„Das Buch ist denen scheißegal“

Das unbekannte Wesen E-Book bedroht Buch und Buchhandel. Denn möglicherweise verdrängt es – früher, später oder auch gar nicht – das Buch. Eine Rundschau in der Szene.

Ganz anders entschied sich Drava, der noch völlig ohne E-Book auskommt. Allerdings nicht aus Prinzip, sondern aus Pragmatismus. „Wir verzichten zunächst auf Entwicklungskosten, die sich ein kleiner Verlag sowieso nicht zumuten kann“, so Verlagsleiter Peter Wieser. Im Moment beobachtet man die digitale Entwicklung. Allerdings: „Auf ewig und immer wird sich auch ein kleiner Verlag nicht dem Heulen mit den Wölfen verweigern können“. Radikal verweigert sich Sonderzahl: „Ich habe keine Lust, die Schaufel, mit der mein Grab ausgehoben wird, zu verkaufen“, meint Verleger Dieter Bandhauer. Niemand in der Branche wollte das E-Book haben, aber „die Elektroindustrie will Lesegeräte verkaufen, die morgen durch neue ersetzt werden müssen. Das Buch ist denen scheißegal“.

Digital ist besser

Völlig ohne gedrucktes Buch hingegen kommt der E-Book- und Hörbuchverlag McPublish aus, der seit 2010 digitale Erstveröffentlichungen herausbringt. Interessant ist, dass sich die Hörbucher besser verkaufen als die rund 20 E-Books und Stefan Tauber, Leiter von McPublish, von einer zunehmenden Bedeutung des E-Books „wenig“ merkt. Denn deren Absatz steigt „eigentlich nicht“. Trotzdem glaubt er an die Durchsetzungskraft des E-Books. Viele der heute unter 30-Jährigen würden E-Book-Leser und das gedruckte Buch eine Liebhaberangelegenheit à la Vinyl-Platte werden.

Für Fachverlage ist die Digitalisierung dagegen dem Vernehmen nach wichtig: Der Verlag Manz mit Schwerpunkt Recht und Steuern bietet schon seit 1986 in der Rechtsdatenbank rdb.at alle seine Zeitschriften und weiteres Material für ein Fachpublikum online an. Im Unterschied dazu wenden sich die aktuell 44 E-Books, alles „gängige Rechtsratgeber“, an ein größeres Publikum. Aber „wiewohl dieses Segment ein gewisses Wachstum zu verzeichnen hat, sind die Erfahrungen bislang doch äußerst zurückhaltend“, so Verlagsleiter Dr. Wolfgang Pichler. Das E-Book hingegen sei für seinen Bereich eher nicht zukunftsträchtig: Mit den Vorteilen einer Datenbank könne es nicht mithalten und professionelle Nutzer würden die gewohnte Technik (PC, Laptop) nicht um einen E-Reader erweitern wollen.

Entspannt zeigt man sich bei Reclam – obwohl der Verlag eine Unmenge Werke im Programm hat, deren Urheberrechtsschutz längst ausgelaufen ist. Wenn zum Beispiel das „Projekt Gutenberg“ aktuell fast 45.000 E-Books gratis anbietet, warum soll sich noch jemand eines kaufen? „Weil wir die Texte in Reclam-Qualität bieten“. Ob das reicht, wohl vor allem Schüler und Studenten dauerhaft zu binden? Aber immerhin: „Es gibt schon seit vielen Jahren urheberrechtsfreie Titel in mancher Form gratis im Netz. Einen Beeinträchtigung der Printverkäufe durch diese Angebote konnten wir bislang nicht feststellen“.

E-Books drängen Buchhandeln aus der Komfortzone

Der Blick durch die Branche zeigt: Viele machen sich kluge Gedanken. Aber alle, die heute eine mögliche Zukunft voraussagen, können morgen eines Besseren belehrt werden. Die digitale Revolution führt Buchhandel und Verlagswesen nach Jahren in einer relativen Komfortzone in eine Situation, mit der beide so gut wie gar nicht umzugehen wissen. Deshalb wird verweigert, zaghaft probiert und schnell geschossen.

Das Schicksal der Musikindustrie, die durch die Digitalisierung massiv finanziell verloren hat, muss sich in der Buchbranche nicht zwingend wiederholen: Musik muss nicht greifbar oder sichtbar sein, um gehört zu werden. Das Buch hingegen braucht zwingend ein Transportmedium. Vielleicht ist das der Vorteil, den die Branche – zumindest verlagsseitig – hat. Vielleicht ist das E-Book auch nur ein Aufflackern, dem eine Rückbesinnung auf das gedruckte Buch folgt – und sei es nur noch in Form aufwendig gemachter, hochwertiger Liebhaberprodukte.

Nur eines scheint fix: Richtig verschwinden wird das Buch – angelehnt an das Rieplsche Gesetz über die Verdrängung der Medien – wohl kaum.

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