Der Bildband "Menschen in Favoriten" portraitiert in liebevoller Detailarbeit 21 Lebenswerke. Ein einheitliches Gesicht bekommt der Zehnte dadurch trotzdem keines. Das entsteht durch die Summer der einzelnen Teile. 180.000 Teile.
Berta Wenzel- Von der Weberin zur Fotografin
Berta Wenzel ist im Bezirk Favoriten geboren und im Laufe ihrer Berufslaufbahn auch niemals hier weggezogen. Sie wächst in der wirtschaftlich schwierigen Nachkriegszeit heran, erlernt in den Schleierbaracken den Beruf einer Seidenstoffweberin. Anschließend arbeitet sie 20 Jahre in einer Buchhandlung am Quellenplatz, später übernimmt sie die Filialleitung bei der Bäckerei ANKER. Als leidenschaftliche Fotografin hat sie in den letzten Jahren mehrere Ausstellung für das Bezirksmuseum Favoriten gestaltet.
Christiane Jaklitsch-Van Oudheusden-Lobbyistin für die Jugend
Nachdem das Kinderfreibad im Arthaberpark stillgelegt wird, ensteht dort- wie passend- erneut ein Jugendtreff: Ein vom Verein Wiener Jugendzentren betreute Hot-Spot für Jugendliche. Christiane Jaklitsch-Van Oudheusden ist seit 2007 Leiterin dieser bunten Einrichtung, dem Jugendzentrum Arthaberpark. Nachdem sie die Ausbildung zur diplomierten Sozialaberiterin macht, arbeitet sie vier Jahre in der Bewährungshilfe Klagenfurt. Im Jugendzentrum Arthaberbad arbeitet Sie mit sechs weiteren Mitarbeitern rund um die Uhr mit Jugendlichen. Vorrangig wichtig ist ihr, den Jugendlichen eine Stimme in der Gesellschaft zu geben, Jugendliche aus anderen Kulturen zu integrieren und verschiedenste Projekte aufzugreifen. Das Schwimmbad in seine Ursprungsform gibt es übrigens noch: Heute dient es als Ballspielfläche.
Peter Ostendorf-Bäckermeister
2003 erwirbt die Familie von Peter Ostendorfer mehrheitlich die Bäckerei Ankerbrot- mit 600 Mitarbeitern der größte Filialist Österreichs. Er übernimmt die Geschäftsleitung, die er nach wie vor inne hat. Nach 120 Jahre Unternehmenstradition darf das berühmte Ankerbrot nach wie vor nicht im Repertoire fehlen. Ebenso die Anker-Topfengolatschen.
Hans Neubauer- Sozialdirektor
Hans Neubauer hätte Fußballer werden sollen, schlägt späte aber wegen einer Sportverletzung den Weg zum Pädagogen ein und beginnt seine Lehrerlaufbahn in Favoriten. Der Fokus auf Sport bleibt zumindest teilweise: Neubauer macht das Lehramt für Deutsch und Turnen. 2002 wird er mit der Leitung der OMS Absberggasse vertraut. Vor vielen Jahren entwirft er einen Lehrplan für unverbindliche Übungen: Heute steht wöchentlich eine Stunde "Soziales Lernen" am Stundenplan. Das ist vor allem gut für die Integration und Toleranzförderung der Schüler:Denn Kinder aus 25 Nationen besuchen die Schule in der Absberggasse.
Thomas Schwarz- Garteln in Wien
Allein in Favoriten gibt es 84 Parkanlagen. Thomas Schwarz ist der Chef, der hinter diesen Grünflächen steht. Den Gärtnerberuf erlernt er an der Fachhochschule Langenlois, wechselt dann an die Höhere Bundeslehranstalt für Gartenbau Schönbrunn. Mittlerweile hat er neben der Dienstprüfung viele weiter Ausbildungsmodule und Mangamentlehrgänge absolviert. Beruflich beginnt er dann im Kulturpark Oberlaa als Saisontechniker- ein Park der weit über die Grenzen des Bezirks bekannt und beliebt ist. Heute gestaltet er mit 210 weiteren Mitarbeitern die bunten Grünflächen eines urbanen Stadtbildes mit.
Rudi Wieselthaler- Stadtbauer
Kauft man italienische Nudeln, dann kann man sich relativ sicher sein, dass das Urprodukt von Rudi Wieselthaler stammt: Der Favoritner Bauer bewirtschaftet heute 95 Hektar landwirtschaftliche Fläche: Neben Winter,- und Sommergetreide, dass der Familienvater unter anderem nach Italien exportiert, auch Wein und Feldgemüse. Zusätzlich ist er Obmann des Landwirtschaftlichen Casinos und Weinbauernvereins Oberlaa, Bezirksrat und Veranstalter des "Bauernadvents".
Peter Erdle- Ein Leben der Sozialarbeit
Seit er 19 ist arbeitet Peter Erdle bei der Wiener Berufsfeuerwehr. Als strellvertretender Kommandant der Betriebsfeuerwehr im AKH geht er in den Ruhestand. Seine Arbeit ist damit aber noch nicht getan: Er beginnt als freier Mitarbeiter beim Wiener Zivilschutzverband, kommt 1995 zum Samariterbund und ist seit 2003 Veranstaltungs- und Katastrophenschutzreferent im Landesverband.
Sandra Hoehs- Zahntechnikern mit einem Hang zum Süßen
Kontroversieller könnte ihre berufliche Laufbahn nicht sein: Sandra Hoehs macht die Ausbildung zur Zahntechnikerin, arbeitet dann aber in einer Konditorei: Der inzwischen neu rennovierten Kurkonditorei Oberlaa. Heute arbeitet sie zwar nicht mehr dort, hat in den letzten Jahren aber viel zur organisatorischen Struktur der oft frequentierten Patisserie beigetragen: Die 42 Mitarbeiter koordiniert, Lehrlinge ausgebildet und natürlich die vielen Stammgäste bedient. Zum Beispiel mit dem Bürgermeister- ein Plunderstrietzel aus Topfen, Mohn und Nuss.
Was weiß man über Favoriten, den 10. Wiener Gemeindebezirk? Mit 180.000 Einwohnern ist es der größte Bezirk Wiens – die Hauptstadt der Bundeshauptstadt quasi. Dass die Reumanplatzgegend "Kleinistanbul" genannt wird, weiß man vermutlich. Sprüche wie "Auf Urlaub fahr ich in den 10ten" haben im Zuge dessen Fuß gefasst. Den Tichy – sein altes Markenzeichen – liebt man bis über die Landesgrenzen hinaus, die Spiele im Horr-Stadion sind dafür umso mehr gefürchtet: Bei Rapidspielen sind die Straßen bis auf Polizeisperren leer gefegt. Das Freibad nennt man Latschi ("Gehma Latschi, Oida?"). Bei wichtigen Fußball-Spielen der Türkei wird der Bereich von der Favoritenstraße bis zum Südtirolerplatz schon mal in eine Multikultizone verwandelt. Die FPÖ fischt hier ganz besonders erfolgreich im Ressentimentteich: sie erreichte fast 34% bei der Gemeinderatswahl 2010. Die SPÖ hält trotzdem deutlich Abstand mit 49%.
Favoriten mit Gesicht
Einem geografischen Ort ein Gesicht zu geben, geht oft daneben: Zu oft werden Vorurteile und Klischees aufgewärmt, zu oft fehlt das Subjektive und Persönliche der einzelnen Akteure. Das liegt daran, dass in Ballungsräumen (Ja, Wien ist einer) Kulturen, Persönlichkeiten, Ideologien bis zu Macht- und Klassenverhältnisse oft intensiver und auf kleinem Raum aufeinanderprallen. Das hat Peter Fox in seiner Liebeshymne an Berlin "Schwarz zu Blau" schon radikal verdeutlicht.
Die Idee Favoriten über genau diese Persönlichkeiten zu portraitieren und zugleich diesen Persönlichkeiten eine Danksagung auszusprechen, hatte Franz Jerabek. Der Büroleiter der Bezirksvorstheung Wien-Favoriten hat 21 Portraits zu einem Bildband "Menschen in Favoriten" zusammengefasst: Vom Vorstadtbauer über Politiker, Sozialarbeiter, Pfarrer bis zum Bäckermeister. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wir haben in unserer Gallery einige davon ausgewählt.
Franz Jerabek- Büroleiter der Bezirksvorstehung Wien-Favoriten- hat für dieses Buch 21, im Bezirk heimische, Persönlichkeiten interviewt. Fotografiert hat Claudio Farkasch.