Cinema Next präsentiert fünf ausgewählte junge österreichische Filme für kurze Zeit exklusiv on demand. Einer davon: »Sunday 11 a.m.«. Regisseur Joshua Jádi beobachtet darin Flüchtlinge, die vom Islam zu einer amerikanischen Freikirche konvertieren – mitten im Industrieviertel Wiens.
Cinema Next präsentiert »Sunday 11 a.m.« (2017, 15 Min.) bis 12. Januar 2020 exklusiv online beim KINO VOD CLUB!
Cinema Next: In deinen eigenen Worten – worum geht es in »Sunday 11 a.m.«?
Joshua Jádi: »Sunday 11 a.m.«begleitet zwei Afghanen, die nach ihrer Flucht aus dem Iran in Wien vom Islam zu einer amerikanischen Freikirche konvertiert sind. Wir besuchen mit ihnen einen Gottesdienst über einem Autokaufhaus mitten in einem Industrieviertel von Wien. Es geht um die Motivationen der beiden für ihre Entscheidung. Gleichzeitig porträtieren wir die multiethnische Gemeinde und den Ablauf des Gottesdienstes, der sehr intensiv war. Die Menschen sind zum Teil in völlige Ekstase geraten. Ich habe so etwas noch nie vorher gesehen.
Afghanische Flüchtlinge, die vom Islam zu einer apostolischen Kirche konvertieren: Wie bist du auf diese Kirche gestoßen?
Ehrlich gesagt war das ein verrückter Zufall. Ich bin sonntags durch die Straßen spaziert und habe plötzlich die Klänge von Gospel-Liedern gehört. Mir kam das ein bisschen komisch vor. An einem solchen Ort umgeben von Industriegebäuden. Erwartet man nicht unbedingt. Ich hab mich also auf die Suche gemacht und kurze Zeit später stand ich in einem großen Raum über einem Autokaufhaus. Der Raum war voll mit Menschen aus den verschiedensten Ländern der Erde und vor mir wurde gerade ein Mohammed getauft.
Warum und wie konntest du in dieser Kirche überhaupt filmen?
Viele, viele, viele Gespräche. Also wirklich viele. Im Grunde ist es ja so, dass du erstmal vermitteln musst, worum es dir geht. Mir ging es darum, so unvoreingenommen wie möglich das, was dort vor sich geht, zu präsentieren und dabei meine Protagonisten zu Wort kommen zu lassen. Dafür muss man dir aber auch erstmal glauben, weil der Raum dort ein geschützter Raum ist, in dem Menschen weinen, schreien, sich also in intimsten Situationen offenbaren. Gleichzeitig hat eine Kirche, die muslimische Flüchtlinge konvertiert, eine gesellschaftliche Relevanz und sollte dementsprechend eine gewisse Transparenz zulassen können. Ich möchte mich daher nochmal besonders bei Pastor Charles Robinette und seiner Gemeinde bedanken, dass sie uns diesen Einblick ermöglicht haben.
Menschen, die beten, weinen,… Habt ihr euch als Filmteam in diesem intimen Setting nicht wie Eindringlinge gefühlt?
Ich bin zwei Monate lang jeden Sonntag zum Gottesdienst gegangen, habe den Menschen zugehört und versucht mich einzufühlen. Mein Kamera- und Tonteam ist ebenfalls mehrfach zu Gottesdiensten mitgekommen. Die Kernpositionen waren daher mit Leuten besetzt, die wussten, was sie erwartet und die auch das Vertrauen der Gemeinde hatten. Mit Nabi und Dawood, unseren Protagonisten, habe ich auch viele Gespräche geführt. Gleichzeitig – das muss man auch sagen – ist niemand von uns Teil dieser Kirche. Wir haben uns wie Besucher gefühlt, die dort eine Erfahrung gemacht haben, die sie so nachhaltig berührt hat, dass sie sie mit der Welt teilen mussten.
Welches ist deine Lieblingsszene in »Sunday 11 a.m.« und warum?
Es gibt einen Moment, in dem der Pastor fragt, ob jemand getauft werden möchte. Ein Mann zeigt auf, dann noch einer. Der Pastor hakt nochmal nach und es meldet sich ein junger Mann. Er zieht seine Hand wieder kurz zurück und kratzt sich am Kopf, dann wird er aber doch von einem Messdiener abgeholt und zur Taufe vorbereitet. Dieser Moment hat mich sehr berührt. Einerseits, weil in diesem kurzen Zögern u.a. steckt, dass da ein Mensch kurz vor dem Übergang von einer Religion in die andere steht. Wohin taucht er da ein? Andererseits hat er in mir die Fragen aufgeworfen, was hat dieser Mann nach seiner Ankunft in Österreich erlebt, dass er in dieser Situation gelandet ist? Was erwartet ihn jetzt? Ich denke solche oder ähnliche Fragen sollten wir uns alle manchmal stellen, bevor wir uns ein Urteil über das Fremde bilden.
Für die, die jetzt immer noch überzeugt werden wollen: Gib in einem Satz eine Empfehlung für deinen Film ab.
Ich glaube, dass die meisten von uns in diesem Film etwas sehen werden, was sie noch nie zuvor gesehen haben.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.