Gerade weil wir uns täglich fast nur mit Kultur beschäftigen, kann es uns nicht egal sein, was sich gerade in Japan abspielt. Es ist eine unerträgliche Katastrophe. Und selbst wenn wir wenig mehr machen können als uns deshalb in die Welt zu kotzen, gehört das gemacht.
Man kann sich natürlich fragen, warum wir gerade jetzt ein Ereignis abseits unsrer beschaulichen Kulturwiese thematisieren. Warum nicht schon, als die China im letzten Jahrzehnt von mehreren schweren Erdbeben erschüttert wurde, oder als auf dem bitterarmen Haiti mehr als 300.00 Menschenleben von einem weit schwächeren Erdbeben ausgelöscht wurden. Oder als Pakistan letztes Jahr unter Wasser war. Auf solche Fragen können wir nichts Sinnvolles antworten.
Unsre Überzeugung ist es, dass ein solches Ereignis mehr als nur seine tödlichen Schockwellen in die Welt ausschickt. Es prägt Kultur, den gesamten Stellenwert von Nuklearenergie, den Umgang mit Nachhaltigkeit, es ruft die Unkontrollierbarkeit von Technik in Erinnerung, es weist den Menschen in sein Schranken. Ein Ereignis dieser Größe kann – wie im Fall eines Erdbebens von Lissabon 1755 – sogar noch viel grundsätzlichere Fragen aufwerfen, wie damals etwa die Rechtfertigung Gottes im Angesicht des Übels in der Welt fraglich machen und damit die Thesen der Aufklärung in die Gesellschaft hinein treiben. Es verrückt den Grundkonsens darüber wie das richtige Leben aussehen soll. Diese Folgen können wir hier nur ahnen. Wohin diese Katastrophe noch führt, wie viele Kernschmelzen es braucht um Risken einer Technologie größer als deren Chancen scheinen zu lassen, lässt sich jetzt nicht abschätzen. Aber ein Ereignis dieser Wucht und Dimension wird an den Gedanken und damit an Kultur nicht vorbei gehen.
Die Erfahrung der Atombombe hat Godzilla (und eine lange Reihe japanischer Mutationsfantasien) erschaffen. Dieses Erdbeben wird ebenfalls tiefe Spuren in unsren Imaginationsräumen hinterlassen. Doch das ist gerade sehr egal. In Japan sind tausende Menschen gestorben. Menschen flüchten aus Tokio. Reaktoren explodieren. Die Bilder davon brennen sich gerade ins kollektive Gedächtnis ein wie die einstürzenden Twin Towers vor fast zehn Jahren. Die Katastrophe wächst stündlich ins Unermessliche. Wir trauern.
Was das genau mit uns macht, wissen wir nicht. In der Zwischenzeit spenden wir. Und gehen ein bisschen weinen.