Geistern folgen

Ein Grazer tollt sich auf der Spielwiese des coolen Pseudonyms aus: Philipp Szalay ist Farewell Dear Ghost. Sein Debütalbum türmt Steigerungen wie Pflastersteine: Um sie über der großen Stadt in prunkigen Hymnen fallen zu lassen. Licht ein.

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Social Media Wahn im Indie-Land? In den letzten zwei Jahren hat man sich immer wieder gefragt, wie viele Hits mit "Follow" im Titel noch kommen. Da hätten wir klarerweise Lykke Lis "I Follow Rivers" – zum Bedauern der Künstlerin selbst- mittlerweile zur Gehirnwäsche geremixt. Ein Jahr davor wurden die Crystal Fighters mit "Follow" ganz groß und ein Jahr später sollte die französische Melodys Echo Chamber einen wabernden Psychodelic-Chillwave Hit unter dem gleichen Namen produzieren ("I Follow You"). Kann sein, dass es solche Schlagwörter immer geben wird wie etwa die "The" Welle Mitte der 00er Jahre. Ein weiteres: Ghost.

Geistreich

So kreiste vergangenen Jänner eine ominöse Single mit diesem Namen durch die Blogosphäre und zehnte Grey’s Anatomy Staffel. Die Band dahinter – On an On – verblasste vollkommen hinter den Konturen der Nummer. Es ist schön, wenn sich Pop dermaßen mystisch zur Hintertür hereinschleicht und nicht mit der nächsten PR-Aktion ins Haus fällt. Wenn uns Google nicht weiterhelfen kann und wir einfach nur unvoreingenommen diese Lieder hören müssen.

Farewell Dear Ghost ist ein weiterer Namensvetter und hat seiner musikalischen Enthüllung einen ebenso ambitionierten Song vorausgeschickt. "Cool Blood" steigt auf im mächtigen Flüstern, holt weit aus in kitschigen Chören und explodiert ad hoc im zermalmenden Gitarrengewitter. Ein bisschen wie Francis International Airport früher und Imagine Dragons heute. Weil man das Gesicht hinter Farewell Dear Ghost selten sieht, der Youtube-Banner täuschend echt an James Blake erinnert und irgendwie auch weil anständiges Englisch gesungen wird, hätte man das Projekt spontan in New York, Hamburg oder so geortet. Egal, Philipp Szalay Grazer ist Grazer.

Über der großen Stadt

2010 veröffentlicht er unter seinem richtigen Namen seine erste EP – fischt dabei zwischen Dylan-Folk ("Oh my girl you look so fine") und schmucken Singer/-Songwriter. Darauf folgt "Demons II" – eine verblasste Orgelnummer mit richtig starken Vocals. Damit lässt der 24-Jährige neue musikalische Akzente zu. Er behält die Nummer als einzige im Repertoire um unter neuem Namen aus dem alten Phantom eine Marke zu machen.

Sein Debüt "We Colour the Night" türmt Steigerungen wie Pflastersteine übereinander um irgendwann – ganz oben – den ganzen Ballast auf einmal fallen zu lassen. "Words" klingt so. Philipp Szalay täuscht in Richtung Chillwave oder Ambient an, um in nächster Sekunde mit großen Refrains zu überraschen. Songs wie "Fire" oder "Wake Up" kann man sich wie 30 Seconds To Mars ohne Jared Leto vorstellen.

Farewell Dear Ghost hat ein erstes Bild skiziiert: Er malt in Detailarbeit vor allem aber in bunten Farben, vielen "Ohs" und großflächig mit beiden Händen. Die meisten seiner Hooks klingen jedenfalls so, als würden irgendwo plötzlich Millionen von Lichtern angehen. Das muss nicht gleich in Manhattan sein, vom Uhrturm aus sieht das bestimmt auch in Graz imposant aus.

Am 5. Dezember präsentiert Farewell Dear Ghost seine Debüt "We Colour the Night" Im B72. Das Album erscheint Mitte November. Am 20. Dezember spielt das Newcomer-Bandprojekt eine Show mit Bilderbuch im Posthof.

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