Der Erfolg im volkstümlichen Schlager verlangt Knochenarbeit und Überzeugungstäter. "Schlagerstar" gewährt einen außerordentlichen Blick auf die Selbstinszenierung und das Arbeitsleben von Marc Pircher.
Du bist seit sehr erfolgreich, genießt große Popularität und bist besonders im ORF immer wieder sehr präsent („Dancing Stars“, „Das Rennen“). Die Aufmerksamkeit ist da. Von wem wünschst du dir denn mehr Anerkennung?
Einfach von den normalen Leuten. Es ist so: es gibt in jeder Branche schwarze Schafe, auch in unserer. Und diese schwarzen Schafe, die im Fernsehen auftreten und irgendwelche Texte singen – „Ich geh mit durch die Sonne“ oder was weiß ich was. Wo man sich denkt, der darf sich nicht wundern, dass alle über ihn lachen. Und ich hab mich da immer schon als Kämpfer gesehen, dass man in unsere Branche ein bisschen mehr Niveau bringt. Und dass den Leuten klar wird, auch diese Art von Musik hat ihre Berechtigung, weil wir ganz ganz viele Leute damit glücklich machen. Da muss man die schwarzen Schafe ein bisschen reduzieren und die Leute mit Niveau ein bisschen verstärken. Wer uns da zum Beispiel ganz gut tut, ist Andreas Gabalier. Das ist endlich einer, der sein eigenes Ding macht. Der tut mir nicht weh und keinem anderen, der kopiert niemanden. Dieser Mann hat Niveau und kommt bei den jungen normalen Leuten an. Und das ist endlich ein Lichtblick unserer Branche.
Wenn du auf deine Karriere zurückblickst und auch an deinen Anspruch auf Niveau denkst: Hast du dich als Künstler selbst verwirklichen können?
Absolut! Ich bin reifer geworden, meine Texte sind reifer geworden. Ich kann immer noch davon leben. Es geht mir nicht mehr darum, auf die Schnelle Geld zu verdienen, sondern mir geht es darum, eine Botschaft zu vermitteln. Wenn auch nicht an hunderttausende Leute, aber das sieht man an den CD-Verkäufen: meine letzten CDs haben sich immer gleich gut verkauft, es sind immer zwischen 25.000 und 30.000. Und es ist ganz interessant, ich erreiche immer die gleichen Leute und es werden hoffentlich noch ein paar mehr. Diese Leute würden sich nicht fünf verschiedene CDs von mir kaufen, wenn sie mit dieser Botschaft nicht glücklich wären.
Was macht einen guten volkstümlichen Schlager aus?
Er muss auf jeden Fall einen guten Rhythmus haben, er muss einen sehr guten Melodiebogen haben, der ins Ohr geht und trotzdem muss nicht jeder Schlager Niveau haben. Es gibt natürlich auch Après-Ski-Lieder, wo es nur ums Mitgrölen geht, das habe ich genauso. Aber man darf nicht nur mitgrölen. Man muss auch Lieder machen, die Aussagen haben. Zum Beispiel „Sieben Sünden“. Das habe nicht ich geschrieben, das Lied stammt von Uwe Busse, es ist aber mein größter Hit. Dieses Lied hat sensationelle Aussagen. Wenn man von Bryan Adams einen seiner Hits ins Deutsche übersetzen würde, dann wäre der Text genauso schmalzig wie unsere Schlagerlieder. Aber sie haben trotzdem eine gute Aussage und das ist wichtig.
Du sagst, dass du dich absolut selbst verwirklichen kannst und du forderst mehr Niveau ein. Gleichzeitig beklagst du im Film, wie du dich in Bierzelten den Rahmenbedingungen anpassen und etwa das »Prosit« mehrmals spielen musst.
Ich spiele ja nicht nur in Zelten und man muss sich in Zelten anders verhalten als in der Wiener Stadthalle. Das ist einmal der erste Punkt. Und wenn ich in einer Schlagergala spiele, wo Andrea Berg dabei ist, brauche ich nicht das »Prosit« spielen. Aber in einem Bierzeltprogramm ist es unbedingt notwendig. Zum Beispiel im letzten Jahr hatte ich ungefähr 80 Bierzelte und die haben durchschnittlich 2.000 Besucher. Das sind 160.000 Leute. Das darf man einfach nicht unterschätzen. Es darf nicht nur Bierzelt sein. Deswegen hab ich auch verschiedene Arten von Liedern. Ich habe Lieder, die passen ins Bierzelt, in eine Schlagergala und in einen Après-Ski-Bereich. Das sind eigentlich drei verschiedene Arten von Liedern.
Es stört dich nicht, dass du dich so anpassen musst, entgegen deinen eigenen Ansprüchen?
Du, das kann ab und zu sein. Aber ich versuch mir halt immer im Klaren zu sein, spielen muss ich so, dass es den Leuten gefällt. Selbst verwirklichen ist schon gut, aber es gibt so viele in unserer Branche, die haben sich selbst verwirklicht und waren weg vom Fenster. Wenn du sagst, ich mache nur mehr das was ich will, wird das nur in den seltensten Fällen gut gehen. Weil unterm Strich muss es nur dem Publikum gefallen und du selber sollst halt auch noch mit dem was du machst einigermaßen glücklich sein. Das wäre halt die Idealvorstellung. Volksmusik ist Musik fürs Volk und man muss genau fürs Volk spielen. Schau, der Rainhard Fendrich wird bei seinen Konzerten niemals um »Bergwerk« herumkommen. Der wird das noch in 20 Jahren singen. Denn das wollen die Leute.
Der Film zeigt auch, dass du mit deinen Fans oft in sehr engem Kontakt bist.
Das ist eben Volksmusik. Ich bin noch nie in meiner Karriere über den Hintereingang in eine Halle gegangen. Ich gehe immer durch die Leute durch, weil das einfach normal ist. Da hab ich überhaupt keine Berührungsängste. Die sagen dir auch ehrlich, was ihnen gefällt und was nicht.
Gibt es, im Nachhinein betrachtet, Szenen im Film, in denen du dich lieber anders verhalten hättest?
Ich habe eine Äußerung gemacht, die Volksmusik komme gleich nach der Mafia und nach der Prostitution. Das ist natürlich ein bisschen provokant. Um einen Film anzuteasern ist das eine super Schlagzeile, weil das neugierig macht, aber ich hätte mir so eine Aussage sparen können. Ich habe es gesagt und dazu stehe ich. Das war in einer Situation, in der ich genervt und verärgert war. Ja, unsere Branche ist ein Haifischbecken, aber zur Mafia in Italien ist es doch noch ein anderer Weg. Ich hab mir auch nach jeder CD in den letzten fünf Jahren geschworen, das ist die letzte. Auch das kommt im Film vor. Und was habe ich gemacht? Ich habe gerade wieder eine fertiggemacht. Es ist im Prinzip Fluch und Segen zugleich. Du liebst diese Branche und gewisse Sachen sind trotzdem zum Kotzen.
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