Data-Heroism

Die Wiener Semantic Web Company hat sich ein knappes Jahr lang mit dem ZukunftsWeb auseinandergesetzt und versucht, ein paar aktuelle Entwicklungen zu beschreiben. Währendessen findet von 1. bis 3. September die isemantics Konferenz in Wien statt. Bei Monochrom erscheint ein essayistisches Buch zu Stichworten wie Web Of Data, Open Government Data …

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Die Zukunft lässt sich voraussagen. Zumindest lassen sich gewisse Teilbereiche fundiert weiter denken und einschätzen. Und auch wenn so manche Voraussage das Internet betreffend legendär daneben ging, so lassen sich doch gerade in diesem Bereich schon heute einige Entwicklungen beschreiben, die unseren Alltag (beruflich wie privat) beeinflussen werden. Schwierig ist die Bennennung, denn Schlagworte wie Web 3.0 sind schnell abgegriffen und dienen dann höchstens noch für eine Runde Bullshit-Bingo. Wichtiger sind aber ohnedies die dahinter liegenden Veränderungen. Und die wichtigste Veränderung des nächsten großen Schritts im Web lässt sich heute schon klar beschreiben:

Daten statt Information

Derzeit besteht das Web – Internet (die unzähligen verbundenen Rechner, das eigentliche Netzwerk) und WWW (das http-Protokoll ist eine der Möglichkeiten sich über das Internet tatsächlich auszutauschen) sind nicht das gleiche, aber darauf werden wir hier nicht eingehen – in erster Linie aus Information und Dokumenten. Begriffen die alltagstauglich verwendet und auch im Web so benutzt werden. Nur ist diese Information in ihrer Vielfalt für den Rechner, für die Programme oder auch Suchmaschinen nur bedingt inhaltlich verständlich. Oft gibt es mehrere Begriffe für ein Ding, das gemeint und beschrieben wird – und das nicht nur wegen verschiedener Sprachen, die verwendet werden. Außerdem kann der Rechner all die Dokumente und Files noch nicht unterscheiden, etwa ein Textfile von einem Film- oder Audio-File. Geschweige denn den Inhalt einer Datei /verstehen/. Im künftigen Web Of Data ist genau das grundlegend anders. Viele Dinge werden eindeutig beschrieben sein und die Programme, die auf dieses Netz der Daten zugreifen, werden genau wissen, welcher Signifikat gemeint ist.

Rasterfahndung

Zwei einfache Beispiele: Gibt es auf verschiedenen Websites etwa Information zu einem bestimmten Künstler, so wird dadurch sichergestellt, dass genau diese eine Künstlerfigur gemeint ist und alle Inhalte werden dieser Figur zugeordnet. Oder: Schon heute sind über verschiedene geografische Gegenden zahlreiche Daten vorhanden. Werden diese nun eindeutig und automatisch einer Gegend zugewiesen, so können diese Daten übereinandergelegt werden, um neue Aussagen treffen zu können. Wer über eine potenzielle neue Wohnnachbarschaft die Anzahl der Sonnentage pro Jahr, Kriminalitätsstatistik, Mietpreise und andere Daten übereinanderlegt, wird vielleicht nicht zur emotionalsten Entscheidungsgrundlage kommen, aber doch sicher zu aussagekräftigen Ergebnissen.

Eine der großen, weltweiten Forderungen von Institutionen wie der Semantic Web Company ist daher unter dem Schlagwort »Open Government Data« zusammengefasst. Es geht dabei darum in öffentlichen Verwaltungen vorhandene Daten offen zu legen, so dass sie jeder nützen kann. Die USA oder auch Großbritannien sind in diesen Belangen seit kurzer Zeit schon ein bisschen weiter und aus England wird dann auch immer ein plausibles Beispiel zitiert: Eine Gemeinde dort hat die Daten des Katasteramts öffentlich zugänglich gemacht. Die fehlenden Einnahmen für die davor entgeltliche Preisgabe dieser Information, sollen binnen kurzer Zeit durch höhere Steuereinnahmen dank vermehrten Firmenansiedlungen mehr als wettgemacht worden sein.

Vernetzung als Herausforderung

Ein anderes Beispiel: Wer einen geeigneten Abstellplatz für sein Fahrrad sucht, wird schnell diverse Plätze in der Nähe mit einer Fahrraddiebstahlsstatistik zusammenbringen können. Vorstellbar ist dann allerdings auch, dass das Fahrrad am Abstellplatz /eincheckt/ und sich die Versicherung im Fall eines als unsicher bekannten Platzes weigert, für ein gestohlenes Rad aufzukommen. Nicht nur an diesem Beispiel wird sehr schnell klar, dass ein Web Of Data auch jegliche Fragen über Datenschutz und Privacy potenzieren wird. So manche Aufregung wird sich in diesem Zusammenhang schnell gelegt haben; weder Party-Fotos in vielleicht ungünstiger Pose, noch personalisiertes Marketing werden dann unsere größten Probleme sein. Vielmehr werden wir, wenn mehr Daten von uns online vorhanden sind, die wir zum Großteil freiwillig zur Verfügung stellen – für Foursquare etwa, oder um bestimmte Online-Angebote zu nutzen – eher Zielscheiben handfester und ihrem Ausmaß sicher noch von den wenigsten abschätzbarer Online-Kriminalität. Diebe, die heute auf Facebook lesen, wann wir auf Urlaub sind, sind schon bald Probleme vergangener Tage, denn mit fortschreitender Technologisierung, Digitalisierung und Vernetzung werden auch die Möglichkeiten für unliebsame Begleiterscheinungen rasant an Menge und Komplexität dazugewinnen.

Ein anderer Begriff, der mit diesen Entwicklungen einhergeht und oft fällt, ist der des Semantic Web. Dabei werden wir uns von der Vorstellung verabschieden müssen, dass Menschen in Zukunft mit einem Computer so kommunizieren, wie sie das untereinander gewohnt sind. (Auch deswegen, weil etwa Suchmaschinen heute schon viel mehr verstehen, als manchmal angenommen und sich im Umgang mit einer Maschine, wohl eher die Sprache des Menschen, der der Maschine annähren wird, als umgekehrt.) Das Web of Data als eingezogene Meta-Ebene, die bestimmte Daten – etwa auch unabhängig von Sprache – eindeutig definiert und festlegt, wird trotzdem nicht zuletzt den Umgang mit Suchmaschinen und deren Ergebnisse verändern. Alle großen Suchmaschinen-Unternehmen experimentieren und forschen im Bereich Metadata, Semantic Web und ähnlichen Feldern. Erst Mitte Juni kaufte etwa Google das Unternehmen Metaweb, das eine offene Datenbank mit Daten betreibt.

Für viele User werden diese Veränderungen anfangs nicht augenscheinlich sein. Wie HTML als Sprache oder das HTTP-Protokoll, wird das Web Of Data sich unter der Oberfläche abspielen. Es werden die kommenden Anwendungen sein, die sichtbar machen, was dann alles möglich ist. Weltweit beschäftigen sich Institute und Projektgruppen derzeit nicht nur mit der dahinterliegenden Technik, sondern auch mit Anwendungen, die dadurch möglich gemacht werden. Das »ZukunftsWeb-Buch« liefert hier – wie andere Projekte auch – noch wenig konkrete Antworten, sondern eher essayistische, diskursive Zugänge, die oft interessant sind, manchmal aber nicht viel weiterhelfen. Trotzdem hilft das Buch zu verstehen, wohin sich die Technologie entwickelt. Und so leicht lassen sich die Anwendungen – und welche davon zu globalen Phänomenen werden – dann vielleicht doch nicht vorhersagen.

Begleitend zum Projekt hat das Projekt-Team der Semantic Web Company das »ZukunftsWebBuch« herausgegeben, das Anfang Juli im in der Edition mono bei Monochrom erschien. Die Webinare des Zukunftsweb sind weiterhin auf www.zukunftsweb.at zu finden und können dort weiterhin erweitert werden. Ab Herbst gibt es das Folgeprojekt »Digital Society Award« gemeinsam mit dem Paraflows-Festival.

isemantics findet von 1. bis 3. September in Wien statt.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...