Eine unerwünschte Nebenwirkung des »Nichtraucherschutzes« ist der Verlust der Rauchkultur in vielen Cafés, Clubs und Lokalen. Damit lässt sich allerdings (länger) leben. Blöd bloß, dass es plötzlich überall nach Schweiß stinkt.
Subjektiv im Straßenbild gesehen ist die Zahl der Raucher zuletzt explodiert. Sie tummeln sich vor Lokalen, blockieren die Lieferanteneingänge und demonstrieren vor Bürokomplexen, dass auch in der großen Geschäftswelt ganz schön viel Zeit unproduktiv verpufft.
Objektiv dürfte sich zumindest die Zahl der Zigaretten, die sich Raucher über den Tag verteilt so anstecken, reduziert haben. Aus der einfachen Logik heraus, dass ihnen das mittlerweile fast überall verboten ist und es wohl großteils eher Vertriebene sind und nicht passionierte Freiluftraucher, die plötzlich das Straßenleben prägen. No Smoking-Pflicht herrscht am Arbeitsplatz ebenso wie in vielen Cafés und Lokalen, die nicht groß genug sind, Raucher und Nichtraucher klar separieren zu können. Oder aber, sie sind klein und entschlossen genug, sich explizit als Raucherrefugien zu deklarieren.
Kalter Rauch und klamme Finger
Womit sich, konsequent weitergedacht, auch die Zahl der beiläufig und unbeachtet im Aschenbecher verglühten Tschik verringert haben müsste. Was wiederum – wenn schon nicht quantitativ, dann jedenfalls argumentativ – auf Linie der Tabakkonzerne liegen sollte. Immerhin führen diese ihre aussichtslosen Rückzugsgefechte aus der Öffentlichkeit stets mit dem Ideal des Genießers im Sinn, den eine alles kontrollieren wollende Obrigkeit zu bevormunden trachtet. Da mag was Wahres dran sein, bloß: Es ist zu verkraften, wenn Nichtraucher so verschont bleiben – zumindest, solange für Genussraucher und Suchtkranke genügend Freiraum bleibt, ihre Leidenschaft auszuleben.
In der nun gängigen Wiener Kaffeehauspraxis, sie durch Glasraumteiler in abgetrennte Raucheraquarien abzudrängen, geben die Verbliebenen, die unverbesserlich gegen das System und den verordneten Gesundheitsfetisch anqualmen, ein kümmerliches Bild des Niedergangs und des schnelleren Siechtums ab. Als würden hinter Glas die unaufhaltsam Letzten ihrer Art zur Schau gestellt. Das mag an den Nebelschwaden liegen, die sich in den geschlossenen Raucherräumen sichtbar sammeln, hat aber auch etwas rührig Trotziges. Todgeweihte sind wir schließlich alle; und es ist dann auch fast schon wieder ein wenig verwegen, sich der eigenen Endlichkeit zu stellen.
Doch müssen wir nichts schönreden: Der qualmende Exzess, die lustvolle Rauchkultur, das wird uns erst jetzt bewusst, wo sie vielerorts passé und weitestgehend verbannt ist, die hatte auch für Nichtraucher ihr Gutes. Sie wirkte – aller Hautalterung zum Trotz – kosmetisch. Weil sie das übertünchte, was sich nun langsam, aber sicher offenbart, wo sich der kalte Rauch aus alten Mauern verzieht: Es gibt auch andere Gerüche. Denn wo getanzt wird, da wird auch ordentlich geschwitzt; ja wo gekocht wird, hängt das Bratfett in der Luft.
Und selbst in den eigenen vier Wänden bleibt man wieder nicht verschont. Wo uns früher Tabakqualm aus der Wirtsstube nachhaltig umwölkte, erwachen wir jetzt mit der Gewissheit: Wir haben ein Schnitzel mit nach Hause gebracht!
Thomas Weber, Herausgeber
weber@thegap.at