Dean Blunt, Sound-Erlöser

Das Versteckspiel geht weiter, wenn auch mit offeneren Karten: Der Ex-Hype Williams-Zauberer Dean Blunt veröffentlicht vielleicht, ab und zu und nur kurz aufblitzend neue Musik und performt beim diesjährigen Donaufestival.

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Konzerte von Hype Williams waren eine der körperlichsten Erfahrungen, die man durch Musik machen kann. Ob einstündige Stroboskop-Gewitter, die einem den Gleichgewichtssinn rauben, vollkommene, möglicherweise mechanisch irgendwie verstärkte Dunkelheit, die ähnlich einem Lawinenerlebnis das eigene Raumgefühl auslöscht oder eine Wand aus Bass, ein Sound wie ein Schlag in den Magen, der Schlucken schwierig bis unmöglich und den Klang physisch angreifbar macht: ein Rausch durch Schallwellen, gerne auch körperliches Unwohlsein, schienen bei den Shows des mysteriösen – oder vielleicht: ehemals mysteriösen? – Londoner Produzentenduos vorprogrammiert.

Nebelfeuer

Die Nebelmaschine haben Dean Blunt und Inga Copeland mittlerweile ausgeschaltet und ihren Performance-Helfern die Guantanamo-Kapuzen und Gummimasken abgenommen. Ihr letztes gemeinsames Album, das 2012 auf Hyperdub erschienene, fantastische »Black Is Beautiful«, veröffentlichten sie bereits unter getrennten Namen. Heute gehen die beiden, zumindest vorläufig, zumindest angeblich, getrennte Wege. Nach dem Offenlegen ihrer Identitäten scheint sich der dichte Nebel auch über ihrer Musik zu lichten. Inga Copeland, die sich mittlerweile nur noch copeland nennt und in Wirklichkeit wohl Alina Astrova heißt, kündigt für Ende Mai ihr Solo-Debütalbum an und schickt den wunderbar schüchtern-verspielten Track »Fit« als Vorab-Boten ins Rennen. Auf dem Albumcover zu sehen ist sie selbst im schlichten schwarzen Tanktop.

Auch Blunt, der bereits zu Hype Williams-Zeiten eigene Musik herausbrachte, hat den charakteristischen Sound der Band, diesen ganz und gar einzigartigen Hybrid aus benommen taumelnden Lo-Fi-Drum-Machines, schweren Drones, Restspuren von HipHop und opiatgeschwängertem Singsang, hinter sich gelassen. Sein vielbeachtetes Soloalbum »The Redeemer« aus letztem Frühjahr sowie das sogleich nachgeschossene »Stone Islands«-Mixtape, das ausschließlich über eine russische Website zum Download erhältlich war, besteht aus Abbildern eines Seelenlebens. Es sind Collagen aus dem Soul kleiner Liebeslieder, Field Recordings zwischen Meeresrauschen und Autohupen, einer traurigen Gitarre und Mailbox-Nachrichten einer Trennung. Über allem thront Blunts unverhüllte, unperfekte Stimme. Es scheint, als befände man sich endlich mittendrin statt nur draußen vor dem Spiegel.

Verstecken spielen

Wer allerdings dreimal Wolf schreit, dem glaubt man beim vierten Mal nicht mehr, und wer bereits seinen früheren Bandnamen von einer echten Person, nämlich dem amerikanischen Videoclip-Regisseur Hype Williams stiehlt, wer jahrelang keine Interviews gibt oder bei einer seiner sehr raren Chat-Konferenzen einem Journalisten vom Fact Mag auf die Frage nach der Bedeutung seiner Musik »If I’m talking too fast it just means you’re listening too slow« antwortet, dem mag man den ohnehin nicht einmal selbst behaupteten Wechsel ins Minnefach nicht so einfach abnehmen.

Während man also überlegt, ob man nun etwas für, gegen oder über Dean Blunt in der Hand hat oder vielleicht sogar in sein echtes, blutendes, gebrochenes Herz blickt, schlägt er schon den nächsten Haken und verschwindet tiefer im Kaninchenbau. Blunts letzter musikalischer Streich, das Ende Jänner veröffentlichte, 26-minütige Mixtape »Skin Fade« ist nach wenigen Tagen wieder aus dem Netz verschwunden. Wie es klingt und ob die neuen Tracks etwas – irgendetwas! – mit seiner aktuellen Liveshow zu tun haben, Gewissheit darüber haben wird man erst am 26. April, wenn Dean Blunt der Minoritenkirche in Krems beim Donaufestival neue Erkenntnisse beschert. Gewissheit, hat dieses Wort überhaupt irgendeine Bedeutung?

Dean Blunt spielt live beim Donaufestival, das von 25. April bis 3. Mai in Krems stattfindet.

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