assbiting toiletpaper #11

Musik, Musik, Musik, Musik: einerseits drei Konzerte jüngster Vergangenheit und andererseits das anstehende Comeback von Devo. Ja, Devo!

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Nicht mehr rot

Die devolutionären Pyramidenhüte sind nicht mehr. Rot, mein ich. Jetzt sind sie metallisch-blau. Aber bevor ich mich in Schrift darüber freue, dass Devo wieder da sind, ein bisschen Musik in der frisch zubereiteten Variante, vulgo Konzert. Davon hab ich in den vergangenen Monaten jede Menge besucht, aber drei sind mir besonders in Erinnerung geblieben. So lange das noch der Fall ist will ich versuchen zu beschreiben, warum diese drei Konzerte so bemerkenswert waren.

Bass und Bart

Anfangen will ich mit Joe Preston. Nach einer grösseren Durststrecke, in der ich aus Unmut oder aber wegen anderer Verpflichtungen bereits einige interessante Shows verpasst hatte, zwang ich mich zum Thrones Konzert ins Fluc zu gehen. Was sich als ausgezeichnete Idee entpuppte. Ich gehe mal davon aus, dass JEDER weiss, wer Joe Preston ist. (Schummeln ist erlaubt. Einfach Fussnote [1] lesen, dann wieder hier weiterlesen und mit leicht beleidigtem Unterton laut ausrufen: "Oida, sicher weiss ich wer der Preston Joe ist, heast!") Genau, also da stand Joe Preston in einem leicht beschmutzten T-Shirt und schlabrigen, bräunlichen Hosen auf der Bühne, sein ergrauendes Kopfhaar in zwei seitliche, dünne Zöpfchen geflochten. Er räusperte sich. Und dann… donnerte es in zeremonieller Zeitlupe. Nur mit Bass, Effekten und einem spärlich eingesetzten Drum Computer ausgestattet, machte er erst mal klar, dass meine Kinnlade auf dem Boden zu bleiben hat. Aber nur um sich im nächsten Moment über sich selber lustig zu machen und mit einem „Hell yeaaaaaah! Rrrrrrrrock and rrrrrrrrrroll!“ Sample in die nächste Nummer zu preschen. Ich kann nicht mal mehr mit Gewissheit sagen wie lange das Konzert gedauert hat. Ich weiss nur mehr, dass ich die ganze Zeit den Mund vor staunen nicht zu bekam, während Prestons Bass zwischen Punk, Drone und Metal wechselnd meine Magengrube durchknetete. Als ich das Fluc verliess war ich glücklich.

Endtime Ballads

Eigentlich müsste es in diesem posting um nichts anderes als diesen Gig gehen. Ich lehn mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass es heuer kein besseres Konzert geben wird. Crippled Black Phoenix (für Informationsbegierige bietet Fussnote [2] einen Überblick) in der kleinen Arena Halle. Ganz ehrlich, mir fallen einfach keine passenden Worte für dieses Konzert ein. Ich wollte es mit "berauschend", "intensiv" oder "erleuchtend" und noch einigen anderen versuchen, aber keines wird auch nur annährend dem gerecht, was Crippled Black Phoenix an jenem Abend geboten haben. Und vor allem, was das in mir ausgelöst hat. Das ist eine jener Bands, von der ich mir wünschen würde, dass sie von der ganzen Welt geschätzt und gepriesen würden, völlig im Bewusstsein, dass das nicht geht und vielleicht auch gar nicht dem Ansinnen der Künstler entspricht. Aber kann man mir es übel nehmen, dass ich mich für sie begeistere und versuche andere mit meiner Begeisterung anzustecken? Und sicher kann mir auch niemand böse sein, nur weil ich mir wünsche, dass Crippled Black Phoenix noch mehr Anerkennung und Zuspruch bekommen. Ist, mal oberflächlich betrachtet, nichts Böses, meine ich. Dann wiederum ist es vielleicht nicht ganz unwichtig Crippled Black Phoenix entdecken zu können, das erste mal über sie zu lesen, vielleicht auf ihre Myspace Seite stolpern, das eine oder andere Video sehen und dann durch einen glücklichen Zufall erfahren, dass sie demnächst für eine andere Band, die euch gar nicht so besonders interessiert, Support spielen. Zum Konzert gehen und einfach… ja, da versagen die Worte schon wieder. Daher nichts mehr dazu, auf zum nächsten Punkt.

State of mind: euphoria

Diese Überschrift ist aus einer meiner (zahlreichen) Lieblingsnummern von Anthrax ("Be All, End All", auf dem 1988er Album "State Of Euphoria"), in der es (imho) um Selbstbestimmung geht. Wie dem auch sei, die Nummer ist saugeil. Anthrax live waren verflucht noch mal endgeil! Zum besseren Verständnis: Thrash Metal ist eine der beiden Musikrichtungen, die immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen (und meinem Kopf, meinem Bauch und meinem Gemächt [3]) innehaben werden. Anthrax, als Helden des Genres und auch meiner persönlichen "Metal Thrashing Madness", hatte ich nie zuvor gesehen. Ein "Hit" nach dem anderen kam da von der Bühne gedonnert. Spielfehler inkludiert, aber das machte den ganzen Zirkus nur noch sympathischer. Grinsen wie ein Honigkuchenpferd – das war meine Nebenbeschäftigung während des Konzerts und meine Hauptbeschäftigung danach. Eine weitere schöne Kindheits- und Jugenderinnerung gerettet. Danke, Anthrax. Ultraklischeetextzitat: "Got my foot pinned to the floor / you can feel the engine roar / I got thunder in my hands / I’m metal thrashing mad" ("Metal Thrashing Mad", Fistful Of Metal, 1983) [4]

Q: Are We Not Men? (again)

Zu guter Letzt noch eine prächtige Kurzmitteilung: Devo haben ihr brandneues Album fertig gestellt. Ganz genau, DIE Devo mit "Whip It", "Gates Of Steel" und "Mongoloid". Ihr erstes Studioalbum seit 20 Jahren. Ihre roten Pyramidenhüte haben sie gegen blaue Pyramidenhüte eingetauscht. Warum sie das getan haben konnte man ihrer PR-Kampagne zum Album entnehmen, in der sie aus allen willigen Teilnehmern eine Focus Group erstellt haben und sie Fragen beantworten liessen, die einerseits zur neuen Devo Farbe und andererseits zum Tracklisting des Albums "Something For Everybody" führten. Angeblich. Weil es Devo sind kann man davon ausgehen, dass das alles nur Verarsche war. Macht aber genau gar nichts, weil es trotzdem grosser Spass war! Crowdsourcing im Dienste der PR-Maschinerie. Klassisch Devo. Und auf dem Track "What We Do" singen sie es auch noch mal, damit es wirklich jeder kapiert: "What we do / is what we do / it’s all the same / it’s nothing new". Zwölf Tracks, einige davon mit dem Zeug zu Klassikern, auf jeden Fall wieder staubend trockener Devo-Humor zwischen jeder Note und jedem Sound. Mein Gefallen daran ist gross.

Ein Konvolut an Gedanken… oder auch nicht

Wieder mal ein assbiting toiletpaper @ the gap posting geschafft, wenn auch mit Verspätung. Ich hatte ja nie Regelmässigkeit versprochen, nur meine vagen, aber besten Absichten in Aussicht gestellt. Wird vielleicht besser. Eventuell. Bis dahin hoffe ich, dass ihr mir wohlgesonnen bleibt. Ich zitiere die New Kids: Is‘ geil, nee, Junge?!

Nuri "werwolf" Nurbachsch

[1] Der Preston Joe nämlich ist ein Bassist, der was schon bei den Melvins und Earth Mitglied gewesen ist, mit The Need, Harvey Milk, Sunn O))), High On Fire und Men’s Recovery Project aufgegeigt hat und sonst überhaupt ein leiwander Szeneheld ist. (Herablassende Belehrung Ende.)

[2] Justin Greaves, bereits für Bands wie Iron Monkey, Electric Wizard und Teeth Of Lions Rule The Divine im Einsatz, und Dominic Aitchison von Mogwai haben das Grundgerüst zu Crippled Black Phoenix geschaffen. Ein paar andere Musiker, die zum einen oder anderen Zeitpunkt an Crippled Black Phoenix mitgewirkt haben: Geoff Barrow (Portishead), Kostas Panagiotou und Andy Semmens (beide Pantheist), Nial McGaughey (16). Namedropping, nein, namecarpetbombing! Yay!

[3] Warum benutzt niemand mehr "Gemächt" als Bezeichnung für die primären männlichen Geschlechtsorgane? Man kann doch auf keine bessere Art und Weise sagen "Hey, ich find meinen Penis in Ordnung, aber er macht mich zu nichts Besonderem und ich hab auch keine patriarchalen Machtfantasien. Danke und guten Tag." – die Kombination aus altertümlicher Behäbigkeit und der daraus resultierenden automatischen Ironie macht’s aus.

[4] Es ist übrigens ein neues Album mit Joey Belladonna an den Vocals in der Mache. Einen neuen Song haben sie auch beim Konzert gespielt und es klang sehr respektabel. Die Hoffnung auf ein neues und auch gutes Anthrax Album lebt.

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