„Bussis gibt’s für Freunde“

Das langweiligste Gesicht Österreichs? – „Werner Faymann.“ Ingo Pertramer, Star- und SPÖ-Stammfotograf, erklärt, dass er kein Roter ist und warum er Meuchelfotos archiviert. Über den Reiz des Rock ’n’ Roll und sein bewusstes Fernbleiben von der Modefotografie.

Sein allererstes Cover fotografierte er für The Gap: Für die Aprilausgabe 2003 setzte der gebürtige Salzburger die Nürnberger Popcore-Band The Robocop Kraus vor einem wuchtigen Wiener Flakturm in Szene. Auch sonst ist Ingo Pertramers Schaffen untrennbar mit einigen Kapiteln der The Gap-Geschichte verbunden. Er trieb sich auf dem Festivalgelände in Wiesen herum, interviewte und fotografierte die zeltenden Konzertbesucher – und startete so die bis 2009 erfolgreich fortgesetzte und beliebte, von wechselnden Fotografen produzierte Band-T-Shirt-Serie in The Gap.

Heute wird Ingo Pertramer vom Polit-Establishment ebenso gebucht wie von Künstlern, Kabarettisten, Nachrichtenmagazinen. Er gilt als der neben Lukas Beck bedeutendste in Österreich aktive Porträtfotograf. In The Gap erscheinen seine charaktervollen Aufnahmen immer noch: Meist in Form von Pressefotos, die er für Agenturen, Künstler, Bands gemacht hat. Manchmal auch als eigene Auftragsarbeiten.

Besondere Sehenswürdigkeiten aus Ingo Pertramers Werk erscheinen nun erstmals in Buchform und unter dem unmissverständlichen Titel „Arbeit“. Mit dabei: sein allererstes Cover für The Gap. Thomas Weber, damals Chefredakteur, heute Herausgeber des Magazins, stellte Ingo Pertramer einige Email-Fragen, der in seinen Antworten so manche Fehlinformation korrigiert.

 

Du bist der offizielle Fotograf von Bundespräsident Heinz Fischer, warst auch immer wieder in Wahlkämpfen mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl unterwegs. Auch manche Künstler hast du immer wieder porträtiert. Von wem gibt es denn die meisten Meuchelfotos?

Falsch! Bin ich nicht und war ich nie. Der offizielle Fotograf von Heinz Fischer heißt Dragan Tatic und ist von der Heeresbildstelle. Ich habe nur den ersten und zweiten Wahlkampf für Heinz Fischer begleitet und produziere für ihn und seine Frau immer wieder die offiziellen PR-Bilder oder Aufnahmen für Buchcovers. Ich bin auch bei drei Staatsbesuchen im Ausland mitgereist, aber das ist für ein Projekt, an dem ich gerade mit David Schalko arbeite.

Häupl stimmt auch nicht ganz. Ich habe ihn 2005 bei 5 Terminen begleitet, um Imagebilder für einen Folder anzufertigen. Dafür stimmt das mit den Künstlern. Meuchelfotos gibt es natürlich! Ich glaube von jedem. Aber eher von den Politikern.

Und was passiert mit diesen Aufnahmen?

Streng bewacht lagern sie im Archiv. Vielleicht kommt ja mal in 20 Jahren ein Buch raus mit dem Titel „Ingo Pertramer: Meuchel“.

Bist du eigentlich eingetragenes Parteimitglied der SPÖ?

Nein. Sicher nicht.

In der Vergangenheit hast du immer wieder auch Aufträge für Format übernommen und innenpolitische Storys fotografiert. Macht es für dich als Roter einen Unterschied, einen schwarzen oder grünen Politiker zu fotografieren? Wie geht man professionell mit seinen Überzeugungen um?

Für Format hab ich sehr lange fotografiert. Das war meine erste Fixkohle, die ich zum Überleben brauchte. Ich bin nicht rot und zweitens muss immer differenziert werden, wer der Auftraggeber ist. Wenn man eine Story für ein Magazin fotografiert, ist es „fast“ egal wer oben ist. Wenn der Auftrag z.B. von den Blauen kommen würde, gibt’s keine Möglichkeit, einen Pertramer zu bekommen.

Was meinst du: Reagieren ÖVPler anders, wenn sie wissen, dass ein Ingo Pertramer kommt?

Ich glaube, dass es denen scheißegal ist, wer der Fotograf ist, der sie für eine Zeitung oder ein Magazin ablichtet. Hauptsache, sie kommen in den Medien vor.

Hast du jemals Jörg Haider fotografiert?

Nein.

Würdest du HC Strache porträtieren, etwa für ein News-Cover?

Für News nicht, aber z. B. fürs Datum sofort.

Und wenn du wüsstest, dass News ihm Teufelshörner an die Schläfen montieren möchte?

Auch nicht.

Karikaturisten schätzen an ihren Objekten markante Gesichter. Britische Zeichner plagen sich derzeit mit den glatten Bubi-Gesichtern der neuen Regierungsriege unter David Cameron und Nick Clegg. Wie gehst du mit faden Gesichtern um?

In dem Umfeld, wo ich arbeite sind die Gesichter zu 98% gezeichnet. Darum habe ich auch immer die Finger von der Modeszene gelassen.

Wer hat denn das langweiligste Gesicht Österreichs?

Werner Faymann.

Gleich noch ein Superlativ: Wen zu fotografieren war es am unangenehmsten?

Mich selber.

Du bist spezialisiert auf Porträtaufnahmen. Hast du eigentlich jemals Reportagen fotografiert?

Viele, es ist ja auch jeder Wahlkampf vom Fischer eine Reportage. Oder Reisereportagen, Sportreportagen … alles …

In the beginning there was pop: Du warst eine Zeit lang der Tourfotograf von Robbie Williams, hast Konzertaufnahmen für eine Placebo-Live-DVD fotografiert, die Sportfreunde Stiller und, und, und. Deiner Familie zuliebe hast du dich irgendwann aber gegen das unstete Leben im Pop-Business entschieden – und gewissermaßen für das Biotop Wien. Hast du diese Entscheidung schon mal bereut?

Auch falsch. Ich war nie der offizielle Tourfotograf von RW, habe zwei Shootings mit ihm gehabt – eines in Wien und eines in Berlin. Hört sich aber beides besser an als es war.

Die Entscheidung, mit meiner Familie nach Berlin oder London zu ziehen ist nie zur Diskussion gestanden. Zum Glück gibt es die Erfindung des Flugzeuges. Somit ist man auch mit dem Hauptwohnsitz Wien sehr gut für Aufträge im Ausland gebucht. Und einmal im Jahr packt mich die Lust, um das klassische Rock-’n’-Roll-Leben zu leben. Dann ruf ich irgendeine befreundete Musikgruppe aus Deutschland an, steige für 4 Tage in den Bus, fahre auf vier Festivals mit und mache daneben ein paar Fotos. Das reicht dann auch wieder für ein Jahr.

In Österreich gibt es mittlerweile wahrscheinlich nur mehr wenige, die man nicht in deinem Archiv finden kann. Du giltst als Szene-Fotograf. Stört es dich, wenn dich Kollegen als „Bussi-Bussi-Ingo“ bezeichen?

Wer mich wie nennt, ist mir vollkommen egal. Bussis gibt’s für Freunde.

Wird es nicht manchmal langweilig, zweimal die Woche mit denselben Menschen Bier zu trinken?

Nein, warum auch. Ich trinke gerne mit meinen Freunden.

Kommen eigentlich noch oft internationale Anfragen?

Ja sicher, immer wieder.

Viele junge Fotografen machen am Anfang ihrer Laufbahn Band-Fotos. Sie sammeln Erfahrung, Kontakte und Referenzen. Bei dir war das nicht anders. Dennoch ist die Konkurrenz heute viel größer, allein durch den digitalen Dammbruch. Hast du eine Empfehlung für junge Fotografen?

Durchhalten und einen eigen Stil finden und nicht eine Bildsprache zu kopieren zu versuchen.

David Schalko hat vor einiger Zeit im Magazin Datum in einer Art Laudatio auf dein Schaffen verraten, dass du als Fan gerne einmal Prince ablichten würdest. Wie würdest du ihn denn in Szene setzen?

Ungeschminkt im Bademantel in seiner Küche.

Viele Fotografen haben eine Liste von Menschen, die sie unbedingt noch vor die Kamera bekommen möchten. Gibt es so etwas auch bei dir?

Nein. Aber hätte ich die Frage vor 5 Jahren gestellt bekommen, hätte ich 20 Din-A4-Zetteln vollschreiben können. Nach 10 Jahren Selbständigkeit kommt irgendwann mal der Punkt, wo man sehr zufrieden ist. Aber Leonard Cohen würd’ ich trotzdem gerne mal ablichten.

Zum Abschluss, weil es nur mehr eine Frage der Zeit ist: Wann wird es einen Wikipedia-Eintrag zu Ingo Pertramer geben?

Hab ich noch nicht darüber nachgedacht. Ist mir aber wurscht.

Ingo Pertramers „Arbeit“ ist im Wiener Metro Verlag erschienen. Ebenfalls erhältlich: „Drücken Sie einmal einem solchen eine Bohrmaschine in die Hand“, eine foto-literarische Wien-Würdigung, entstanden in Koproduktion mit Franz Adrian Wenzl, erschienen im Czernin Verlag.

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