Der schottische Produzent Hudson Mohawke versucht sich mit seinem zweiten Album "Lantern" an der Überlagerung von Altersweisheit und jugendlichem Rabaukentum.
Die beliebte Erzählung vom sogenannten Reifungsprozess des Künstlers, weiß Gott, von dessen Erwachsenwerden, ist eine der langweiligsten, die die Popmusik anzubieten hat. Die Kunst lebt von arroganten Spinnern, die ausprobieren, Behauptungen aufstellen und vorgaukeln, sie hätten das ganze Leben gesehen. Altern in Würde am Solopiano – das mögen andere besorgen. Der schottische Produzent Hudson Mohawke geht langsam auf seinen 30er zu und hat jetzt mit seinem zweiten Album "Lantern" so eine Platte aufgenommen, die "Integrität" ausbuchstabieren soll. Vom schrillen Clubkid zum Techno-Auteur. Aber nicht nur.
Musik als billigste Pracht
"Lantern" ist eine Platte, die als Korrektiv bezüglich der Außenwahrnehmung dienen soll, die Hudson Mohawke in den letzten Jahren widerfahren ist. Neben seinem Landsmann und ideologischem Cousin Rustie war Hudson Mohawke Posterboy des digitalen Maximalismus der jüngeren Vergangenheit. Hier wird Musik als die billigste Pracht verstanden – hundert Schichten schäbiger Beats und aus dem Kaugummiautomaten gezogene Fanfaren wollen angehäuft werden. Salven aus der 808, Videospiel-Bleeps und Second-Hand-R’n’B-Glitz – alles im Idealfall verschmolzen von gerade dem Teenageralter entwachsenen Typen, für die Rave und HipHop immer schon dieselbe Veranstaltung bespielt haben.
Mit derlei Attitude und den entsprechenden Sounds, die bei allem Bastelstuben-Charme immer auch mit dem größten Rumms ausgestattet sein müssen, hat es Hudson Mohawke zu seltsamem Ruhm gebracht: Aus undergroundig-hipper europäischer Clubkultur zum Homie von Kanye West. Sein gemeinsam mit dem kanadischen Produzenten Lunice betriebenes Duo TNGHT hat sich mit seiner Verquickung von Trap und der Musik, die wir "EDM" nennen, rasend schnell zur festivaltauglichen Einstiegsdroge für durstige Dancefloor-Neulinge entwickelt.
Inspiration früherer Zeiten
Für das Album Lantern bedeutet das also die erwartbare Entwicklung: Ein paar Gänge wollen hinuntergeschaltet werden, Vielseitigkeit muss vorgelebt werden. "Lantern" ist also als Album im Albumsinne durchorchestriert, hat Dramaturgie und Flow, es gibt keine Rap-Features – dafür ein paar richtige "Lieder", z.B. mit R’n’B-Wonderboy Miguel und Antony Hegarty. Symbolcharakter. "Lantern" ist von Texten – echt eingesungen oder als Samples von alten Soul-Platten gezogen – durchsetzt, die den Positivismus, ein Durchhalten beschwören oder von Nostalgie und früheren besseren Zeiten künden. Das alles könnte also schwer betulich und schrecklich öde sein. Hudson Mohawke aber hat sich bei allem Kunstobjektseinwollen den Schmutz und die Großkotzigkeit bewahrt.
Vortäuschung die funktioniert
Lantern ist nicht mit Pomp aufgeblasen. Das alles klingt kaputt, dünn, wie von außen durch die Garagenwand aufgenommen. Oft bestehen die Tracks aus nicht mehr als einem einzigen verpitchten Vocal-Loop und zwei an einem faulen Nachmittag hingeschmissenen Beats. Ein Stück widmet sich fast ausschließlich einer westafrikanischen Trommel, ein anderes ist alberner Hans-Zimmer-Soundtrack-Pathos mit Operetten-Bläsern, Pauken und Glockenspielklingklang. Es scheppert und surrt und töst und süßlich quietschen nach wie vor die Synthesizer. Hudson Mohawke hat eine, ja: ambitionierte Platte aufgenommen, auf der die einzelnen Stücke von Minimalismus leben und immer noch mit jugendlichem Rotz und der Vortäuschung von Punk daherkommen. So kann es funktionieren. Am Anfang und am Ende der Albums spricht eine verschwörerische Stimme zwei Wörter, die die Platte so ideologisch rahmen: Hudson Mohawke.
"Lantern" von Hudson Mohawke erscheint am 12. Juni via Warp.