Es ist wieder Blue-Bird-Zeit! Klaus Totzler, Präsident der Vienna Songwriting Association und somit für das Programm des Festivals verantwortlich, über eine groß gewordene Nische, ein Publikum, das mehr will als Mitgrölhits und Easy Listening, und einen Tim-Buckley-Altar, an dem er sich gemeinsam mit zehn weiteren Nerds sehen würde.
Hat sich eure Herangehensweise, was ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Line-up betrifft, im Verlauf der Zeit geändert? Und wie bewusst bucht ihr etwa auch Acts aus Österreich?
Tatsache ist, dass ich Artists aus exotischeren Länder meist eher und früher buche, als welche aus dem angloamerikanischen Raum. Frauen früher und eher als Männer. Aber Quotendruck sehe ich keinen. Andrerseits: Popkultur ist halt vor allem ein angloamerikanisches Ding. Und oft auch ein Macho-/Männerding. Da gibt es halt auch ziemlich viel Gutes dabei. Österreicher zu buchen, ist mir immer ein Anliegen, aber oft schwerer als internationale Acts. Die guten Musiker spielen halt »daheim« oft. Und wir wollen wiederum mit Geheimtipps überraschen.
2019 wird das Blue Bird seine 15. Ausgabe feiern. Gibt es für dieses kleine Jubiläum schon spezielle Pläne?
Es gib keine Pläne für das »kleine Juibläum« im kommenden Jahr. Vage Wünsche viele. Aber die Umsetzung setzen wir uns für das 20. Jubiläum zum Ziel.
Von deinem Brotberuf als Musikjournalist beim ORF bist du vor einiger Zeit in den Ruhestand gewechselt. Heißt das, du hast nun noch mehr Zeit, dich mit Musik zu beschäftigen, oder widmest du dich aktuell anderen Leidenschaften?
Ich habe jetzt ein bisschen mehr Zeit für die Musik. Wir haben ja auch andere Schienen als das Blue Bird. Ich gehe immer noch sehr viel auf Konzerte. Ich kaufe seltene Schallplatten. Und ich fotografiere wieder mehr. Eher abstrakte Strukturen bzw. Landschaften. Im Vorjahr hatte ich nach 30 Jahren wieder eine etwas größere Ausstellung, die eigentlich viel beachtet wurde. Für 2019 plane ich die nächste.
Wenn du zurückblickst auf die bisherigen Ausgaben des Blue Bird: Was waren für dich die außergewöhnlichsten Momente in der Geschichte des Festivals?
Es gab so viele spannende, berührende Momente beim Blue Bird. Aber das ist auch nötig – wenn man für etwas brennt und nichts zurückbekommt, kann man verbrennen. Ich habe viel zurückbekommen. Privates Vertrauen von Genies wie Howe Gelb, Gespräche mit Patrick Wolf über Symbolik, Spoken-Word-Poetry auf höchstem Niveau von den Buriers, Edwyn Collins, der nach einem Schlaganfall privat kaum sprechen konnte und auf der Bühne des Porgy zu Tränen rührte. Freundschaften mit unterbewerteten Künstlern wie James Harries, Paul Wallfisch und Richard McGraw. Amanda Palmer, die mich auf die Bühne holte, um mit andern Musikern und mir »Walk On The Wild Side« für den eben verstorbenen Lou Reed zu intonieren. Flotation Toy Warning, eine der besten Bands der letzten Jahre, sind zweimal beim Blue Bird aufgetreten. Vashti Bunyan, die mit 72 Jahren noch zu verzaubern weiß und mir das schönste Lächeln der Welt geschenkt hat.
Und welche Künstlerinnen und Künstler stehen auf der Liste jener Acts, die du unbedingt noch zum Blue Bird holen möchtest? Bzw.: Gibt es vielleicht sogar einen Act, dem du – nach Nick Drake 2004 – gerne ein Tribute widmen würdest?
Ich würde gerne ein Tribute für Tim Buckley machen, aber dann sitze ich wohl mit bloß zehn weiteren Nerds vor dem Altar. Auf unserer Wunschliste sind noch Devendra Banhart, Joanna Newsom, Cat Power, Neutral Milk Hotel und viele andere.
Das Blue Bird Festival 2018 findet von 22. bis 24. November im Porgy & Bess in Wien statt. Nähere Informationen finden sich auf der Website der Vienna Songwriting Association.