Anti-Glamour und Diskurs

Endlich! Wien hat mit dem „Popfest“ (6.–9. Mai) ein Musikfestival, das nicht nur vermarktet, sondern auch kuratiert wird. Robert Rotifer, Musiker, Journalist und Kurator dieser viel versprechenden neuen Plattform der Wiener Szene im Interview.

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Wien hat ein neues „Popfest“ – veranstaltet von der Vernetzungsplattform karlsplatz.org, finanziert vom Kulturstadtrat Mailath-Pokorny und kuratiert vom Musikjournalisten (Falter, FM4, TBA) und Musiker Robert Rotifer.

Genaue Namen der am Karlsplatz Auftretenden wurden auf der Pressekonferenz im Wien Museum keine genannt. Einzige Ausnahme: der Nino aus Wien, der eine Nummer unplugged dargeboten hat. Ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesend waren etwa Laokoongruppe sowie Vertreter aus dem Umfeld der Wiener Labels Konkord, Couch, Asinella, Wohnzimmer, Ink, Seayou, Siluh und Problembär Records sowie der Musikvideoplattform They Shoot Music. Dass die Artists der Major-Industrie für das „Popfest“ weitestgehend irrelevant bleiben, begründet Robert Rotifer in seinen schriftlich ausformulierten „Überlegungen zum Popfest Wien“ wie folgt: „In Ermangelung eines glaubhaften einheimischen Mainstreams ist die Nische in Wien zum eigentlichen Hauptschauplatz des Pop geworden.“

Veranstaltungsort soll nicht nur – open air – die ironisch so genannte „Seebühne“ im Resselpark vor der Karlskirche sein. Nach 22 Uhr sollen die Labels und Künstler auch ganz intensiv in Clubs in den angrenzenden Kultureinrichtungen einbezogen werden. Auch der Diskurs soll Raum finden. Wolfgang Kos, Hausherr des Wien Museums und einst selbst Gestalter des legendären Ö3-Formats „Popmuseum“ (im Rahmen der „Music Box“) wird dieses etwa reanimieren. Die Stadt Wien unterstützt das „Popfest“ mit mindestens 150.000 Euro. Im Falle eines Erfolgs soll das Festival künftig jährlich stattfinden.

Der Zeitpunkt des „Popfest“ (6.–9. Mai) wurde bewusst so gewählt, um nicht in Konkurrenz zum Stadtfest der ÖVP, den Wiener Festwochen, der Bundespräsidentenwahl und den großen Mainstreamfestivals Frequency und Nova Rock zu geraten. Wenig freuen wird man sich darüber allerdings beim niederösterreichischen Donaufestival, das publikumstechnisch den Großraum Wien fokussiert und mit dem „Popfest“ nun zumindest an seinem letzten Wochenende eine ernstzunehmende Konkurrenzveranstaltung erhält.

Robert Rotifer, Kurator des „Popfest, im Interview:

Ist der Name „Popfest“ ein Arbeitstitel?

Robert Rotifer: Im Moment ist er noch ein Arbeitstitel, ja. Ich hätte gerne einen anderen Namen, bin aber nicht unfassbar unglücklich damit. Ich verstehe, dass es eine Bezeichnung braucht, bei der man sofort versteht, worum’s geht. Es kann aber sein, dass es einen Untertitel gibt.

Angekündigt wird ein Festival der Wiener Popmusik. Heißt das, es treten österreichische Bands und Musiker auf oder beschränkst du dich wirklich auf Wien?

Auf Bands mit Wien-Bezug. Es gibt so viele, die ich sonst unterbringen wollen würde. Wien als Rahmen lässt es einigermaßen überschaubar bleiben.

Gut, aber irgendein Wien-Bezug lässt sich bei fast jeder österreichischen Band herstellen.

Genau.

Wird das „Popfest“ künftig jedenfalls jährlich stattfinden?

Das hängt vom Erfolg ab. Es ist unser Wunsch, ein jährliches Ereignis zu schaffen. Aber der Erfolg des ersten Mals zählt.

Du stehst musikalisch im weitesten Sinne für Pop und Indie-Rock. Im HipHop, wo sich in Wien ja auch einiges tut, bist du eher unbewandert. Wird es da auch eine eigene Schiene geben?

Könnte sein. Ich tu mir da jetzt schwer, weil wir strikt vereinbart haben, die genauen Namen erst bei einer eigenen Programmkonferenz zu nennen. Hauptaspekt wird HipHop jedenfalls keiner sein. Ich könnte auch nicht ganz über den Schatten meiner eigenen musikalischen Sozialisation springen. Als Elektronik-Berater habe ich deshalb Wolfgang Schlögl (I-Wolf, Sofa Surfers, Anm.) engagiert.

Wenn der Wunsch in Erfüllung geht und das „Popfest“ eine fixe Institution der Wiener Szene wird – wie verhindert man da künftig, sich programmatisch permanent zu wiederholen?

Das ist ein absehbares Problem. Wir müssen im ersten Jahr recht offensichtlich sein, die Dinge bringen, an denen man gar nicht vorbeikommt. Wenn das „Popfest” wirklich zu einer regulären Institution werden sollte, dann wird es hoffentlich die Möglichkeit geben, noch ein bisserl mehr zu riskieren. Es soll nicht so sein, dass sich die ewiggleichen großen Namen die Türklinke in die Hand geben.

Apropos große Namen. Die von dir ins Spiel gebrachten Labels deuten an, dass du auf die jüngere Wiener Szene fokussierst, auf Bands und Musiker wie Ja, Panik!, Soap & Skin, Laokoongruppe, Ernst Molden oder Clara Luzia. Du bist ohnehin aus der Distanz deines Arbeitsplatzes in London angenehm weit entfernt von den alten Seilschaften des Austropop, aber: Gibt es eigentlich schon Begehrlichkeiten der Altvorderen?

Manchmal nein zu sagen, wird sicher schwer sein. Darauf freue ich mich nicht. Aber nein, Druck von Seiten der Austropopmafia gibt es noch keinen. Vorerst.

Die Stadt Wien unterstützt das „Popfest“ mit mindestens 150.000 Euro. Viele der Musiker, die dafür in Frage kommen, sind es ja gewohnt prekär und zu Liebhaberbedingungen aufzutreten. Welcher Teil der genannten Summe steht denn für Künstlerhonorare zur Verfügung?

Alle werden anständig bezahlt. Technik ist natürlich auch nicht umsonst, aber die Gagen machen eher den Löwenanteil aus. Es wird sicher niemand für ein Gulasch und ein Bier spielen. Und es geht uns natürlich schon auch darum, die Namen bekannter zu machen. Das heißt: Die Auftretenden sollen in Zukunft noch besser bezahlt werden und höhere Gagen verlangen können.

Popfest

6.–9. Mai 2010

Wien, Karlsplatz

karlsplatz.org

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