Die Musik ist im Umbruch. Das ntry stellt sich mit einem mobilen Konzert-Ticket Service auf die Veränderung ein. Das Projekt erhielt von departure eine Förderzusage.
ntry will sich am dichten Ticketing-Business breit machen. Das wird derzeit eigentlich von ein paar großen Konzernen besetzt. Und deren Geschäft läuft gut, der Event-Sektor war lange der Wachstumstreiber und Hoffnungsanker der Musikindustrie. Vielleicht lief das Geschäft sogar so gut, dass verschiedene Services wie Ö-Ticket oder Wien Ticket es bisher verschlafen haben Apps für den einfachen Ticket-Kauf für unterwegs zu veröffentlichen. Auch Skalar Music hat bisher keine App für Tickets – die Agentur veranstaltet immerhin Festivals wie das FM4 Frequency oder das Nova Rock. Diese Festival-Schwergewichte liegen aber einstweilen ebenso wie Konzerte in der Stadthalle für ntry ohnehin außer Reichweite. Bei ntry soll es die Masse an kleineren Konzerten richten.
Über die Jahre haben die Macher hinter ntry mit Ink Music bereits reichlich Erfahrungen im Event-Bereich gesammelt, die Booker wissen, welche Festivals und Locations verlässliche Partner sind, Bands können immer wieder im Feldversuch sehen, wie das Service läuft. Und man kann damit auch bestimmen, falls Tickets exklusiv über ntry verfügbar sein sollen. Vor allem aber war der Schritt zum mobilen Ticketing-Service fast überfällig. In anderen Ländern gibt es bereits eine Reihe von solchen Apps, in Österreich sind mittlerweile auch genügend Smartphones im Umlauf – gerade bei jungen Musikfans –, damit ein Service wie ntry auch ökonomisch Sinn macht.
Am 9. Mai wird ntry mit einem Konzert von Who Made Who offiziell eingeweiht, Karten werden exklusiv über ntry verschenkt, und zwar über: https://ntry.at/hi
Eine Beschreibung des Services findet sich zusätzlich hier.
Indie-CEO Hannes Tschürtz hat uns Fragen zu nrty beantwortet.
Was ist an ntry neu?
ntry ist ein Ticketingsystem „für jedermann“. Es bietet insbesondere kleinen und mittelgroßen Veranstaltern, aber auch Bands selbst die Möglichkeit, einen professionellen Ticketverkauf zu organisieren und selbst anzubieten. Neu ist insbesondere die Einfachheit der Handhabung: Man benötigt zur Kartenkontrolle lediglich ein Smartphone.
Habt ihr eine Wettbewerbs-, SWOT– und Branchenstruktur-Analyse gemacht? Inwiefern unterscheidet sich ntry von ähnlichen moblien Ticket-Anbietern, die es ja schon reichlich gibt oder von den Ticket-Majors entwickelt werden?
Natürlich haben wir uns intensiv umgesehen und andere System gut kennenlernen können. Die zentralen Schwachpunkte aus der Sicht des Veranstalters sind meistens immens hohe Kosten, vor allem bei der Einrichtung. Sehr oft ist es sehr umständlich und kompliziert. Und die Bezahldienste so zu integrieren, dass es Sinn macht, ist auch nicht einfach. Wir arbeiten etwa mit Paybox zusammen und ermöglichen damit fast jedem Handynutzer in Österreich das Bezahlen per Telefon. Wir haben simpel gesagt erstmal nicht daran gedacht: Wie können wir möglichst viel vom Kuchen haben? Sondern: Wie können wir ein gut nutzbares, simples Tool für Veranstalter und Bands kreieren?
Wie bekommt ihr eure Marge hin? In Wien gibt es ja den kostenlosen Ticketanbieter Jugendinfo, wie könnt ihr da noch mithalten?
Wir versuchen die Kosten im Haus so niedrig wie möglich zu halten, sodass auch die Marge extrem niedrig bleiben kann. Wir verstehen uns aber auch eher als Serviceunternehmen und nicht als Ticketportal. Verkaufen tun die Karten die Veranstalter, wir bieten dazu hauptsächlich die Logistik. Das Teuerste sind dabei die Bezahldienste wie payPal – wir integrieren aber deren Kosten in unserer Marge. Das und die Struktur insgesamt hat zur Folge: je mehr Leute das Service nutzen, desto günstiger werden die Bedingungen für alle. In der Menge macht dann auch eine kleine Marge genug Groscherln, damit die Kosten gedeckt werden können.
Wenn in fünf Jahren kein Förderung von departure mehr fließt, wie genau werdet ihr euer Geld verdienen?
Mit sehr vielen kleinen und mittelgroßen Veranstaltern, Ticketverkäufern und Bands, die Service, Qualität und Einfachheit unseres Systems zu schätzen wissen. Mit departure verdient man ja kein Geld, man bekommt einen Teil seiner Investitionskosten gestützt – eine große und wichtige Hilfe, aber arbeiten müssen wir schon selber.
Habt ihr Groupon-Mechaniken eingeplant, also Gruppenrabatte? Und wie steht es überhaupt um die soziale Komponente? Wird es Verknüpfungen zu Event-Datenbanken geben? Wird man sehen können welcher Freund sich bereits ein Ticket gekauft hat oder vorhat das zu tun?
Es gibt mehrere geplante Ausbaustufen und dabei spielen soziale Netzwerke naturgemäß eine wichtige Rolle. Die Integrationsmöglichkeiten in andere Dienste (Karten verkaufen auf der eigenen Website, auf Facebook…) ist zentral. Wir wollen in erster Linie viele dieser Möglichkeiten und solche zur verbesserten Vermarktung der eigenen Events bieten – wie die von dir genannten. Ob und wie sie der Veranstalter dann einsetzt, ist zuvorderst Entscheidung jedes Nutzers selbst.
Wie habt ihr die Ticket-Scanner-Problematik gelöst? Müssen Flex, Postgarage, Arge Salzburg oder das Röda in Steyr ihre Kassaleute mit Smartphones ausstatten?
Das Smartphone ist ein potentieller Scanner, damit brauchen sich die Veranstalter keine teuren Server oder Terminals anschaffen, sondern haben den Scanner schon längst in der Hand. Ich denke da durchaus auch an den kleinen Kulturverein im Hinterland, der kein fest angestelltes Kassapersonal hat. Da ist plötzlich eine große Schwelle weg. Bei einer Smartphone-Durchdringung von mehr als 50% brauchen wir glaube ich keine Angst davor haben, dass diese Technologie nicht vorhanden ist oder nicht verstanden wird – aber zur Not gibt’s auch Leihgeräte bei uns zu beziehen.
Was passiert, wenn ein Smartphone keinen Akku mehr hat oder das Display fehlerhaft ist? Kommt man nicht rein, obwohl man ein Ticket gekauft hat?
Es gibt ein mehrstufiges Sicherheitssystem das derlei Pannen natürlich berücksichtigt. Hinter jedem digitalen Code steckt ja letztlich auch nur eine Nummer. Die Karten sind mehr oder weniger zurück-„analogisierbar“, wenn du so willst. Reinkommen tun Leute nur dann nicht, wenn sie so clever waren, ihren unikaten Code fünfmal zu kopieren und ihre Freunde damit reinschicken wollen.
Woraus ergeben sich aus ntry Synergien für Wien und die örtlichen Kreativen?
ntry erleichtert den Ticketvertrieb, die Vermarktung und damit potentiell den Erfolg einer Veranstaltung. Damit ergeben sich natürlich große Synergien und Folgewirkungen für Wien.
Worauf wird euer Fokus in den ersten beiden Jahren liegen und wie wird er sich danach verschieben?
Wir arbeiten bereits jetzt in der ersten Phase mit zahlreichen großartigen Festivals in Österreich wie der Poolbar, dem Soundframe oder dem Seewiesenfest zusammen. Damit wollen wir das System im ersten halben Jahr „ins Land“ tragen und bekannter machen, die Leute an die Nutzungsmöglichkeiten heranführen. In weiterer Folge ist die Schwelle über Musikveranstaltungen hinaus zu kommen ganz interessant für uns. Und schon jetzt gibt es in anderen Ländern großes Interesse an ntry, sodass wir relativ bald auch im Ausland aktiv sein können. Es gibt parallel auch bereits konkrete Pläne, die Technologie weiter zu entwickeln – ntry 2012 wird technisch bei der Geschwindigkeit der Entwicklungen mit jenem von 2014 wohl nicht mehr vergleichbar sein. Wir wollen aber auch dann noch einen guten Dienst bieten können und bereiten uns darauf schon jetzt vor.
Was macht die Förderung von departure möglich, was ohne sie nicht möglich gewesen wäre?
Was ich in meiner bisherigen Berufslaufbahn gelernt habe: Geld ist ein ganz schlechter Ratgeber. Machst du etwas primär wegen Geld, geht das nur ganz selten gut aus. Man muss sich aber auch den Luxus leisten können, ungeachtet der finanziellen Komponente die Qualität und Leistungsfähigkeit eines Produktes zum einzigen Arbeitsinhalt zu machen – auch und gerade, wenn das sehr viel Zeit und Geduld erfordert. Departure ist gerade deswegen so wertvoll, weil es diesen Punkt zu Beginn enorm erleichtern kann.
Einreicher: ntry Ticketing OG
Projekt: ntry – smart ticketing
Programm: focus Musik 2011
Programmlinie: departure focus
Schwerpunkt: Musik
Förderquote: 57%
Gesamtfördersumme: EUR 55.600
Die Förderung von departure umfasst die Entwicklung der Applikation und die ersten Vermarktungsschritte.