Corona Guilt – Die psychische Belastung von Corona-Positiven und wie die Behörden damit umgehen

Ein positiver Corona-Test ist die wohl am meisten gefürchtete Nachricht 2020. Anzunehmen ist, dass man nach einer solchen Nachricht einem bestimmten Protokoll folgen muss, bis man wieder gesund ist. Doch dieses Protokoll stellt sich als behördliches Chaos heraus, das das psychische Wohlbefinden der positiv Getesteten aufs Spiel setzt. Am Ende ist jede/r von ihnen auf sich alleine gestellt. Ein Erfahrungsbericht.

© Theresa Ziegler

Nachdem ich erfahren hatte, dass eine Person, mit der ich flüchtig und outdoor Kontakt hatte, ein bestätigter Corona-Fall ist, bin ich sofort zu einem privaten Testlabor gefahren. Ein Stäbchen wurde in diverse Gesichtsöffnungen gerammt und am nächsten Tag wusste ich: Mein Test ist positiv. Meine darauffolgende Panikattacke durfte nicht lange dauern, da ich nun einige Anrufe zu tätigen hatte. Ich meldete mich bei der Österreichischen Gesundheitsnummer 1450, woraufhin zwei unterschiedliche MitarbeiterInnen kurz hintereinander zurückriefen und mir nahezu die gleichen Fragen stellten. Nach einem Wirrwarr aus sich teils widersprechenden Informationen seitens 1450 und Gesundheitsamt (Werde ich nochmal getestet? Spreche ich noch mit einer Amtsärztin/einem Amtsarzt?) bekomme ich per Mail einen sogenannten Absonderungsbescheid. Inhalt: Meine Quarantäne endet nach zehn Tagen.

In dieser Zeit machen mir Schuldgefühle und Unsicherheit schwer zu schaffen. Ich recherchiere oft stundenlang, an wen ich das Virus weitergetragen haben könnte. Auch nach Ablauf der behördlich verordneten Quarantäne bleibe ich unsicher. Bin ich nun wirklich nicht mehr ansteckend? Am ersten Tag nach Ende meiner Quarantäne kontaktiere ich erneut 1450. Eine zweite Probe wird verordnet, ein Fahrradbote bringt mir einen Gurgeltest. Ich gurgle, was das Zeug hält. Die darauffolgenden fünf Tage versuche ich mehrere Stunden am Tag, die Gesundheitshotline der Stadt Wien zu erreichen, um meinem Befund abfragen zu können – bis dato ohne Erfolg. Niemand ist für mein Anliegen zuständig, sofern ich überhaupt zu jemandem durchgestellt werde. Nach Gesprächen mit dem Gesundheitsamt und dem zuständigen Labor verdichtet sich der Verdacht, dass meine Gurgelprobe nie ausgewertet wurde.

Bei der Befund-Hotline des Gesundheitdienstes wird jeweils nach einer Stunde in der Warteschleife aufgelegt.

Meine Corona-Geschichte ist bei Weitem keine besonders groteske oder schlimme. Was körperliche Symptome angeht, bin ich sogar sehr glimpflich davon gekommen. Es geht mir darum, dass wir darüber reden sollten, welche Ambivalenz im Umgang mit Covid-Infektionen von uns verlangt wird. Die Behörden machen klar, dass Corona-Positive erst mal abgesondert werden müssen. Nach einer Frist, die immer kürzer wird und mittlerweile nur mehr zehn Tage beträgt, sollen sie aber so tun, als wäre nichts gewesen?

Bei Anruf Ambivalenz

Seit Beginn der Corona-Krise wird an den »gesunden Menschenverstand« appelliert. Dieser Appell macht Sinn, wenn es etwa um Abstandsregelungen und das Tragen von Mund-Nasen-Schutz geht – nicht aber in Bezug auf die »Resozialisierung« von Corona-Infizierten. Das Coronavirus ist omnipräsent und alle, die sich anstecken, werden sofort als potenzielle Superspreader gehandelt. Wer positiv ist, habe halt nicht richtig aufgepasst. Dass das nicht stimmt, können alle unterschreiben, die sich outdoor oder mit ausreichend Abstand zu anderen anstecken. Nicht jeder Corona-Positive ist mit voller Absicht und Zunge voran auf eine Menschenmenge zugerannt.

Mixed Messages fördern psychische Sekundärsymptome

Nach Ablauf der zehntägigen Quarantäne gibt es keinerlei Regelungen, in welchem Ausmaß Corona-PatientInnen wieder an der physischen Öffentlichkeit teilnehmen sollen. Beim Gesundheitsamt bekomme ich die Ansage, dass es sehr wohl ein Risiko sei, dass sich alle positiv Getesteten nach zehn Tagen wieder frei bewegen dürfen, da nicht gänzlich geklärt ist, ob sie noch ansteckend sind. Ein Statement, das mir als Person, die auf die Gesundheit anderer Rücksicht nimmt, genau gar nichts bringt.

Das Coronavirus birgt natürlich in erster Linie körperliche Gefahren, das steht außer Frage. Auch dass die Corona-Krise generell von vielen als starke psychische Belastung empfunden wird, ist nichts Neues. Aber: Die Unsicherheit im Bezug auf die eigene Ansteckungsgefahr und die wirre Mixed-Message-Kommunikation der heillos überforderten Behörden fördern das Ausbrechen psychischer Sekundärsymptome sicher zusätzlich. Wer Corona berechtigterweise als Staatsfeind Nummer eins kommuniziert, darf diejenigen, die vom Virus betroffen sind, nicht damit alleine lassen.

Theresa Ziegler ist Chefredakteurin von The Gap und wurde im September positiv auf Corona getestet.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...