Bürgerlichkeit = Kindesmissbrauch

Es braucht mehr Dada, Neu-Punk und weniger Langeweile in den oberen Positionen der Kultur, aber vor allem keine Porsche mehr!, sinniert Bastian Wilplinger, Regisseur von "DER-MERZ-WELT-NEU-BAU".

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Das ultra-hybride „Welttheater“ der Theatergruppe Miasma/ The Eel House spielt Waschmaschine mit der bürgerlichen Kulturgeschichte Europas. Heraus kommt dabei: die Moderne, Dada, Wahnsinn und Kritik, nahe der Raserei. Was wir brauchen ist weniger „hirnloses“ Geldvermehren und wenigstens einen flüchtigen Moment der Selbsterkenntnis, meint Regisseur Bastian Wilplinger.

„Schwarzmeerwaschmaschine“ bildet den zweiten Teil der historisch-utopischen Trilogie DER-MERZ-WELT-NEU-BAU. Das imperialistische Kriegstreiben des 19. und 20. Jahrhunderts wird von der 18-jährigen Hauptfigur Marie Müller und ihren Mitstreitern, den "Bilderlosen" der Mediengesellschaft, durch den "Dreck" gezogen. Marie ist psychotische Weltherrscherin der Medien und will Rache…

Was ist eine Schwarzmeerwaschmaschine?

Schwarzmeerwaschmaschine ist die Bewegung von Moinesti in Rumänien aus über Konstanza nach Sewastopol. Die Waschmaschine deshalb, weil Marie Müller mit den Ablagerungen der „alten“ Welt, also den Resten, die geblieben sind von der europäischen Gesellschaft des 19 . und 20. Jahrhunderts und den Hässlichen und Armen, den Unbebilderten und den Ausgestoßenen noch mal den Weg der europäischen Armeen im Krimkrieg nachgehen: sie spielen diesen Krieg und die großen imperialen Gesten nach und das ist dann so etwas wie eine Waschmaschine. Den Dreck einmal durchs schwarze Meer gezogen. Und was dann daraus kommt ist Dada. Das Anti-Bürgertum. Die Moderne.

Wie funktioniert die Trilogie "Der-Merz-Welt-Neu-Bau", eher wie ein Triptychon, ein zusammenhängendes Gesamtwerk, eine Collage oder eine lose Themensammlung wie bei Haneke, Kieslowski oder Seidl?

Im ersten Teil erlebt die Hauptfigur einen starken psychotischen Schub. In dieser irren Welt wird sie dann die Weltherrscherin. Eine Art Weltherrrscherin der Welt der Medien: jedes Bild und jeder Ton ist ein Bild und Ton von ihr. Im zweiten betritt sie dann unsere reale Welt, überträgt also ihre Psychose in unsere Welt, was ja in einer psychotischen Gesellschaft nicht sonderlich schwer fällt. Da will sie dann zum finalen Racheschlag ausholen und kommt ganz am Schluss sogar zu so etwas wie einer Heilung. Damit ist die Geschichte zu Ende. Der dritte Teil zeigt die Rahmenhandlung: die Welt um diese psychotischen Momente von Marie Müller, also die Zeit davor und danach, bzw. wird sich sehr mit der Idee des Zeigens selbst beschäftigen. Eine nicht-chronologische Trilogie also. Außerdem entwickelt sich in der Erarbeitung des Stoffes auch die Möglichkeiten der technischen Umsetzung. Es gibt schon Ideen, aber das kann noch sehr überraschend werden. So soll das sein.

Euer „Welttheater“ ist psychisch ziemlich harter Stoff, oder?

Grundsätzlich sagen wir in dieser Arbeit, dass die alte Welt schon untergegangen ist und man das nicht gleich merkt und dass hier überall Reste herumliegen und aus diesen Resten sollte man jetzt neue Konstrukte zusammenkleben.

Dazu kommen Probleme der Menschen heute, die sehr schön an die Problematik der Ich-Störung erinnern: Gedankeneingebung ist eine Ich-Störung bei psychischen Erkrankungen, bei der eigene Gedanken als von außen eingegeben, manipuliert und kontrolliert erlebt werden und sich die jeweilige Person von sich selbst entfremdet fühlt, oder einer fehlenden Fähigkeit das eigene Ich als von der Umwelt abgegrenzt wahrzunehmen. Das sind Menschen, die sagen, dass in ihren Wänden Maschinen eingebaut sind, die ihnen in der Nacht Gedanken einpflanzen. Ganz fern ist es das ja nicht. Wenn mir Google sagt, was ich suche und Facebook, wen ich mag und alle zusammen mir sagen, was ich will.

Was uns Spaß macht: dass sich da eine Gruppe zusammen gefunden hat, in der wir aus allen Bereichen der Kunst kommen und ein wenig riskieren wollen. Das was ich kann, macht ja keinen Spaß.

Weiter auf Seite 2: Wilplinger über den Miasma-Effekt und Kindesmissbrauch als Urgrund der Bürgerlichkeit …

Bild(er) © Miasma donaufestival
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