Alles Schlampen außer Mutti

Nach über 30 geleakten Demos steckt Madonna inmitten eines halben Beyoncé und der unangenehmsten Promo-Kampagne ihrer Karriere. Eine mittlere Katastrophe mit kleinen Lichtblicken.

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"Artistic rape" und "a form of terrorism" hat Madonna es auf ihrem Instagram-Account geschimpft, als im Dezember vergangenen Jahres zwölf hörbar unfertige Songs ihren Weg ins Netz fanden. Es war nicht das erste Mal, dass Frau Ciccone von Hackern, äh, künstlerisch vergewaltigt wurde – um die Jahrtausendwende war sie einer der ersten großen Popstars gewesen, die mit illegalen Frühgeburten zu kämpfen hatten. Man möchte demnach meinen, Team Madonna wüsste inzwischen genau, wie ein derartiges Debakel vermieden werden kann, andere schaffen es ja immerhin auch. Bei Mutti hingegen ist es sowas wie der Leak that keeps on leaking: Mit Anfang Jänner sind wir gar auf über 30 Songs. Der Digitalisierung sei Dank kann heutzutage aber auch recht gut Schadensbegrenzung betrieben werden – mithilfe eines halben Beyoncé.

Instant-Grat-Schmankler auf iTunes

Der halbe Beyoncé beschreibt den unangekündigten Release eines Albums, jedoch – anders als beim vollen Beyoncé – nicht in seiner Gänze. In der Causa Madonna wurde also das ursprünglich für Frühjahr geplante Album "Rebel Heart" schnurstracks auf iTunes gepfercht, inklusive 6 der 19 Songs als Instant-Grat-Schmankerln. Und puh, die haben es wirklich in sich. Früher mal war Madonna sowas wie die Vorturnerin für sämtliche Popstars. Leider hat sie seit "Confessions On A Dance Floor" aber kein rundes Album mehr zusammengeschustert bekommen, und das liegt mittlerweile zehn Jahre zurück. "Hard Candy" aus 2008 war solide, sprang aber viel zu spät auf den Timbaland-Zug auf und hätte ebenso von Nelly Furtado kommen können. Von dem 2012er-Fiasko "MDNA" wollen wir gar nicht erst reden.

Bitch, I’m Madonna

Dementsprechend hoch waren die Hoffnungen, Madonna würde beim Nachfolger wieder zu sich kommen. Leider ist viel mehr Avicii zu ihr gekommen. "Rebel Heart" ist mit seinen bisherigen sechs Songs jetzt schon so ziemlich das willkürlichste Album des Jahres. Statt aufstrebenden Underground-Producern bekommt man Diplo und ein Nicki Minaj-Feature auf einem Track namens "Bitch I’m Madonna". Wahnsinn. Hier hört man immerhin den noch nicht ganz so abgenutzten Sophie raus.

Trendhopping und Gastrapper

Wir springen von den absurdesten Trap-Breaks hin zu Reggae-Einflüssen, zur Akustikgitarre mit "House of the Rising Sun"-Melodie, bis hin zur Kitsch-Pop-Ballade und – natürlich – 90er-House auf der Lead-Single. Die Madonna, die weiß halt, was gerade cool ist. Trotz der offensichtlichen Kiesza-Klauerei ist "Living for Love" aber die wohl beste Madonna-Single seit "Jump". Am Klavier sitzt hier übrigens niemand Geringeres als Alicia Keys. Auch Kanye durfte sich vergreifen, auf dem sehr nach Kanye klingenden "Illuminati". Verschwörungstheorien und Namedropping? Nehmen wir.

Die vielversprechendsten Songs schwimmen jedoch noch im geleakten Demo-Pool – und haben es letztendlich auch auf die finale Tracklist geschafft. Der Streicher-Exzess "Messiah", das herrlich selbstreferenzielle "Veni Vidi Vici" oder das titelgebende, introspektivere "Rebel Heart". Der Breakdown von "Iconic" hat eigentlich auch hohes Stroboskop-Potential, ein roter Faden geht sich jedoch nicht ganz aus. Gastauftritte von Nas, Chance the Rapper und Mike Tyson (?!) machen das nicht wirklich besser, ebenso wenig wie ein Natalia Kills-Song über Madonnas "kostbaren Alkohol" von "dort unten", der offenbar wie Weihwasser schmeckt.

#unapologeticbitch

Madonna möchte rebellisch sein und klingt dabei anbiedernder als je zuvor. In einer Welt nach Beyoncé gibt es nichts, das nicht schon gemacht wurde – warum es also so hart versuchen? Eine der größten Ikonen unserer Zeit sollte nicht ständig so wirken, als ob sie etwas beweisen müsste. Vielleicht also beim nächsten Mal einfach auf Trends scheißen und sie viel mehr wieder selbst setzen. Das wäre rebellisch.

Was die Promotion angeht, das regelt Madge auf Instagram. Sie schnalzt einfach die Face-Fesseln (Kabel?) vom Album-Cover auf die Gesichter von Nelson Mandela, Martin Luther King oder halt Jesus. Weiters adressiert sie auf diesem Weg ihre Hater, hashtaggt unermüdlich #unapologeticbitch und verwendet Ausdrücke wie "on fleek" während sie ihre Grills poliert. And she’s not sorry. Aber dann bitte endlich wieder gute Popmusik.

"Rebel Heart" von Madonna erscheint am 6. März via Interscope/Universal. Der Leak-Terrorist wurde mittlerweile festgenommen.

Bild(er) © instagram.com/madonna, Interscope/Universal
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