In einer Mischung aus Stand-Up und multimedialer Performance und mit viel Berliner Schnauze gestaltet Jürgen Kutter einen unterhaltsamen Abend in der Garage X, der einen wünschen lässt im Zeitgeschichteunterricht besser aufgepasst zu haben.
Die ersten Minuten von Jürgen Kuttners Videoschnipselvortrag "Kuttner erklärt die Welt" sind eine Geduldsprobe. Mit einer teletubbiehaften Unbarmherzigkeit wird in der vollen Garage X der selbe Ausschnitt immer und immer wieder in Endlosschleife wiederholt und immer und immer wieder in Endlosschleife wiederholt. Und dennoch – so erfährt das Publikum nach Minuten des endlosen Wartens – hat der Clip einen Sinn: denn er enthält schon wie in einer Art Foreshadowing den gesamten Abend.
Am Mittwoch Abend war das Integration oder auch "Extegration" (Dinge sind laut Kuttner auch immer in ihrer Umkehr enthalten) – und zwar am Beispiel von nicht-deutschen Schlagersängern in den 60ern und 70ern der DDR und BRD.
Kuttner, der ein bisschen wie Oliver Welter von Naked Lunch aussieht, steht in seinem Habitus ein wenig in der Tradition von nervösen Stand-Up Comedians wie Woody Allen, ist aber definitiv auf der sprachlichen Ebene das Talent (er ist ja auch seit 15 Jahren Moderator beim Berliner Jugendradiosender Fritz).
In Sätzen, die so eigentlich fast nur von Thomas Bernhard stammen können, schildert Kuttner in immer wiederkehrender Gleichförmigkeit den in Kürze zu sehenden Videoauschnitt. Dabei schafft er es auf großartige Weise bis zum Ende seiner Beschreibung – sich selbst unterbrechend – nicht auf den Punkt zu kommen.
Er exerziert seine Beschreibungen – auf kleinste Details bezugnehmend – und zeichnet dadurch genaue Nachbildungen der Szenen in den Köpfen der Zuseherinnen. So baut er mit immer größerer innerer Spannung eine Erwartungshaltung im Publikum auf, die sich im Videoschnipsel mit unerbitterlicher Genauigkeit erfüllt.
Es wird fast ein wenig zu viel gelacht für einen "niveauvollen Abend" und dennoch: wer sich in der Geschichte Deutschlands überhaupt nicht auskennt, wird die meisten Anspielungen wohl gar nicht verstehen.
Gegen Ende hin wird aus dem gelehrten Begleiter durch den Abend zunehmend ein Comedian. In Kuttners Bewegungen kann man den unsäglichen bayrischen Brachial-Komiker Michael Mittermeier wiedererkennen, auf der sprachlichen verliert Kuttner leicht seinen Berliner Anti-Charme. Kuttner meint selbst, dass der letzte Clip des Abends immer derselbe sei, was nur zu dem Schluss führen kann, dass Routine auch manches zunichte machen kann (wobei ich nicht gesagt haben will, dass dieser Clip nicht durch Kuttners Ausführungen ein Feuerwerk an Komik darstellt.)
Ein an sich großartiger Abend, der zum Schluss mit wenigen Makeln, das Bild das man sich von Kuttner gemacht hat ein wenig verwischt. Das ist schade, aber kein Weltuntergang.
Kuttner erklärt die Welt ist wieder am 15. Dezember um 20:00 Uhr in der Garage X zu sehen.