Journalismus in der Krise: Reinhard Christl, Leiter des Studiengangs Journalismus und Medienmanagement an der FH Wien, über neue Berufsbilder im Qualitätsjournalismus, den härter werdenden Wettbewerb unter Freelancern – und die Entscheidung, ob der Arbeitsmarktsituation weniger Studienplätze anzubieten.
Herr Christl, die FH Wien bietet im Rahmen des Studiengangs Journalismus und Medienmanagement u.a. den Kurs „Neue Wege in den Journalismus" für Jung-Akademiker an. „Der Standard” hat im Jänner die Namen von 22 Journalistinnen und Journalisten genannt, die im Vorjahr in Konkurs gegangen sind. Ebenfalls genannt wurden einige, die sich einen Konkurs nicht leisten konnten. Es sieht also derzeit eher nach einem „Alte weg aus dem Journalismus" aus. Wovon werden die angehenden Journalisten, die ihre Ausbildung an der FH Wien gerade erst begonnen haben, dereinst leben?
Wir haben derzeit eine Wirtschaftskrise plus eine Medien- und Anzeigenkrise. Alte Medien, vor allem Printmedien, werden an Bedeutung verlieren, einige werden sterben. Aber es wird neue Formen von Journalismus geben, online und multimedial. Insofern ist die Krise, auch wenn das ein Satz fürs Phrasenschwein ist, auch eine Chance: Wir brauchen auch künftig Qualitätsjournalismus, nur wird er anders aussehen und anders finanziert werden. Wir werden die Ausbildung deshalb auch mehr in Richtung Online und Multimedia ausrichten.
Ein Kollege vom Datum meinte vor kurzem, dass er keine Ahnung habe, wovon die Jungen, die sich bei seinem Magazin gerade erste Lorbeeren verdienten, in ein paar Jahren leben sollen. Viele davon sind Studierende Ihres Lehrgangs. Wird man vom Journalismus in ein paar Jahren noch leben können?
Gute Journalisten brauchen wir auch in Zukunft, ihr Berufsbild wird sich allerdings stark ändern. Und nur die sehr Guten und sehr Leistungswilligen werden auch sehr gute und sehr gut bezahlte Jobs finden. Auch Print wird nicht sterben, sondern als Erklär-, Entspannungs-, Entschleunigungs- und Hintergrundmedium neue Formen finden.
Absolventen Ihres Studienlehrgangs sind im Schnitt wesentlich besser ausgebildet als ältere Semester. Außerdem sind sie jung, wollen’s wissen und arbeiten für deutlich geringere Honorare. Was halten Sie von der These, dass diese Jungen mit verantwortlich dafür sind, dass viele Ältere in prekäre Lebenssituationen abrutschen?
Viele Alte sind im Vergleich zu den jungen durch Anstellungen sehr gut abgesichert und sehr gut bezahlt. Nicht wenige so gut, wie es die heute Jungen nie sein werden. Aber unter den Freelancern wird der Wettbewerb härter, das ist ein Faktum.
Könnte es sein, dass es ein Überangebot von neu ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten am Arbeitsmarkt gibt?
Es gab schon immer ein Überangebot an Menschen, die Journalisten werden wollen. Journalismus ist aus welchen Gründen auch immer für viele ein Traumberuf. Und es ist ja auch einer der interessantesten Berufe.
Eine Einschätzung: Wie werden sich Journalisten-Biographien in den nächsten Jahren verändern?
Mehr Wechsel zwischen den Medien, mehr Multimedialität, keine 30 Jahre mehr beim selben Medium. Weniger Sicherheit. Mehr Chancen, neue eigene Medien zu Gründen.
Betrachtet man die heimische oder deutschsprachige Medienlandschaft: Gibt es genug Medien in denen gut ausgebildete Journalisten das gelernte tatsächlich anwenden können?
Ganz ehrlich: Die alten Medien werden weniger Leute brauchen künftig. Da ich aber an die unbedingte Notwendigkeit von Qualitätsjournalismus für jede Demokratie glaube, hoffe ich, dass neue entstehen, die die neuen multimedialen Möglichkeiten nutzen. Genau solche sollen unsere Absolventen in ein, fünf oder zehn Jahren gründen.
Sprache spielt im Journalismus eine große Rolle. Wieviele bei Ihnen ausgebildete Journalisten wagen den Abgang ins anderssprachige Ausland?
Kaum welche. Journalismus hängt zu sehr an der Muttersprache. Aber nicht wenige gehen nach Deutschland, und das empfehle ich auch, denn dort gibt es 15 mal mehr Arbeitsplätze im Journalismus als in Österreich – und Ösis sind in der Medienbranche dort durchaus gefragt.
Gibt es bei den Studierendenzahlen Veränderungen bzw. haben Sie bei den Erstsemestrigen einen verstärkten Trend etwa hin zum Bereich „Medienmanagement" beobachtet?
Die Bewerberzahlen sind weiterhin hoch: zwischen 400 und 500 im Bachelor-Studiium, für das wir nicht zuletzt wegen der Arbeitsmarktsituation weniger Studienplätze anbieten als früher, und zwar nur mehr 37. Es gibt dafür ab Herbst unser neues Master-Studium Journalismus, das sich an junge Journalisten und an Absolventen von Unis und FHs richtet. Wer zum Beispiel Poltikwissenschaften oder Geschichte studiert hat, der oder die kann danach den Journalismus-Master machen, ist dann prädestiniert für Politik-Journalismus. Wer Wirtschaft studiert hat, aus dem machen wir einen Wirtschafts-Journalisten. Wer Biologie absolviert hat, kann sich zum Wissenschafts-Journalisten entwickeln, und so weiter. Diese Kombination aus Fachstudium einerseits und Journalismus-Studium andererseits, letzteres stark fokussiert auf Multimedia und Online-Journalismus, ist auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt.