Auf da Alm gibt's ka Kunst

Wir sind nach Bad Kleinkirchheim zu "Hotel Konkurrenz" gefahren und haben uns vom Gegenteil überzeugen lassen. Fotos gibt’s auch.

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Der Postbote ist sichtlich verwirrt. Er hat zwar den schwarzen Vorhang vor dem Eingang des Hotels beiseite geschoben, aber die Tür dahinter ist verschlossen. Eigentlich müsste er daneben eintreten, so wollen es die Instruktionen. In dem dunklen Kämmerchen, das Licht spenden Kerzen, steht eine große Glocke die man zu läuten hat. Dann wird aufgemacht.

Initiationsritual, vielleicht. Es wird jedenfalls viel darüber geredet, über den ersten Moment im Hotel Konkurrenz, und wie er sich auf die einzelnen Personen auswirkt. Das Wort "Irritation" fällt häufig, häufiger nur: "Runterkommen". Und tatsächlich, hier läutet kaum ein Handy, nur vereinzelt schaltet jemand den Laptop an. Gäste, die zuerst über die W-LAN-Situation geklagt haben, machen am nächsten Tag Qi-Gong im Garten.

Neun Stunden

An diesem Mittwoch der Ankunft ist es nicht nur der erste Moment, der auf eine gute Weise verstört. Es ist Abend, eher wenige Menschen sind gerade zu Gast. Im Vorraum zum Speisesaal sind alle Teppiche des Hotels gesammelt. Manche hängen an der Wand, manche liegen am Boden. Zwei Klaviere.

An denen sitzen Dorian Concept und Zanshin, The Clonious spielt Gitarre. Beziehungsweise Oliver Johnson, Gregor Ladenhauf und Paul Movahedi tun das. Hier ist man per Klarname. Seit neun Stunden sitzen sie im Teppichraum und ringen sich "Vexations" von Erik Satie ab. Ein Thema, zwei Variationen und das 840 mal wiederholt. In voller Länge kann das bis zu zwanzig Stunden dauern. Die drei spielen heute nur bis zur Halbzeit. Damit sich nach dem Essen auch noch ein Jazz-Set ausgeht. Clemens Bacher a.k.a. Cid Rim hat sich mittlerweile an den Drums dazugesellt.

Essen und Musik

Essen, übrigens. Das ist das A, wenn auch vielleicht nicht das O von AO&, dem Künstlerkollektiv, das für Hotel Konkurrenz verantwortlich zeichnet. Übers Essen haben sich Philipp Furtenbach, Philipp Riccabona und Thomas A. Wisser kennengelernt und setzen seit 2008 international und national oft sehr aufwendige, immer aber bis ins letzte Detail durchdachte künstlerische Projekte um. Die Herkunft von Essen, dessen Verarbeitung und soziale Komponente spielen in den Arbeiten des Trios immer wieder eine Rolle. Für "Principal Concerns" (2012) bauten AO& eigenhändig Salz ab, über eine Tonne schwer. Bei „Feed The Rich“ wiederum, einer Arbeit aus dem Jahr 2010, gab man in Luxusskiressorts wie Kitzbühel hochwertiges Essen gratis an Passanten aus.

Ein anderes Standbein von AO& ist die Musik. Nikolaus Gohm "sperrten" die Künstler zwölf Tage lang in eine Höhle. Dort schlief er nicht nur, sondern nahm auch eine Doppel-EP auf, die auf dem eigens gegründeten Label AWESVM ("als wär’s ein Stück von mir") in einer Auflage von 300 Stück erscheinen wird. Zusammen mit Phillip Sollmann (Efdemin) wurden zwei weitere Projekte, die sich mit der Erfahrung von außergewöhnlichen Räumen beschäftigten, verwirklicht.

Zusammenkunft

Ein außergewöhnlicher Raum ist auch Hotel Konkurrenz. Wie der Name schon sagt, geht es darum dem aufgrund schwindender Besucherzahlen fast schon überholten Konzept des idyllischen Refugiums in den Alpen etwas entgegenzustellen, damit zu konkurrieren. "Concurrere" bedeutet – es freut sich der Lateiner – aber eben auch „zusammenlaufen“. Das Hotel wurde zu einem Begegnungsort unter anderen Voraussetzungen. Ein Ort der Vernetzung, nicht des Networkings. Das scheint auch der Arbeitsweise von AO& generell zu entsprechen: Furtenbach, Riccabona und Wisser scheinen beste Kontakte zu haben, behalten dabei aber immer noch so etwas wie ein "low profile", schaffen es geheimnisvoll und interessant zu bleiben. Engagiert wurde AO& von der nock/art, die bereits im Vorjahr den hochkarätigen Künstler Hamish Fulton für einen Slow Walk nach Bad Kleinkirchheim holte. Dass hierbei natürlich nicht nur kulturelle, sondern auch touristische Motive eine Rolle spielen, hat den Künstlern zuerst missfallen. Ziemlich im letzten Moment fanden sie dann doch Gefallen am Hotel St. Oswald und erklärten es zum "Objet trouvé" – unter ihren Bedingungen. Die waren nicht zuletzt, dass die eigentlichen Besitzer und ein Teil des Hotelteams in den Prozess eingebunden werden sollten.

Back To Normal

Dass der Seniorchef, der nach dem Monat der Übernahme wieder zum "Normalbetrieb" zurückkehren will, nicht immer ganz glücklich mit dem neuen Führungsstil und so mancher Raumintervention ist, dass es auch einmal Spannungen gibt und es dem Team an Schlaf mangelt, bleibt kaum verborgen, trägt aber nur weiter zum Charme der Unternehmung bei. Das Setzen auf die Nivellierung der Hierarchien zwischen Mitarbeitern und Gästen bringt natürlich auch Probleme aufs Tapet, die es in einem normalen Hotelbetrieb nicht gibt, oder die hinter verschlossenen Türen ablaufen. Es bringt aber auch gewaltige Presse. Nicht jedes Projekt bekommt wie Hotel Konkurrenz mal eben drei Seiten in der Zeit. Was das alles mit dem beschaulichen Hotel St. Oswald machen wird – und zwar nachdem die Künstler ihre Zelte dort abbrechen – ist vielleicht der spannendste Moment des Projekts.

Hotel Konkurrenz läuft noch bis 15. Juni in Bad Kleinkirchheim.

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