Alejandro González Iñárritu legt mit seinem fünften Langfilm ein technisches wie inhaltliches Meisterwerk vor. Der Oscar-Favorit lässt zeitweise aber auch den Schädel brummen.
Von Festival zu Festival gereicht, löste »Birdman« bereits im vergangenen Herbst orkanartige Jubelstürme aus. Der Kritikerzunft blieb und bleibt im Grunde gar nichts anderes übrig, als Alejandro González Iñárritus (»Amores Perros«, »Babel«) neues Werk mit Lob zu überschütten. Allein die Tatsache, dass der Film (scheinbar) in einer einzigen, fast zweistündigen Einstellung geschossen wurde, rechtfertigt schon eine baffe Ehrfurchtsbezeugung. »Birdman« besticht aber auch durch ein groß aufspielendes Ensemble und fesselnde Charaktere, die gemeinsam den charmanten, wenn auch leicht muffigen Mikrokosmos des Broadway-Theaters beleben, das Iñárritu minutiös auf der Leinwand nachbildet.
Der Schauspieler Riggan Thomsen (Michael Keaton) wurde als Kino-Superheld Birdman berühmt. Um das Stigma seiner Paraderolle abzulegen, hat sich der ehemalige Hollywood-Star mit Herz und Seele einem ambitionierten Projekt verschrieben: Er arbeitet als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller an der Broadway-Inszenierung einer Raymond-Carver-Kurzgeschichte. Dabei muss sich Riggan nicht nur mit seiner entfremdeten Tochter (Emma Stone) und einem genialen, aber unkontrollierbaren Theaterschauspieler (Edward Norton), sondern auch mit seiner inneren Stimme herumschlagen. Die spricht als Birdman zu ihm und verurteilt sein angestrebtes neues Leben abseits des Massenentertainments.
»Birdman« handelt von Identitätssuche und -bestätigung, von Selbstverwirklichung, Popularität und der Macht der sozialen Medien; er handelt von der Kluft zwischen Filmbiz und Theaterwelt, von der Kluft zwischen Theaterwelt und realem Leben, von einer verkorksten Vater-Tocher-Beziehung, et cetera, et cetera. Hinzu kommen zahlreiche Meta-Ebenen (dass der als Batman bekannt gewordene Keaton einen ehemaligen Superhelden-Darsteller verkörpert und das Carver-Theaterstück den »Birdman«-Plot widerspiegelt, sind noch die offensichtlicheren). Diese Vielfalt ist zweifellos beeindruckend, schnürt dem grandiosen Ensemble aber manchmal die Luft ab und sorgt mit Sicherheit dafür, dass manchem Zuschauer am Ende des Trips der Schädel brummt.
"Birdman" von Alejandro González Iñárritu startet am 30. Jänner in österreichischen Kinos.