Aloe, ohne Vera

Soul ist Gefühl und richtiges Timing, und nur weil Marvin Gaye der beste Sänger aller Zeiten war, heißt das nicht, dass man das nicht noch immer versuchen darf. Auf seinem neuen Album zeigt uns Aloe Blacc seine Sicht der gefühlvollen Dinge. Bescheiden, aber deswegen nicht langweilig.

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Stimmlich erinnert er ein wenig an Bill Withers, optisch könnte er locker als Mos Defs Bruder durchgehen. Mit "Lift Your Spirit" liefert Aloe Blacc sein neuestes Album ab, das sich irgendwo zwischen Soul und Elektro bewegt. Zwingend war es auf jeden Fall, zuzuhören, als 2010 „I Need A Dollar“ durch die Frequenzen schallte. Mit Motown-Charme und einer erdigen Stimme hatte man einen eingängigen Soul-Hit und die Aussage des Sommers, mindestens. Es wirkte sehr ehrlich, und die Leiden des jungen Blacc waren irgendwie berührend. Soul war ja nie weg, aber wie er kommt und geht ist etwas anderes. Auf jeden Fall war das bodenständig, warm und unsynthetisch. Und auch ein bißchen trotzig. Der Weg wird 2013 auf jeden Fall fortgesetzt. Diesmal jedoch mit mehr Elektronik, ein wenig zeitgemäßer. Unter anderem produzieren auf der Platte Leute wie DJ Khalil (Kanye West) und Harold Lilly (Beyoncé).

Refused To Lose

„Soldier In The City“, die dritte Nummer vom neuen Album „Lift Your Spirit“, zitiert Public Enemy. Das ist deswegen interessant, weil diese Gruppe quasi ihre Identität durch Sampling, also Collagieren von Soundbruchstücken auf Vinyl-Platten, aufbaute. Jetzt werden wiederrum ihre Texte wiederverwertet, und das ist ein politisches und ein emotionales Statement. Es gibt nicht nur heiteren Wolkenschein in Aloe Blacc’s Stadt. Zwar ist Liebe die Antwort, aber alles in allem ist die Welt noch immer eine tickende Zeitbombe. Wie kitschig ist das denn? Liebe? Ja durchaus, auch im Soul ein alter Hut. Aber Aloe Blacc verpackt den Soul mit noch mehr Soul: seine Stimme ist der Schlüssel zu dem Ganzen. Das sticht auf jeden Fall aus dem R’n’B und Hip Hop Einheitsdschungel heraus. Es riecht auf jeden Fall irgendwie klassisch.

Guetta-House, reanimiert

Mit einem vermeintlichen Cover der Hit-Single „Wake Me Up“ des schwedischen House-Produzenten Avicii startet das Album. Und das kommt alles in allem organischer, und am Ende des Tages besser rüber als das Original. Ist ja gar nicht so schwer. Das Plastik ist rausgesogen, und quasi die Seele einhauchend, singt Aloe Blacc hier die Texte zu einem Song, der mir sonst wohl egal wäre. Jetzt kommt die Überraschung: die Vocals des Avicii-Songs waren seit Beginn von ihm. Die Version hier ist lediglich akustisch. Gar nicht einmal schlecht.

Klar wird auf der Platte keine Geschichte neu geschrieben. Manchmal ertappt man sich dabei, wie man dem Herren eben doch gerne wieder einen Dollar geben würde. Bloß, von denen hat er wohl jetzt mehr als genug. Am Ende des Tages ist "Lift Your Spirit" aber ein willkommenes und solides Nachfolgealbum eines Ausnahmesängers der umkaputtbaren Soul-Szene. Es bleibt das Wissen, dass der Mann noch Größeres rausbringen kann. Seine Musik schießt aber auf keinen Fall am Ziel vorbei.

"Lift Your Spirit", Aloe Blacc’s neueste Platte, erscheint am 25.10. bei XIX/Artivist/Interscope.

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