Wie kann ein Foto eines toten SS-Mannes im Wasser so ästhetisch sein? Weil die Fotografin Lee Miller heißt.
Ein toter SS-Wachmann treibt im Kanal, Dachau, 1945 (© Lee Miller Archives England 2015)
Brandschutzmasken, London, 1941 (© Lee Miller Archives England 2015)
Lee Miller in Hitlers Badewanne, München, 1945 (© Lee Miller Archives England 2015)
Eine nackte Frau in einer Badewanne, ein Portrait von Hitler daneben, davor stehen dreckige US-Militärstiefel. Es ist wohl die berühmteste Abbildung von Lee Miller. Gemacht wurde es von ihrem Kollegen und "Life"-Fotografen David Scherman im Jahr 1945 in der Münchner Wohnung des Diktators. Zuvor hatte Miller das Grauen im Konzentrationslager Dachau und Buchenwald gesehen und dokumentiert. Mit dem Foto rächte sich die Künstlerin symbolisch an Hitler. Es stellt sozusagen eine Machtumkehr dar. Der Führer muss zusehen, wie sich sein Feind in seiner Wanne den Dreck vom Körper wäscht.
Das Bild ist jetzt im Rahmen einer Werkschau in der Wiener Albertina ausgestellt, die gestern am Donnerstag eröffnet wurde. Das Museum hat Lee Miller in der neuen Gallery for Photography Ausstellung gewidmet. Von surrealistischen Bildern über Mode-, Reise- und Porträt- bis hin zur Kriegsreportagefotografie reicht Millers Schaffen, das erstmals in seiner Breite in Österreich gezeigt wird.
Furchtlose Kriegsreporterin
Lee Miller, geboren 1907 in den Staaten, hatte es faustig hinter den Ohren. Zunächst versuchte sie sich als Journalistin und Model, war Meisterin der Selbstinszenierung. Doch schlussendlich landete sie selbst hinter der Linse und wurde erst eine ausgezeichnete Modefotografin und Künstlerin. Dann entwickelte sich Miller von der surrealistischen Fotografin in Paris, wo sie bei Man Ray lernte, mit dem sie auch eine Beziehung führte, zur furchtlosen Kriegsberichterstatterin. Als eine der wenigen Korrespondentinnen zog sie in den Zweiten Weltkrieg. Lange Zeit wurde ihr Talent verkannt, doch jetzt gilt sie als eine der bedeutendsten und vielfältigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts.
Depressionen und Alkoholsucht
Millers Foto sind aufrüttelnd, schockierend und doch wohl komponiert und ja, ästhetisch. So wie etwa der in einem Kanal treibende tote SS-Mann im Konzentrationslager Dachau. Ihre letzten Bilder zeigen das zerbombte Wien. Das Kriegsgeschehen ließ Miller bis zu ihrem Tod nicht mehr los. Sie litt an Depressionen und war der Alkoholsucht verfallen. Psychisch unter den Auswirkungen des Krieges leidend, hörte sie nach ihrer Rückkehr auf zu fotografieren. Doch ihre Arbeiten blieben wegweisend für spätere Kriegsreportagen. Sie starb im Alter von 70 Jahren in England.
Die Ausstellung im Albertina Museum zu Lee Miller geht bis 16. August. Eine Kuratorenführung wird am 17. Juni, eine Buchpräsentation am 24. Juni statt finden.