Audimax aufgeben? – „Kein Interesse an radikaler Lösung“

Better burn out than fade away? Die Audimax-Besetzung mit einem Forderungskatalog und einem öffentlichkeitswirksamen Tusch – einer finalen Party – beenden? Der Vorschlag von Niko Alm, Autor des aktuellen Kurzplädoyers für eine #unibrennt Abschlussparty, in seinem Blog, fand viel Zustimmung. Aber auch vehemente Kritik. Kritiker „Roger“, selbst Blogger, erklärt warum er wenig davon hält, dass die Studierenden den Wiener Audimax verlassen.

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Warum wäre es falsch die Audimax-Besetzung jetzt abzubrechen?

Es wäre richtiger, den wert dieser Bewegung zu suchen, verstehen zu wollen was am Anfang so eindrucksvoll gelungen ist, und den Lernprozess als interdisziplinäres Steuerungsexperiment zuzulassen – bei volkswirtschaftlicher Kalkulation. Mir ist bewusst, dass sowohl dem Ministerium der politische Wille dazu fehlt, als auch dem Rektorat die Phantasie, ein zeitgemäßes, interdisziplinäres und forschungsorientiertes Umfeld zu schaffen: am ehesten kann man das wohl noch von progressiven Privatuniversitaeten erwarten, oder von Managementberatungskonzernen, die intelligent investieren.

Warum ist die Besetzung die bessere Strategie?

Die Bewegung braucht mehr Zeit, sich selbst zu verstehen. Um die ursprüngliche Kraft wiederzuerlangen müsste der fundamentale Unterschied zu klassischen Protesten, die überlegene Kommunikationsweise im Schwarm, die zu Realtime Information aller Beteiligten führt, praktisch neu entdeckt und wieder aktiviert werden. Wenn das nicht geschieht, dann wird der Protest auch klassisch enden: in unbedeutenden Kompromissen, im Nichts.

Zu was würde eine längere Besetzung führen?

Zeit ist nicht das einzige, was derzeit fehlt: Ohne Anspruch, den Bildungswillen auch praktisch zu leben, die Besetzung nicht nur halbtags zu führen wird es schwer werden. Natürlich fehlt die Frische des anfangs. Was jetzt nach 6 Wochen geblieben ist, hat aber Substanz. Die Arbeitsweise als Kollektiv, vorerst ohne Hierarchieanspruch, hat bestimmte Erfolge vorzuweisen, die allerdings gesehen werden wollen. Will man das nicht, dann erkennt man den Keim einer effektiven problemlösenden Organisation vor lauter Nebenproblemen nicht. Das ist schwer kommunizierbar – es bedurfte einer Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber, welches nicht generell beobachtbar ist.

Wie wäre damit umzugehen, wenn das Audimax tatsächlich geräumt würde?

Die Option, selbst zu gehen, und der Stadt eine humanitäre Katastrophe im Audimax zu hinterlassen, wurde nie konkret erörtert – bei aller Lust, dem Gegenüber eines auszuwischen. Es überrascht nicht, dass niemand an einer radikalen Lösung Interesse hat, wie sie fallweise in Deutschland gewählt wurde. Das Bild, das man sich hier machen kann ist nicht besonders attraktiv, und es soll wohl nicht unnötig gezeigt werden. Räumung wäre nicht nur eine große Dummheit – langfristig lässt sich der Protest auch mit diesem Mittel nicht stoppen, zu viel Struktur ist außerhalb des Audimax entstanden, und die kann schlicht nicht geräumt werden. Das Aushungern scheint die wahrscheinlichere Option, man wird sehen, ob es gelingt – die Chancen stehen derzeit leider nicht schlecht. Es wäre aber sinnvoller, die Gelegenheit zu nützen um inhaltlich weiterzukommen: die Probleme sind offensichtlich, und es besteht kein Grund, sie nicht jetzt abzuhandeln. Die Art des Vorgehens kann leider nicht verhandelt werden, sie wird von Naturgesetzen bestimmt – auch wenn die so jung sind, dass sie noch wenige sehen oder erkennen, Kybernetiker könnten mehr dazu erzählen. Diese Chance wird meines Erachtens übersehen: Die Transformation des österreichischen Universitätsbetriebs könnte wahrhaft historische Bedeutung erlangen, die Zeit ist wohl noch nicht reif dafür. Vielleicht probiert ja als nächstes die Gewerkschaftsbasis den Protest gegen die eigene Obrigkeit. Parallelen gäbe es genug und twittern ist schnell gelernt. Dann würde es eine Volxxxxxxxkueche mit 8x geben.

Blogger „Roger“, 43, ist Mitglied der Arbeitsgruppe Doku/Film der Plattform http://unibrennt.tv, eine adaptierte Videoportallösung die „irgendetwas Konkretes“ zum Protest beitragen soll. Zu dem Team gestoßen, ist der ehemalige Mathe-Student nicht nur um zu lernen, sondern auch für seine Tochter und um zu sehen was rechtsstaatliche Prinzipien heute in Österreich noch Wert sind.

http://twitter.com/rogeraaut

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