Der Trend zum legalen (und illegalen) Eigenanbau diverser Hanfsorten zeigt in Österreich seit Jahren stabil nach oben, mit Beginn der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns haben sich die Umsätze der Growshops nochmals deutlich gesteigert. Ein Paradigmenwechsel in der heiklen Cannabis-Frage muss und könnte sich abzeichnen.
Nach vielen Jahrzehnten der durchaus als völlig missglückt zu bezeichnenden Drogenpolitik weltweit und auch in Österreich hat Cannabis in der Öffentlichkeit einen besonders unverhältnismäßigen Imageschaden davongetragen. Die »Haschler«, wie man es vor allem aus dem Mund der Boomer-Generation immer noch oft hört, wären schmuddelig, arbeitsscheu und ihr Weg zur Bahnhofstoilette – mit einer Nadel im Arm – vorgezeichnet. Auch die Faktenlage rund um die geringe gesundheitliche Gefahr und die im Gegenteil sogar oft therapeutische Wirkung von Hanfsorten mit dem berauschenden Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) perlt seit den 1960er-Jahren konsequent an jeder Regierung ab wie Regen an den gezackten Blättern der Pflanze. Gut gemeinte, aber eben nicht gute Gummiparagrafen wie beispielsweise in den Niederlanden, Portugal oder Tschechien ermöglichen zwar den straffreien Konsum von Weed, Hasch, Öl, Harz oder Tinkturen – legal wie ein Glas Wein ist es aber immer noch nicht. Innerhalb der EU ergibt sich somit ein Flickwerk an unterschiedlichen Regelungen, die erst recht wieder nur das vorgezeichnete Bild vom Rand der Gesellschaft und/oder Drogentourismus bestätigen.
Dass es aber auch ganz anders geht, machen ausgerechnet die sonst so verbissen im »War on Drugs« engagierten USA vor. Seit 2014 sind im Bundesstaat Colorado der Anbau, Besitz, Handel und Konsum von THC-haltigen Substanzen völlig legal und die dafür verabschiedeten Gesetze klar formuliert. Schon nach kürzester Zeit übertrafen dort die Entwicklungen die kühnsten Erwartungen, und das im positiven Sinn: Steuereinnahmen in Rekordhöhe, zusätzliche Arbeitsplätze, weniger Kriminalität. Schon bald zogen andere Bundesstaaten, die teilweise ohnehin schon recht softe Gesetze im Hinblick auf medizinische Verwendung hatten, nach. Allen voran Kalifornien, das heute allein mit dem Milliardenumsatz der Cannabis-Industrie schon die Bruttoinlandsprodukte ganzer Nationen übertrifft.
Der alte Kontinent zögert
Ganz anders die Situation in Europa. Kein einziges (noch mal: kein einziges!) Land am alten Kontinent konnte sich bisher durchringen, eine Lösung wie in mittlerweile 14 US-Bundesstaaten oder wie bundesweit in Kanada oder Uruguay durchzusetzen, wo man dem High aus der uralten Kulturpflanze nicht nur legal, sondern dank regulierter Abgabe auch gesundheitlich weitestgehend unbedenklich frönt. Entkriminalisierung, medizinische Verwendung, Duldung – das ist das Beste, was wir innerhalb und außerhalb der EU, vom Nordkap bis zum Mittelmeer zu bieten haben. Und Österreich reiht sich hier nach wie vor hinten ein, deutlich nach unseren bundesdeutschen Nachbarn, wo zumindest ausgesuchten Patient*innen der Joint auf Rezept gegönnt wird. Scheint also, als müssten gesetzestreue Bürger*innen der Alpenrepublik weiterhin ausschließlich auf Bier, Wein, Schnaps & Co setzen, um nach einem harten Arbeitstag zu entspannen oder um der Corona-Depression entgegenzuwirken. Ob das gesünder ist, steht auf einem anderen Papier.
Witzigerweise scheint aber genau von der so vielseitig nutzbaren Hanfplanze selbst die Lösung zu kommen, wie man die nachweislich überwiegenden Vorteile einer grundsätzlichen Legalisierung von Cannabis in die Betonköpfe der zuständigen Gremien bekommt: Cannabidiol (CBD), ein weiterer Wirkstoff bestimmter Hanfsorten. Dieser hat im Gegensatz zu THC keinerlei berauschende Effekte, wirkt dafür aber schmerzlösend und angstlindernd und steigert generell das Wohlbefinden von Mensch und Tier.
Wiewohl schon seit den 1940er-Jahren bekannt, ist die therapeutische Wirkung von CBD erst in den letzten Jahren im Mainstream angekommen und hat sich sehr schnell zu einem boomenden Markt entwickelt. Wobei sich aufgrund der nach wie vor schwammigen gesetzlichen Definition als Nahrungsergänzungsmittel ähnlich gewinnorientierte Mechanismen etablieren, wie wir sie schon aus der Parade-Voodoodisziplin Homöopathie kennen. Freilich, die Wirksamkeit von CBD ist – im Gegensatz zu den Zuckerkügelchen – in hochdosierter Darreichungsform beispielsweise bei der Behandlung von Epilepsie schon klinisch dokumentiert. Hier reden wir aber von rund 400 mg reinem CBD pro Tag, während die im Handel gängigen Tropfen mit 5 % bis 10 % Wirkstoff angeboten werden. Das wären im besten Fall 5 mg pro Tropfen – für eine nachweislich wirksame Behandlung müsste man also nach derzeitigem Wissensstand schon ganz schön viele Tropfen einnehmen, von Vaporisation oder Rauchen ganz zu schweigen. Es bleibt also, nüchtern betrachtet, die Wahl zwischen Placeboeffekt oder deutlicher finanzieller Belastung.
CBD als Tor zum Mainstream
Da CBD auf der einen Seite völlig legal, auf der anderen Seite aber in fertiger Darreichungsform als Blüten, Öl oder Tropfen im Laden bzw. aus dem Automaten ähnlich teuer wie sein illegaler Cousin THC auf dem Schwarzmarkt ist, steigerte sich in den letzten Jahren auch das Interesse an der Eigenaufzucht, wie mir bei einem Besuch im Growshop Krumme Gurken im Speckgürtel vor Wien bestätigt wurde.
Hier in Deutsch-Wagram, wo die konservative Thujenhecke noch fröhliche Urständ’ feiert und auch sonst alles eher bürgerlich geprägt ist, freut man sich seit Jahren über den Absatz von mehreren Tausend vorgezogenen Pflanzen, die von Kunden zur weiteren Aufzucht und letztlich Ernte erworben werden. Dazu zählen aber neben diversen CBD-haltigen Sorten auch die offiziell als »Zierpflanzen« bezeichneten Varianten, die ab der Blüte den Wirkstoff THC ausbilden. Ein Umstand, der einer besonderen Gesetzeslage geschuldet ist, wonach nur Pflanzen oder Pflanzenteile nicht erlaubt sind, die THC enthalten. Vom Samen bis kurz vor der Blüte sind also auch Kräuter mit klingenden Namen wie Critical Orange Punch oder Amnesia Haze so harmlos und legal wie ein Alpenveilchen – und ab dem Verkauf haftet der Kunde selbst für die Pflanze. Oder der Handel entsorgt sie noch rechtzeitig vor der Blüte im Biomüll. Klingt komisch, ist aber so.
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