Club als Gesamtkunstwerk

Zum Atonal Festival in Berlin wird ein ehemaliges Heizkraftwerk mit Sound, Licht, Nebel und Installationen zum Gesamtkunstwerk.

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Das Sound-Art Festival Atonal bietet noch bis Sonntag ein anspruchsvolles Line-up im Kontext Club, Elektronik und Neue Musik. In diesem Jahr überragen Acts, die mit Schall Körper untersuchen und den Raum physisch spürbar ausloten.

Durch einen der Eingänge des gewaltigen Kraftwerks, in dessen verschlungenen Kellern sich der Techno-Club Tresor befindet, tritt man in eine dystopisch-urbane Welt. Eine Stadt aus Beton, durchzogen von Stahlträgern und -kammern, von verschlungenen Auf- und Abgängen. Manche sind mit schweren Eisentoren verschlossen, andere führen durch dunkle, neblige Gassen, durch Laser-Gitter, an Dia- und Stroboskop-Installationen vorbei. An meterdicken Säulen kriechen rostige Rohre und Kabelei. In der offenen, labyrinthischen Architektur entsteht aus Licht, Schatten und Geräuschen ein düster-psychedelisches Gewimmel. Doch erst auf der zweiten Ebene, die über eine massive Beton-Treppe begehbar ist, erschließt sich die ganze Wucht der Szenerie. Das Kraftwerk gleicht einer Kirche aus Stahl und Beton.

Sound-Art-Messe

Hier wird Sound-Art zur „Messe“. Das Line-up hält einige Legenden bereit. Eingeleitet wurde des Festival vom Chor der Kulturen der Welt mit Gesängen, die an Karlheinz Stockhausens „Gesang der Jünglinge“ erinnerte. Stimmgruppen wanderten im Raum und ließen Musik zu lebenden Geistern werden. Es folgte eine Supergroup der Synthesizer-Musik der ersten Stunde: David Borden & The Mother Mallard Ensemble zauberten Klänge zwischen Impressionismus, Space Rock und Hauntology Pop. Max Loderbauer & Jacek Sienkiewicz, ebenfalls echte Elektronik-Avantgarden, erschufen Soundscapes zu rauschigen Visuals bedrückender Bergszenerien auf einer geschätzt zwölf Meter hohen Leinwand.

Alessandro Cortini & Lawrence English taten sich speziell für das Atonal zusammen und frönten ebenfalls dem Horror-Ambient, der sich in alle Ecken und Winkel des Betonlabyrinthes drückte. Die kraftvollen, doch weichen Drones ließen es zu, sich selbst beim Hören und Spüren zuzuhören.

Ausnahme-Acts am Wochenende sind sicherlich Outside The Dream Syndicate, wenn die Film-Ikone Tony Conrad und Mitglieder der Krautrock Band Faust fusionieren. Mogwais Multi-Instrumentalist Barry Burns tritt mit Kangding Ray von der Elektronik-Glitch-Formation Raster Notons unter dem Namen Sums auf. Zwischen Rauschen und Geräusch erzeugt Peder Mannerfelt pulsierend-rhythmische Sound-Landschaften.

Clubbing bis in den Tag hinein

In weiteren vier Clubs des Kraftwerks, darunter auch dem Tresor-Keller, kann die Überfülle der Eindrücke dann zur Crème de la crème der Club-Sound-Synthese ekstatisch weg getanzt werden und zwar bis in den nächsten Tag hinein, unter anderem mit Polar Inertia oder Moritz von Oswald. Übrigens ist Kurator des Festival Laurens von Oswald, Onkel des letzteren und selbst Musikproduzent. Wer sich also aufs Atonal begibt, darf High-Fi mit Hintergrund erwarten, keine leichte Kost. Bereits von 1982 bis 1989 fand das Atonal Festival statt, im Kreuzberger Club SO36. Schon damals war das Line-up eine Mischung aus gewagt und legendär mit Acts wie Laibach, Psychic TV oder den Einstürzenden Neubauten.

Das Atonal Festival findet vom 19. bis 23. August im Kraftwerk Berlin statt. Tagestickets sind an der Abendkasse verfügbar oder unter www.berlin-atonal.com.

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