Der Erfolg im volkstümlichen Schlager verlangt Knochenarbeit und Überzeugungstäter. "Schlagerstar" gewährt einen außerordentlichen Blick auf die Selbstinszenierung und das Arbeitsleben von Marc Pircher.
Mitten im Song werden Marc Pircher und seine Band von einem Stromausfall unterbrochen. Nichts könnte dem aufgeheizten Publikum mehr egal sein. Es sitzt schon längst niemand mehr auf seinem Platz, mit großer Begeisterung wird der Rhythmus einfach im Dunkeln weitergeklatscht. Plötzlich steigt Marc von der Bühne direkt auf einen Biertisch und spielt mit der umgeschnallten Ziehharmonika einfach die Show von dort aus zu Ende. Seinen Fans beschert er schon wieder einen unvergesslichen Auftritt. Der 34-jährige Zillertaler ist ein Star der volkstümlichen Schlagerszene. Bier, Schweiß und Tränen sind sein Metier, die harte Unterhaltungsarbeit ist seine Berufung.
Diese Szene bildet das Finale des Dokumentarfilms "Schlagerstar". Die beiden Regisseure Gregor Stadlober und Marco Antoniazzi haben Marc Pircher über ein Jahr lang beobachtet. Im Stil von Direct Cinema stellen sie einen unter Druck stehenden Sänger und seinen Arbeitsplatz zur Diskussion. Sie vermeiden einen spöttischen Blick auf den Entertainer, liefern die Fans oder ihre Musik nicht aus, sondern dokumentieren nüchtern die reaktionär gefärbte Branche und ihre Gesetze. "Wir haben jemanden gefilmt, der aus der Volksmusik kommt, ein guter Musikant ist und je nach Bedarf Unterhaltungsmusik produziert", erklärt Gregor Stadlober. Er und sein Umfeld seien jedenfalls keine Zyniker. Auch wenn sie solche auch am Rande kennengelernt hätten: "Wir wollten den Menschen bei der Arbeit zeigen".
Inszenierer inszenieren
Seit über 20 Jahren steht Marc Pircher auf der Bühne. 2003 gewann er den Grand Prix der Volksmusik, 2009 den Amadeus Award. Goldene Schallplatten sind für den Sänger normal, Platin keine Ausnahme. Im deutschsprachigen Fernsehen ist Marc sowohl als Musiker wie auch als Moderator sehr präsent: Musikantenstadl, Stefan Raabs "Wok-WM", die ORF-Sendungen "Dancing Stars" oder "Das Rennen". Selbst seine Hochzeit ließ er von Vera Russwurm fürs Wohnzimmer aufbereiten. Marc ist ein Souverän der Selbstinszenierung. Das verlangt sein Job und ist Grund für seinen anhaltenden Erfolg. Die CDs verkauft er bei seinen Konzerten nicht selten selbst. "Ich bin noch nie in meiner Karriere über den Hintereingang in eine Halle gegangen", betont Marc im Interview. Berührungsängste sind in dieser Welt fehl am Platz. Besuche bei den zahlreichen regionalen Fanclubs gehören genauso dazu wie bei Konzerten selbst auf den Biertisch zu steigen. All der Kitsch baut auf einem streng kalkulierten Management auf, und das wiederum bedeutet Knochenarbeit für professionelle Urtypen wie Marc Pircher.
Mit Rührung auf den Tisch hauen
Am Inszenierungsprofi vorbei einen Dokumentarfilm zu drehen, wirkt als die größte Herausforderung von "Schlagerstar". Marco Antoniazzi: "Sobald er seine Tochter herzeigt, produziert er damit Rührung – und das weiß er. Das wollte er uns manchmal verkaufen". Je nach Publikum serviert uns Marc emotionale Schablonen, gern auch mal deftiger. "Schlagerstar" montiert diese Austauschbarkeit des Programms beeindruckend zusammen. Währenddessen verschwimmen die Grenzen zwischen populär und populistisch. Für Antoniazzi sind der bemühte Chauvinismus und der Populismus reines Kalkül, "das ist Teil eines Ganzen, einer Gesamtstrategie." Stadlober ergänzt noch: "Das ist ein integraler Bestandteil der Show und auch von ihm. Der verstellt sich nicht oder zieht Register. Wenn er sagt, das ist Österreich und wir müssen auf unsere Heimat schauen, dann ist das authentisch." Wir sehen, wie die unermüdliche Arbeit an der Karriere Marc Pircher in ein Hamsterrad zwingt – Auch wenn er der Romantik wegen darin läuft. Leider war die Kamera nicht dabei, als er den Film selbst zum ersten Mal sah. Da soll er sehr irritiert davon gewesen sein, wie er wirkt. So unromantisch kann Schlager sein.
"Schlagerstar" läuft am 31. Mai in österreichischen Kinos an. Hier geht’s weiter zum Interview mit Schlagerstar Marc Pircher.