Die zweite Haut

Der körperlich beeinträchtigte Choreograf, Tänzer und Philosoph Michael Turinsky verschiebt in dem neuen Stück "Second Skin" die Beziehung seines Körpers zu seiner Umwelt. Dazu nutzt er Elemente aus Hip-Hop-Videos.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Ein weißer Raum. Turinsky fährt in seinem Rollstuhl im Kreis, immer wieder. Fast stoische Wiederholung. Er hält stets mit dem Rücken zum Publikum an und tanzt mit kreisenden Bewegungen des Oberkörpers. Es fühlt sich an, als würde er den Rhythmus einführen. Dann erhebt er sich mühsam aus dem Rollstuhl und läuft mit wackeligen Schritten in die Mitte des Raumes. Seine Bewegungen sind zitternd, aber präzise – als hinge er an unsichtbaren Fäden. Auf einmal der Fall zu Boden. Jetzt hängt das Publikum in der Luft. Verunsichert. Erschrocken? Turinsky hebt den Kopf und entwaffnet mit einem schelmischen Lächeln. "Lachen erlaubt", scheinen die blitzenden Augen zu sagen.

Turn the beat around

Was umgibt unsere Körper? Sprache, Sound, Bewegung, Kleidung. Dem Volksmund zufolge macht der Ton die Musik und Kleider Leute. Wie sehr trägt das Drumherum zur Wahrnehmung bei? Turinsky hat sich damit auseinandergesetzt. Durch die Erhebung aus dem Rollstuhl wird eine Grenze überschritten. Es gibt Raum für neue Assoziationen. Ausgehend von Elementen aus Hip-Hop-Videos verschiebt Turinsky den Kontext, in dem sein Körper wahrgenommen wird. In einem Moment findet sich der Zuschauer in Club-Atmosphäre wieder, elektronische Hip-Hop-Beats erfüllen den mit Rauchschwaden durchzogenen Raum. Turinsky, am goldenen Thron, schmeißt in einen riesigen Pelzmantel gehüllt mit Geldbündeln um sich. Die Parodie des stereotypen Hip-Hop-Klischees – von 50 Cent bis Snoop Dogg kann man sie alle hier finden – wird zum ekstatischen Tanz, bei dem Turinsky fast mit seinem Pelz eins wird, schwimmend im Meer aus Scheinen. Die Goldkettchen klimpern. Die logische Konsequenz und einzige Befreiung wird das Abstreifen der symbolisch beschwerten Kleidung. Um sich als Nächstes völlig in der Musik aufzulösen mit der eigenen Stimme.

Befreiende Momente

Schnell ist man so mit Turinsky in seiner unerschrockenen Trance, dass man längst vergessen hat, dass es sich hier um keinen "gewöhnlichen" Körper handelt. Der Abend der Uraufführung von "Second Skin – Turn The Beat Around" ist sehr komisch, geht unter die Haut und am Ende fühlt man sich, als hätte man die verschiedenen Hüllen mit Turinsky anprobiert und wieder abgestreift. Irgendwie befreit. Übrigens sind in dem Stück auch Zitate einiger anderer Hip-Hop-Größen zu finden – aber seht am besten selbst!

Die Uraufführung von "Second Skin – Turn The Beat Around" fand am 25. Mai statt. Das Stück ist am 26. Mai um 19.30 Uhr ein weiteres Mal im Tanzquartier Wien zu sehen. Nähere Infos hier.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...