aussage oder Wertung zu machen, welcher Sound politisch ist und wo dieser gespielt wird. Unsere Grundannahme ist, dass der Begriff des Politischen weit zu fassen ist.
Es geht vielleicht eher darum, dass auch scheinbar Unpolitisches politisch ist. Sich aktueller Themen zu entziehen oder dem Verhalten an öffentlichen Orten, das Bespielen von Räumen – von der Gestaltung, über die Auswahl der Protagonisten bis hin zu den Arbeitsverhältnissen und der Policy – alles ist politisch. Der Rahmen wie auch das Miteinander.
Aus meiner Sicht, sind auch "Mainstream"-Hits durchaus politisch, nehmen wir einfach Lady Gaga. Sie ist nicht einfach nur ein blondes Pop-Sternchen, sondern kommuniziert politische Inhalte. Das ist so manchem Rezipienten vielleicht gar nicht so bewusst, aber ist das so wichtig? Und wo wird Lady Gaga gespielt? Ausschließlich in Alternativ-Clubs? Wohl eher nicht…
Aber Actress als Sound zu Snowden, find ich gut!
Club Courage findet jedes Wochenende vor deiner Nase im Club deines Vertrauens statt. Eine Kickoff-Diskussionsveranstaltung wird am 19. April in der Grellen Forelle stattfinden.