Die Fotografin Edith Tudor-Hart hat einen gewaltigen zeitgeschichtlichen Output geschaffen: "Im Schatten der Diktaturen" präsentiert ihre längst als zerstört gegoltene Sammlung ertmals im Wien Museum. Kurator Duncan Forbes skiziiert uns die vielleicht wichtigste österreich-britischen Vertreterin der Sozialreportage.
Demonstration von Arbeitslosen, Wien 1932 © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Mädchen, vor einer Bäckerei, London, um 1935 © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Aus der Serie „Moving and Growing“ [»Sich bewegen und wachsen«], 1951 Edith Tudor-Hart © Wien Museum
Riesenrad im Prater, Wien, 1931 Edith Tudor-Hart © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Arbeitslose Familie, Wien, 1930 Edith Tudor-Hart © Wien Museum
Obstverkäufer, Wien, um 1930 Edith Tudor-Hart © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Demonstration von Arbeitslosen, Trealaw, South Wales, 1935 Edith Tudor-Hart © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Gee Street, Finsbury, London, um 1936 Edith Tudor-Hart © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Familie, Stepney, London, um 1932 Edith Tudor-Hart © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
»No Home, No Dole« [»Kein Zuhause, keine Stütze«], London, um 1931 Edith Tudor-Hart © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Selbstporträt, London, um 1936 Edith Tudor-Hart © Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004
Die Ausstellung ist die erste monografische Präsentation von Edith Tudor-Harts Werken in Österreich. Ihre Sammlung wurde bereits im Jahr 2004 der National Galleries of Scotland zur Verfügung gestellt, warum ist gerade 2013 das Jahr, in dem du Edith Tudor-Harts Geschichte erzählen willst?
Kuratorische Recherche ist generell sehr zeitaufwendig und war für diese Ausstellung besonders herausfordern, weil Tudor-Hart in ihrer Zeit in Wien und London meist im Untergrund tätig war. Aus Angst vor politischer Verfolgung und einer Festnahme zerstörte sie 1951 die meisten ihrer Negative. Die Restaurierung und Beschaffung von Bildmaterial war also dementsprechend schwer. Viele der Bilder die für die Ausstellung verwendet wurden, waren in schlechter Qualität oder beschädigt.
In diesem Fall bin ich sehr froh, dass ich zwei fähige Grafiker, Owen Logan und Joanna Kane an meiner Seite hatte. Dass ich mich gerade in den letzten Jahren mit dieser Fotografin befasst habe, liegt daran, dass kürzlich viel zum Thema Arbeiterfotografie gemacht wurde. 2011 eröffnette das Reina Sofia Museum eine Ausstellung über die politischen Anfänge der Moderne, in welcher Tudor-Hart unter anderem angeschnitten wurde. Für mich machte es einfach Sinn in diese Thematik tiefer einzutauchen.
Tudor-Harts Arbeit spiegelt beides wieder: politische Radikalität als auch soziale Gerechtigkeit in einem von Unruhen und wirtschaftlichen Rezessionen gebeutelten Europa. Steht beides nicht im Wiederspruch?
Tudor-Hart hat Politik und soziale Gerechtikeit nicht voneinander getrennt sondern eine logische Wechselwirkung zwischen diesen gesehen. Mitte der 1930 Jahre war sie Teil eine britischen Bewegung namens „Popular Front“ – die versuchten den Faschismus in Europa ein Ende zu setzen.
Abgesehen von Ausstellungen wie "World Press Photo". Schockiert alltäglicher Fotojournalismus heute noch?
Tudor-Hart wollte mit ihren Fotos niemanden vor den Kopf stoßen, sondern soziale Missstände aufzeigen. Ihre Kunst ging weit über die Fähigkeit hinaus, Menschen zu schockieren, viel mehr hatte sie analytischen Charakter: Die damalige Einstellung und das Weltverständnis der Gesellschaft wollte sie mit ihren Fotos, aber auch mit der Umsetzung einer pädagogisch frischen und neuen Bildungsreform langfristig verändern. Ihr Wirken soll zeigen, dass es im Fotojournalismus nicht reicht nur zu schockieren. Viel wichtiger ist es, jemanden zum Nachdenken zu bewegen – und gottseidank gibt es heute nach wie vor fähige Fotografen, die genau das bewirken wollen.
Duncan Forbes promoviert 1996 an der University of St. Andrews in Kunst,-Fotografie,- und Filmgeschichte, übernimmt im Jahr 2000 die Kuratorenstelle für Fotografie an der National Galleries of Scotland und ist seit heuer Leiter und Kurator am Fotomuseum Wintherthur.
"Edith Tudor-Hart – Im Schatten der Diktaturen" ist ab 26. September im Wien Museum zu sehen.