Bilderbuch promovierten sich gestern nach objektiven Kriterien in eine neue Liveband-Riege. Das Publikum stimmte dagegen in mancher Dissonanz ab.
Es ist kein Konzert, es ist ein Festival. Wie es Bilderbuch 2017 mit ihren »eigenen Festwochen« schafften, die Arena drei Mal hintereinander auszuverkaufen, füllen sie zwei Jahre später den Vorplatz des Schloss Schönbrunn mit – nach eigenen Aussagen Maurice Ernsts – 16 Tausend BesucherInnen. Damit ergibt eine Schönbrunn-Story nahezu doppelt so viele Karten wie die drei Arena-Konzerte zusammengezählt. You do the Math! Es ist also nicht verwunderlich, und doch überrascht es, welcher festliche Rahmen hier aufgezogen wird. Es gibt Pommes, Langos, Krapfen. Die Becher mit dem europahaltigsten Pressefoto der Band tun ihr Übriges für die Gewissheit, dass hier erst mal alles sitzt.
Mit einer halben Stunde Verspätung starten Bilderbuch in eine Show, die ihren Titel als beste Liveband Österreichs nicht nur verteidigt. Bilderbuch trauen sich viel für eine vor Monaten ausverkaufte, vom Label »historisch« genannte Performance. Klar werden glücklicherweise auch die Gassenhauer ausgepackt – »Schick Schock« durfte sich allein schon wegen der Maurice-Antoinette-Zeile seines Platzes in der Setlist vor Habsburger-Kulisse sicher sein. Doch die meiste Zeit spielen Bilderbuch neuere Songs, nehmen sich Platz für extra-langes Sich-Anspielen von Gitarren und Bass. So sehr das Drumherum auf ihre Marke ausgelegt ist, so sehr spielen Bilderbuch ihre Show hauptsächlich für sie selbst. Sie sind nicht in erster Linie hier, um alle zufrieden zu stellen. Und so eine musiknahe Haltung trauen sich an einem derart lange erwarteten Abend die wenigsten.
Zugegeben war das Publikum auch relativ schwer zu erreichen. Schon im zweiten Drittel weg von der Bühne ergibt sich kaum eine Stimmung, die auf ein gemeinsames Musikerleben hindeutet. Das kann entweder an zu leisem Sound in den hinteren Reihen liegen oder an einem Publikum, das trotz relativ teuren Tickets eigentlich wenig dedicated ist. In diesem Fall: beides.
Was auf der Bühne passierte, war hingegen die Doktorarbeit von lebenden Live-Legenden. Musikalisch und performativ summa cum laude. Heimlicher Star des Abends: Lukas König, bzw. Koenig, bzw. ein Fünftel von 5KHD. Dass endlich wieder die Original-Stimme den Zwischenteil bei »Softdrink« rappt, erzeugt so manches nostalgisches Gefühl. Außerdem schenkt er uns ein wirklich irres Rhythmusgruppen-Solo im Duett mit dem Stamm-Schlagzeuger Philipp Scheibl. Beide übrigens mit lustigen Hüten.
Obwohl also natürlich das Motto des Abends proeuropäisch, politisch und Weltfrieden war, hatte vor allem die Band selbst einen Moment mit sich, Schönbrunn und der Welt. Wer sich ein Golden-Circle-Ticket geleistet und die ersten Reihen bevölkert hat, konnte diesen Moment auch mit sich, Bilderbuch, Schönbrunn und der Welt teilen. In den hinteren Reihen hingegen plauderten die BesucherInnen teilweise fast lauter als »Checkpoint (Nie Game Over)« sein konnte und verlangten stetig nach einem Vengaboys-Cover. Zur Hymne »Europa 22« stand ganz groß »One Earth« auf das Schloss Schönbrunn projiziert. Eine Welt – aber für jede und jeden ein anderes Konzert.
Bilderbuch gastieren heute wieder am Vorplatz des Schloss Schönbrunn. Last-Minute-Tickets sind noch verfügbar. Hier alle Infos dazu.