Clifton Childree ist irgendwie nicht so ganz von dieser Zeit. Der in Miami lebende Künstler flüchtet sich in billige Illusionswelten und begibt sich gerne in die Gesellschaft von grotesken Figuren und freakigen Außenseitern.
Dunkelheit, verzerrte Leierkastenmusik, zerschlissene Klamotten und halb verrottete Möbel, alles überspielt mit dem Flackern eines schwarz-weißen Slapstick-Streifens. So kann man das beschreiben, was einen beim Eintreten in eine Installation von Clifton Childree erwartet.
Er ist schon etwas ungewöhnlich, vor allem wenn man bedenkt, dass der Herr aus dem lauten und schrillen Miami kommt. Vielleicht flüchtet er sich gerade deswegen in längst vergangene Zeiten, als Zirkus noch mit Glanz und Abenteuer behaftet war.
Childree verwendet meist Filme, um seine visuellen Installationen zu schaffen, denen etwas Morbides und Verfallenes anhaftet. Die Melancholie der fast vergessenen Stummfilm-Ära auf der einen Seite und der Humor von hervorgekramten Slapstick-Streifen machen seine Arbeit aus und zeigen seine Liebe zu dieser Zeit.
Für die Ausstellung "Parallelwelt Zirkus" der Kunsthalle Wien hast du extra eine Installation angefertigt.
Ja, "Clown Alley" ist nach dem Raum außerhalb des Zirkus benannt, wo sich Clowns tummeln und sich für die anstehende Show ankleiden und schminken. Ich habe mich schon immer für Dinge interessiert, die hinter den Kulissen geschehen. In den letzten Jahren habe ich auch alte Spielautomaten hergestellt. Nicht diese neuartigen mit Videos, sondern welche aus dem frühen 19. Jahrhundert, die mit Münzen funktionieren. In die Automaten baue ich alte, zerschlissene Filme ein, die dann unzählige Male abgespielt werden und sowohl der Film, als auch der Automat dadurch fast zerfallen. Hinterlegt wird das durch einen alten Leierkasten, der typische Zirkusmusik von einst abspielt. Dieser Raum ist heute vergessen und es kommt mir so vor, als wäre der Zirkus tot. Das finde ich wirklich traurig und deswegen wollte ich, dass meine Installation dieses Gefühl vermittelt: die Maschinen funktionieren nicht einwandfrei, der Leierkasten gibt schräge Töne von sich.
Woher hast du die Materialien für deine Installation?
Ich habe viele Dinge auf dem Naschmarkt gefunden und diese dann bearbeitet. Fundsachen verwende ich gerne, sie sind manchmal schon so kaputt, wie ich es vorsätzlich nie hinbekommen würde. Sie haben schon etwas Zersetztes an sich.
Du bedienst dich an Elementen der Stummfilm-Zeit. Warum ziehst du das Flackern eines Schwarz-Weiß-Films einer High-Definition Qualität vor?
Es hat wohl mit meiner Familie zu tun. Meine Großmutter tanzte in sogenannten Vaudeville Shows, also kleinen Zirkusgruppen, die ohne Zelt umher reisten und hier und dort auftraten. Viele Stummfilm-Schauspieler kamen ursprünglich von Vaudeville Shows. Als Neunjähriger begann ich dann mit meinen Freunden solche Shows mit einer alten gefundenen Kamera zu filmen. Sie waren immer sehr humorvoll.
Welche Rolle spielt dann Humor heute noch in deiner Arbeit?
Eigentlich denke ich darüber nicht zu viel nach. Ich mag es, mit den Elementen Horror und Comedy zu spielen. Man kann sehr gut mit den Emotionen der Zuschauer spielen, wenn man diese beiden Extreme zusammensetzt. Wenn auf eine witzige Szene eine Alptraum-Szene folgt, verstärkt es den Horror noch. Der Humor wirkt dann an der Stelle befremdlich. So kann ich Szenen schaffen, die den meisten normalen Menschen nicht in den Sinn kommen würden.
A propos normal. Würdest du sagen, dass sich das Thema Freaks und Außenseiter durch deine gesamte Arbeit zieht? Siehst du dich vielleicht selbst als einer?
Ja, Leute, die gegen die Norm rebellieren interessieren mich sehr. Mein Großvater war zum Beispiel auch so einer. Ich selbst bin nie auf eine Kunsthochschule gegangen, weil ich mich da einfach nicht gesehen habe.
Du wendest dich so stark der Vergangenheit zu. Interessiert dich die Gegenwart oder Zukunft gar nicht?
Wenn ich mich so umsehe ist die Zukunft eher ein Alptraum für mich. Es kommt mir so vor, als wäre die Vergangenheit irgendwie langsamer, weicher, handgemachter. Ich würde wirklich gerne einmal zurück in die 20er gehen, auch wenn ich wahrscheinlich enttäuscht wäre, dass nicht alles in schwarz-weiß ist. Und vermutlich würde ich mich dann wieder mehr für 1850 interessieren.
Parallelwelt Zirkus
Kunsthalle Wien
4. Mai bis 2. September 2012