Aus der Lebensmitte heraus berichten

Okto bietet eine Plattform für Geschichten, die in anderen Medien wenig Beachtung finden. Seit zehn Jahren. Wir wollten wissen, warum das so wichtig ist.

Von Anfang an haben wir auch an der Etablierung einer Programmstruktur gearbeitet. Wir wollen schon eine gewisse publizistische Relevanz haben. Wir sind nicht von der dogmatischen Schule, die sagt, es ist vollkommen irrelevant, ob das, was wir machen auch gesehen wird – es geht ausschließlich um das Erlebnis des Produktionsprozesses. Das sehen wir nicht so. Wir haben von Anfang an den Anspruch erhoben, dass wir gesehen werden und Öffentlichkeit erzielen, nicht zuletzt im Interesse der ehrenamtlich Produzierenden, die hier viel Aufwand betreiben. Diesen Leuten gebührt ein Publikum. Einerseits mit Programmplanungsmaßnahmen, andererseits auch durch gezielte Programmkommunikation. Wir wollen Erfolg nicht nur daran messen, wie viele Leute interessiert sind bei uns mitzumachen, was von Anfang an sehr gut genutzt wurde. Derzeit arbeiten ca. 450 bis 500 Menschen an Sendungen.

Die Gunst der späten Stunde hat auch mit sich gebracht, dass wir als erster Sender in Österreich 100% digital funktioniert haben, ohne Zwischenschritte auf analogen Trägern. Bei der Einbindung von Prosumertechnologien, mittlerweile state of the art im Rundfunk, waren wir bei den ersten dabei, die den Sprung ins kalte Wasser gewagt haben. Außerdem war die Etablierung der Oktothek 2011 wichtig. Sich als Communitymedium überhaupt eine eigene Mediathek leisten zu können im Sinne eines kostenfreien Onlinearchiv, war zu dem Zeitpunkt ein großer Schritt.

In puncto der publizistischen Relevanz: Was passiert, wenn jemand mit einem Vorschlag für eine Sendung kommt, die aus eurer Sicht publizistisch irrelevant ist?

Naja, wir versuchen schon auf der einen Seite unserem Zugang als offenes Medium gerecht zu werden, das ist schon als Angebot, aber auch in Korrespondenz zu unserem Komplementärprogramm zu sehen. Schwierig wird es, wenn es sich um Kopien von Mainstreamformaten handelt, weil die erstens eh schon wo anders gesendet werden und zweitens aufgrund der Finanzierungssituation von uns niemals in dem Qualitätsniveau erstellt werden könnten. Daran könnten wir uns nur die Finger verbrennen. Deswegen ist das ein Bereich, wo wir sagen, das finden wir nicht adäquat. Wir behalten uns durchaus vor, nicht alle Sendungskonzepte zu nehmen.

Das ist auch ein wenig dem geschuldet, dass wir eine andere rechtliche Situation und Rahmenbedingungen als die meisten offenen Kanäle in Deutschland haben. Dort gibt es aufgrund der Verankerung im Rundfunkstaatsvertrag sowas wie einen Rechtstitel. Solange ich die Gesetze befolge, muss mich mein lokaler offener Kanal meine Sendungsidee verwirklichen lassen. Das hat auch manchmal zu dem Problem geführt, dass zum Beispiel rechtsradikale Inhalte, die in Kooperation mit entsprechend politisch gelagerten Rechtsanwälten erarbeitet worden sind und haarscharf am Antisemitismus vorbei schrammen, dennoch ausgestrahlt werden müssen. So ein eigenes Regelwerk hat zwar Vorteile, ich bin aber froh im Rahmen des privaten Rundfunkgesetzes in Österreich zu operieren und über Programmvorschläge entscheiden zu können. Wir wollen keine nationalistischen, faschistischen oder frauenfeindlichen Inhalte.

Ihr finanziert euch ja ausschließlich durch Förderungen aus öffentlicher Hand. Einerseits schafft das natürlich eine Freiheit, z.B. im Vergleich zu einem privaten Fernsehsender, andererseits eine Abhängigkeit. Ist das nicht gefährlich?

Natürlich ist die Gefahr von Anfang an mit überlegt worden. Wir haben mit verschiedenen Maßnahmen versucht, diesem Risiko Rechnung zu tragen. Zum einen haben wir uns als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, die in der Eigentümerstruktur einen gemeinnützigen Verein sitzen hat. In dem sind ausschließlich ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, die kein eindeutig zuordnenbares politisches Amt erfüllen – sondern Leute, die im weitesten Sinn dem kulturellen, wissenschaftlichen Medienkontext entstammen. Damit sitzen Leute, die nicht über parteiinterne Abhängigkeiten unter Druck gesetzt werden können, als Puffer zwischen dem operativen Teil von Okto und der Politik.

Es ist allerdings nie zu Übergriffsavancen gekommen und auch die Funktionsweise von Okto wird kommuniziert. Diesbezüglich muss ich daher der Kommunalpolitik der Stadt Wien ein gutes Zeugnis ausstellen. Wir streben außerdem eine Diversifizierung in den öffentlichen Finanzierungsquellen an und waren auch an der Entstehung der Privatrundfunkförderung RTR beteiligt.

Zehn Jahre Okto- ist das ein Umbruchsmoment? Wollt ihr was verändern?

Unbedingt!

Also ich finde, wir haben so viel geschafft, dass wir uns nicht um den Erfolg bringen dürfen, indem wir den globalen Medienwandel verschlafen. Es ist unglaublich. Man ist ja selbst ein wenig überrascht, wenn man Zeitzeuge solcher Entwicklungen wird, wo sich dann vielleicht später Generationen wundern werden „Na bum. Des muss eigentlich oarg gwesen sein in dieser Zeit“. Da ist auf einmal das Fernsehen, das so wichtig war quasi über Nacht in den Hintergrund gerückt.

Wir sind Zeitzeugen eines epochalen Wandels, der uns vor zentrale Herausforderungen stellt. Beispielsweise der Umgang mit sozialen Netzwerken wie Facebook, der natürlich viele Chancen bietet, aber auch kritisch betrachtet werden muss. Die Nutzung des klassischen Programmfernsehens rückt in den Hintergrund und es gibt einen Umschwung zu On-Demand-Angeboten. Da darf man den Anschluss nicht verpassen! Und Communitymedien 2.0 sind ohne massive Technologiekompetenz auch nicht zu denken.

Feste muss man auch feiern, vor allem wenn es runde Geburtstage sind. Das macht Okto auch. Zum einen wird es ein On-Air-Geburtstagsprogramm geben. Die richtige Party steigt dann am 28.11. in der Grellen Forelle.

Bild(er) © Okto, Sebastian Philipp für Okto
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