In letzter Zeit stieg das Interesse internationaler Produktionen am Filmstandort Österreich. Grund dafür sind nicht zuletzt neue Fördermodelle. Wie diese aussehen und was auch die österreichische (Film-)Wirtschaft davon hat, haben wir recherchiert.
Wenn Kate Winslet als Elena Vernham, Diktatorin eines fiktiven osteuropäischen Binnenstaats, in HBOs »The Regime« durch die stattlichen Hallen ihres Herrschaftspalastes schreitet, dann sieht dieser überraschend vertraut aus. Kein Wunder, immerhin handelt es sich bei den ehrwürdigen Gemäuern um nichts anderes als Schloss Schönbrunn.
Hollywood in Österreich – vor nicht allzu langer Zeit war das noch eine absolute Seltenheit. Der Nationalstolz zehrte von filmischen Denkmälern wie Richard Linklaters »Before Sunrise« und »The Sound of Music«. Selbst Tom Cruises »Mission: Impossible«, Chris Hemsworths »Extraction« und die Besuche von James Bond machten Österreich zu keinem internationalen Mekka für die Filmproduktion. Vielmehr wurde die Stadt Wien sogar oft selbst gedoubelt. Ein geübtes Auge konnte Prag oder Budapest in den Straßenschluchten oder U-Bahn-Garnituren erkennen.
Warum also drehen Kate Winslet und Hugh Grant nun im Schloss Schönbrunn? Und woher rührt diese Entwicklung? Hauptgrund dafür ist die Einführung des neuen Filmstandortgesetzes 2023, die umfassendste filmpolitische Maßnahme seit Jahrzehnten. Förderungen gab es zwar schon zuvor, doch sie fokussierten vor allem auf nationale Kino- und Fernsehfilme.
Filmpolitik mit Wirkung
Den Anfang machte Wien Tourismus im März 2022 mit der Präsentation des Fördertopfes Vienna Film Incentive. Dieser richtet sich an internationale fiktionale und non-fiktionale Filmproduktionen für Kino, TV und VOD-Plattformen mit Produktionsstandort Wien. Für eine Produktion müssen dafür in Wien ansässige Produzent*innen als Serviceproduktionsfirma beauftragt und ein Eigenschaftstest durchlaufen werden.
Für ganz Österreich stand ein neues Filmanreizmodell zwar bereits seit 2015 immer wieder in diversen Regierungsprogrammen, doch mit den ständigen Neuwahlen und sonstigen politischen Skandalen in Österreich fand der Vorschlag erst im Dezember 2022 seinen Weg zur Abstimmung. Dabei sprach sich der österreichische Nationalrat für ein Neuaufsetzen des Ende 2022 auslaufenden Förderschiene FISA (kurz für: Filmstandort Austria) als FISAplus aus. Das Programm unterliegt dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und fördert nun neben österreichischen Produktionen auch internationale Filme und Serien. Der Förderantrag muss allerdings auch hier von einer österreichischen Serviceproduktionsfirma eingebracht werden und auch hier ist ein Eigenschaftstest zu absolvieren. Die Anlaufstelle für FISAplus ist die Austrian Business Agency, der die Kommission Film in Austria unterstellt ist.
Auf nationaler Ebene wurde zusätzlich die Standortförderung für österreichische Kinofilme adaptiert, die im Filminstitut unter dem Namen ÖFI+ angesiedelt ist. Für 2024 wurde das Budget aufgrund des großen Zuspruchs von 15,5 Millionen Euro auf 39,9 Millionen Euro erhöht. Nicht ohne dabei auch die gesellschaftspolitische Dimension von Filmproduktionen mitzudenken, wie Markus Deutsch, der Geschäftsführer des Fachverbands Film- und Musikwirtschaft der WKO betont: »Mit dem Grünen Bonus für klimafreundliche Produktion, dem Bonus für Filme mit hohem Frauenanteil in Leitungspositionen und der Öffnung für alle Verwertungsformen wurde Österreich zum Vorreiter in Europa.«
Aufschwung für die Branche
Nicht ganz neu, aber dennoch essenziell dafür, dass diese Projekte realisiert werden, sind die nationalen und die regionalen Filmkommissionen. Die Vienna Film Commission etwa feierte erst im März ihr 15-jähriges Bestehen. Sie agiert als Service- und Anlaufstelle und vermittelt zwischen der Stadtverwaltung, dem Magistrat und der Filmbranche. Die Zahlen, die sie zu ihrem Jubeltag präsentierte, stimmen optimistisch. Insgesamt wurden 2023 in Österreich 827 Filme und Serien gedreht, Anträge für 652 heimische und internationale Filmprojekte ergingen dabei an den Fördertopf Vienna Film Incentive. Das ist ein Anstieg um 4,5 Prozent gegenüber 2022. 104 Projekte kamen aus dem Ausland. FISAplus wiederum vermeldete 69 geförderte Projekte. Hinzu kamen noch Projekte, die durch das Österreichische Filminstitut, das Kulturministerium oder andere, teils regionale Förderinstitutionen unterstützt wurden.
»Das ist definitiv ein Aufschwung für die ganze heimische Branche«, zeigt sich Vienna-Film-Commission-Geschäftsführerin Marijana Stoisits erfreut. Auch René Tritscher, Geschäftsführer der Austrian Business Agency, sieht Grund zum Jubeln: »Bei FISAplus hat sich die Anzahl der geförderten Projekte weit mehr als verdoppelt. Es gibt sehr viele Anfragen aus den USA und dem Vereinigten Königreich. Aber auch viele deutsche (Co-)Produktionen kommen nun zu uns, statt in München zu drehen.«
Auch die Infrastruktur vor Ort habe sich verändert: »Manche Produktionsfirmen«, erklärt Stoisits, »haben sogar eigene Serviceproduktionseinheiten gegründet.« Aber die Auslastung habe auch ihre Nebenwirkungen: »Es gibt ein Nachwuchsproblem«, so Stoisits. »Es werden händeringend Leute gesucht.« Intensiv diskutiert wird das Thema in der heimischen Filmbranche seit gut zwei Jahren, unter anderem auch beim Diagonale Film Meeting 2023. Erste Maßnahmen wie Weiterbildungsprogramme wurden bereits gesetzt.
Touristische Bedeutung
Die internationalen Dreharbeiten sind auch für den Tourismus und die lokale Wirtschaft von Bedeutung. Neben den Betrieben zur Herstellung von audiovisuellen Inhalten würden etwa auch die Wirtschaftszweige Kinos, Filmfestivals und Filmarchive profitieren, weiß Markus Deutsch. Laut Tritscher habe FISAplus mehr als 54 Millionen Euro an Förderungen genehmigt, was eine Wertschöpfung von über 167 Millionen Euro ausgelöst habe. Marie-Therese Tropsch, die stellvertretende Unternehmenssprecherin von Wien Tourismus, verweist zudem auf den Travelsat-Index des Brüsseler Online-Marktforschungsunternehmens TCI Research. Laut diesem entscheide sich eine*r von zehn Besucher*innen aufgrund eines Filmes für einen Besuch in Wien. »Set-Jetting nennt sich das«, erläutert Tropsch. »Das ist ein Markt, den wir intensiv bearbeiten.«
Die gegenwärtigen Förderungen sind dabei in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen aufgebaut. »Ein ungedeckeltes Cash-Rebate-Fördermodell, also eine teilweise Kostenübernahme, hat den Vorteil gegenüber Tax-Rebate-Systemen, bei denen Produktionen geringere Steuern zahlen, dass die Produktionen stets mit Cashflow rechnen können«, hält René Tritscher fest. Und auch Marijana Stoisits begrüßt die Tatsache, dass hier ein reines Förder- und Zuschusssystem gewählt wurde und keines mit Steuergutschriften: »Das System ist relativ simpel abrechenbar und gut zu handhaben. Auch für internationale Produktionen verschwinden nicht irgendwelche Gelder bei irgendwelchen Mittelsmännern.« Man sei sich in der Branche zwar lange nicht einig gewesen, »aber Gott sei Dank hat auch das Wirtschaftsministerium klar erkannt, dass das die richtige Variante ist.«
Vieles in der Pipeline
Die Folge also: Es wird gedreht. Und zwar sehr viel. Stoisits: »Es verteilt sich eigentlich über das ganze Jahr.« Nur zu Weihnachten werde es etwas ruhiger. Neben »The Regime« wurde auch die Amazon-Serie »Beasts Like Us«, die ORF-ARD-Co-Produktion »Kafka« und die vierte Staffel von »Vienna Blood« in Wien und Umgebung gedreht. Im März drehten Natalie Portman und John Krasinski unter der Regie von Guy Ritchie den Abenteuerfilm »Fountain of Youth«.
»Mit Abstand am meisten wird im ersten Bezirk gedreht«, resümiert Stoisits. »Wenn man etwas Historisches braucht, dann bietet der sich an, weil dieses imperiale Ambiente sehr gut passt.« Tritscher erklärt sich die Popularität des Filmstandorts so: »Österreichs Regionen punkten durch vielfältige Landschaften.« Wien habe insgesamt eine gute Ausgangsposition, »auch gegenüber Budapest oder Prag«.
Doch nicht nur die historischen Außenansichten sollen Produktionen nach Wien locken. Seit 2023 bemüht man sich auch um eine verbesserte Infrastruktur für Studiodreharbeiten. Der Hafen Wien und die HQ7 Studios haben in Simmering gemeinsam zwei Filmproduktionshallen mit rund 3.300 Quadratmetern errichtet. »Sie werden im zweiten Quartal dieses Jahres fertiggestellt und gehen dann im Betrieb«, freut sich Stoisits bereits. Allgemein könne man also nicht klagen. Aber, was noch nicht in der Förderung inkludiert sei, »sind Reiseprogramme, die einen Reality-Anteil haben. Das wäre etwas, das sehr viel Geld hierlässt und einen hohen Werbewert hat.« Wichtig sei es aber auch, merkt Markus Deutsch an, dass die Errungenschaften nun bleiben und dass »dieses Fördermodell auch in der nächsten Legislaturperiode 2024 bis 2029 nachhaltig gesichert werden kann.«
Die Vienna Film Commission ist die erste Anlaufstelle für österreichische wie internationale Filmproduktionen in Wien. »The Regime« läuft seit 4. März auf Sky. »Beasts Like Us« ist auf Amazon Prime verfügbar.