assbiting toiletpaper 015

Ein Geständnis und ein Kommentar. Zu Zweiterem: Geert Lovink ist eigenartig geworden oder er war er immer schon so? Zu Ersterem: Ich habe den Namen "assbiting toiletpaper" geklaut und wusste es nicht mal.

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Es begann …

Nein, das ist kein Scherz! Auch wenn ich noch so überzeugt war davon, aber der Name assbiting toiletpaper scheint wirklich nicht meine Idee gewesen zu sein! Ja, ich war zumindest eben so entrüstet wie ihr es jetzt seid. Asche über mein Haupt. Schande, Schande, ewige Schande. Gut, ich kann ein wenig einlenken, denn die Geschichte hat (zumindest für mich) ein positives Ende. Angefangen hat alles 1996 oder 1997.

Oh, Lockenhaus

Im unscheinbaren Örtchen Lockenhaus, im Burgenland, war es. Da verbrachte ich so manches Wochenende mit meinen engsten Freunden im Haus von Mazo. Eigentlich das Haus seiner Mutter, aber das ist Haarspalterei. Dort haben wir gemeinschaftlich zwei obskure Kultklassiker des D.I.Y. Horrorfilms geschaffen. Ihr müsste euch i>Schlock meets Gore meets Splatter vorstellen, unter strengeren Konditionen als Dogme 95. [1] Unter diesen Bedingungen entstanden Lockenhaus Zombie Inferno und Lockenhaus Vampir Inferno. Beizeiten werde ich eventuell mal YouTube mit diesen Meisterwerken beglücken.

Corpus Delicti

Diese Streifen waren so sehr aus unserem gemeinschaftlichen Geist geboren, dass wir Komagenu Ogrizorpi (ein Anagram unserer Spitznamen) als Regisseur in den Credits angaben. Credits, die wir mit Filzstiften und Markern auf Endlospapier gemalt hatten und mit den Fingern langsam durch das Bild schoben. Wie jede % ordentliche Filmproduktion % mussten wir auch eine Produktionsfirma angeben. Und hier hat Mazo anscheinend den Tag gerettet. „Assbiting Toiletpaper.“, hat er damals gesagt. So stand es dann auch auf dem Papier, in den Credits. Aber bis vor wenigen Tagen dachte ich es wäre mein Einfall gewesen.

Unendliche Schuldgefühle

Die Scham, die ich empfand, als Mazo mich darüber aufklärte, dass ich eigentlich seine Idee benutze ohne je auch nur gefragt zu haben, könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Zu meinem Glück war er in gönnerhafter Laune und gestattete mir den Namen so sehr ich will zu benutzen. Und er verlangt auch nix dafür. [2] Tja, so sehr war ich von meiner eigenen Mythenbildung überzeugt gewesen, dass ich mich nicht mal daran erinnern konnte, dass nicht ich, sondern Mazo sich den Namen ausgedacht hatte.

Kommentar zu Lovinks twenty.twenty Beitrag

Wo wir gerade bei Mythenbildung sind: Geert Lovink. Der gute Mann dürfte auch Opfer seines eigenen Mythos geworden sein. Ein paar seiner Aussagen vom vergangenen twenty.twenty (29.09.2010) wirken nicht ganz durchdacht auf mich. Hier muss ich allerdings anmerken, dass ich nicht live dabei sein konnte und meine Eindrücke sich auf die Zusammenfassung aus The Gap #110 beziehen. Ausserdem klar, dass dies hier nur meine persönliche, völlig unwissenschaftliche Meinung ist. Hier also meine Kommentare:

ad Paradox #1: b>OpenID hat sich nicht durchgesetzt

"Durchsetzen" bedarf da einer genaueren Definition. Falls damit nämlich gemeint war, dass es sich als einzige Lösung zum Thema "global log-in" durchsetzt, dann hat Lovink recht. Andererseits ist Google zum OpenID Provider geworden. Und OpenID ist auch die (zumindest inspiritative, oft auch tatsächliche) Grundlage für Services von Facebook oder Twitter. Es gibt Alternativen wie LDAP, Shibboleth oder CAS erleben Aufschwung durch die Diskussion rund um OpenID. Was alle gemeinsam haben: Sie sind für den Laien nicht so leicht selbst zu implementieren, wie oft angepriesen. Wie Lovink aus diesem vermeintlichen Paradox außerdem ableitet, dass User multiple IDs anlegen werden um ihre Personae getrennt zu halten ist mir auch schleierhaft. Eher vermute ich, dass zentrale Authentifikationssystem über kurz oder lang (allein schon wegen der wunderbaren Welt des Mobile Computing) dominieren werden. User, die das Bedürfnis haben ihre diversen Auftritte getrennt zu halten, werden das dann mit verschiedenen Filtermethoden und nicht mit multiplen IDs machen, denke ich.

ad Paradox #2: Trotz eines offenen Wertesystems schafft das Netz immer wieder Monopole

Hier bin ich durchaus Lovinks Ansicht, allerdings mit einem kleinen Addendum. Es wird immer wieder vom "offenen Internet" gesprochen, aber eines muss uns klar sein: Bis dato hat niemand, ausser vielleicht im Usenet oder Darknet, ein wirklich freies Internet gesehen. Es braucht massenrelevante, aber unabhängige Backbones und Provider, also die Hardware und Administration des Internets, bevor wir (in Masse) "offenes Internet" sehen können. Forderungen und Kommentare in diese Richtung sind zur Zeit auch spürbar.

ad Paradox #3: Das Internet ist nicht so global wie es scheint

Das dürfte mittlerweile niemanden mehr überraschen. Alleine schon die nüchterne Tatsache, dass nur knapp ein Drittel der Weltbevölkerung am Internet partizipiert sollte darauf hindeuten, dass das Internet kein globales Phänomen sein kann.

Abschließend

Vielleicht übersehe ich, dass Gert Lovink im Herzen ein Aktivist ist und seine Hypothesen durchaus eine polemische Facette beinhalten, die zu Diskussionen anregen soll. Ist sicher auch so, dass Lovink mit seiner Erfahrung und Forschungsarbeit die Entwicklungen besser und weitreichender analysieren kann als ich. Dennoch kann ich mit seinen Observationen nicht viel anfangen. Zumindest noch nicht.

Ganbarimashita.

Nuri "werwolf" Nurbachsch

[1] Es wurde nicht, und ich meine wirklich gar nicht, nachbearbeitet. Das höchste der Gefühle in Sachen Editing bestand darin das Hi8 Band zurückzuspulen und einen früheren Take zu überschreiben. Musik wurde direkt mit Mini-Boxen vom tragbaren CD-Player eingespielt, die der Kameramann an das integrierte Mikro des kleinen Camcorders halten musste. Kostüme wurden aus dem gemacht, was man so im Haus fand.

[2] Jetzt steht’s schwarz auf weiss. Da kommt er nimmer raus. Aber, Mazo, ich verspreche dir – hiermit ebenfalls schwarz auf weiss – dass ich mich für diesen Freundschaftsdienst bei dir erkenntlich zeigen werde, sobald sich mir die Gelegenheit bietet.

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