Spreng dich weg. Fick dein Hirn. Vergiss dich. Dann steh auf, geh raus und mach alles besser. Gut, dass Musik und Rap das noch kann.
Alle paar Jahre tritt ein Rap-Act auf den Plan, der mit sonischen Megatonnen, Lärm und wuchtigen Lyrics das revolutionäre Potenzial von HipHop wieder freispielt. Sie heißen Clipse, Cannibal Ox, Saul Williams, Death Grips, Tyler oder Killer Mike. Letzterer ist mit El-P gemeinsam Run The Jewels. Sie alle stehen nicht in der vordersten Rap-Reihe, sondern befeuern aus der Deckung heraus den Glauben daran, dass Musik ja wirklich etwas bewirken kann.
Wenn das junge Menschen hören, in Ferguson, in Florida, Offenbach oder Traiskirchen, dann kann das ihre Sicht auf die Welt ändern, sie nehmen ihren Kopf hoch, lassen sich weniger gefallen und halten sich an einzelnen Zeilen fest wie an einem Gebet, an einem Mantra. Das tun sie gerade dann, wenn sie mit Schikanen und Vorurteilen zu kämpfen haben, die wohlerzogene Müllers, Meiers und Molterers mit ihrem wohlverdienten Wohlstand nicht kennen. Und man weiß ja nicht erst seit heuer, dass nicht alle Menschen die gleichen Chancen haben, nirgends auf der Welt, auch hier nicht. Dinge wie Erziehung, der Umgang mit Behörden, Polizei, Infrastruktur oder wie viel vererbt werden kann, eigentlich also sehr viel von dem, was einen Staat überhaupt ausmacht, spielen da entscheidend mit. Natürlich kann das für einzelne ganz anders sein, alle Möglichkeiten offen stehen ohne Diskriminierung, aber im Querschnitt sind die Schranken nicht gleich hoch. So nebenbei ist das auch Thema von Michael Hanekes »Caché«, aber egal jetzt. Run The Jewels verfolgen intuitiv diese ziemlich traditionelle Idee, dass Beats und Reime etwas auslösen können.
Aus dem finsteren Herzen
Hier gibt es nun nichts zu deuteln, hier wird die Welt mit Worten niedergerungen. Aber zum Glück sind Killer Mike und El-P keine Songwriter aus den 60ern, sie machen keinen »Arbeitskreis Rap für Deutschland« und heißen auch nicht Curse oder Samy Deluxe, sondern sind entschlossene Rap-Renegaten aus dem finsteren Herzen der USA. Coolness ist ihr Kleingeld, nicht Gott und auch kein Liebespathos. Man muss es wohl dazu sagen, es gibt auch genug Tracks über Schwänze und Kitzler im Mund, über all die Toten, die Lumpen und die Reichen oder über harte Wahrheiten des Lebens.
Ja, sie haben cirka den Wortschatz eines durchschnittlichen Uni-Absolventen, der dieses Album wohl gerade in Soziologie durchnimmt. Mit ihren zwei unterschiedlichen Reimstrukturen formulieren El-P und Killer Mike dabei geradlinig und nicht komplizierter als nötig. Wem das immer noch zu spröde klingt, könnte vor allem durch die hervorragenden, aber sehr klassischen Beats und Samples abgeschreckt sein. Run The Jewels selbst sind ja auch nicht ganz neu im Geschäft, nach knapp 20 Jahren. Ironisch, angenehm kaputt, voller Augenzwinkern oder mit süßen Like-Ködern ist ihr Album auch nicht gespickt. Es fordert, will sich nicht mit Bullenscheiße aufhalten, also hör zu.
Jetzt muss man natürlich nichts darauf geben, wie sich andere ihre bitter-bombige Pille wünschen. Es geht immerhin darum, Träume, Wut und Stories ohne Kompromisse zu formulieren. Die Kunst des Möglichen, das ist das Feld der Politik. Nische werden Run The Jewels sowieso bleiben, daran ändern auch die großen Talkshow-Auftritte nichts. Blogs und Auskenner lieben das Album natürlich entsprechend. Und wenn El-P und Killer Mike auf dem strudelnden »Angel Duster« reimen, wie Religion und Herrscher dazu da sind, Menschen auf Linie zu bringen, sie aber nur ihren eigenen Regeln folgen, dann will man diesem prometheischen Album gar nicht widerstehen.
"Run The Jewels 2" kann man sich hier herunterladen. Das Album ist auch via iTunes erhältlich.