255 Zwerge, 117 Brücken, 1 lange und zermürbende Geschichte. Breslau hat einiges zu erzählen. 2016 wird sie zur Kulturhauptstadt Europas.
Der Weg zur Europäischen Kulturhauptstadt (ESK 2016) ist ein langwieriger. Zwei Jahre dauerten die Vorbereitungen für den Wettbewerb in Breslau, das sich gegen Städte wie Warschau oder Danzig durchsetzen konnte. Zwei weitere Jahre nahm die Gestaltung des Programms in Anspruch. Seit Ende November 2015 sind die Pläne großteils fixiert. Acht Kuratoren präsentieren ihre nationalen und internationalen Projekte, unter anderem in den Bereichen Musik, Visuelle Kunst, Film und Architektur.
Das Breslauer Charisma macht die viert größte Stadt Polens zu einer Studentenmetropole. Rund 130.000 von 630.000 Einwohnern sind Studierende. Bars, Cafés und Clubs sind wie die Unis und Fakultäten alle im Zentrum angesiedelt. Alles ist überschaubar. Ebenso die Clubszene. Sie orientiere sich am Mainstream, Breslau sei eine »Stadt der Discos«. So formuliert es Clubbesitzer Adrian Kotolowski. Die Studenten erwarten sich auch nicht unbedingt mehr, als in den gleichförmigen Lokalen zu Youtube-Hits zu feiern. Kotolowski ist Manager des Clubs Das Lokal, welches – neben der Bau Bar – elektronische Musik abseits der Masse anbietet. Die ESK werde aber nicht in sein Programm miteinfließen.
Kunst selbstgemacht
Magda Babiszewska nimmt auch eine verknüpfende Rolle im ESK-Dialog ein. Sie ist zuständig für den internationalen Austausch in Breslau und erzählt enthusiastisch von den Projekten, die in den Startlöchern stehen. Die Stargäste seien der Oscar-prämierte Komponist Ennio Morricone ("Spiel mir das Lied vom Tod") und der baskische Bildhauer Eduardo Chillida. Chillidas Werke und Skulpturen prägten die Bildhauerei des 20. Jahrhunderts mit und verstehen sich hier als Geste des Dialogs mit der Partner-Kulturhauptstadt San Sebastian.
Die Breslauer können dabei selbst zu Akteuren des Kunst werden. "mikroGRANTY ESK 2016" realisierte bereits 50 Kunstprojekte von Normalbürgern. Einzige Voraussetzung sei, aus Breslau zu kommen, erklärt Babiszewska. Insgesamt jedoch ist das Programm der ESK eher zurückhaltend, fast brav. "Was sich während der Olympiade des Theaters abspielen wird, ist nicht vorauszusehen", lautet ihre Antwort auf die Frage, ob es Provokationen geben werde. Bei dem seit 1993 existierenden internationalen Theater-Festival präsentieren Künstler aus der ganzen Welt ihre Bühnenwerke. Mal sehen, ob es Kontroversen geben wird.
Kein Geld für Porno
Denn erste Spannungen entstanden bereits um das Stück "Prinzessinnendramen. Der Tod und das Mädchen I-V« von Elfriede Jelinek, das unter dem Namen »Das Mädchen und der Tod", im November in Breslau Premiere feierte. Es steht zwar in keinem direkten Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt, ist aber Teil der aktuellen Theaterszene der Stadt. Im Interview mit dem Nachrichtensender tvn24 zeigte sich Vizepräsident und Kulturminister Piotr Glinski erzürnt und verkündete, es werde keine staatlichen Gelder für Pornografie am polnischen Theater geben.
Grund dafür seien die als Schauspieler engagierten Pornodarsteller aus dem Ausland – die angeblich auf der Bühne Sex haben würden. Um noch eins draufzusetzen, wendete er sich mit einem Brief an den obersten Chef der Exekutive der Selbstverwaltung, Marschall Cezary Przbylski, mit der Erwartung, die Vorbereitungen für die Premiere zu unterbinden.
Keine Woche im Amt und schon vermittelte Glinski durch seine Aussagen eine voreingenommene Haltung gegenüber provokativer Kunst. Trotz der Proteste und einer Internetpetition gegen "Das Mädchen und der Tod", die innerhalb von vier Tagen 30.000 Unterschriften sammelte, kam es zur Premiere und das ausverkaufte Stück fand durchaus Zustimmung bei den Theaterbesuchern. Sex gab es am Ende eh keinen. Ausgezogen hat sich auch niemand.
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