Für ihr drittes Album sind Die Buben im Pelz zu einer waschechten Rockband mutiert. Das macht musikalisch mehr als nur Sinn.
Elvis hat sein Graceland, die Beatles haben das Apple-Gebäude in der Savile Row, Metallica ihr Headquarter in San Rafael. Und die Einstürzenden Neubauten haben ihren Schrottplatz. Wobei, »haben« ist so eine Sache. Sagen wir so: In Berlin-Wedding gibt es einen Schrottplatz. Als im Spätherbst 2019 sechs Wiener dort herumspringen, ist die Apokalypse, der Kollaps, das Ganze, das uns wenig später ereilen sollte, noch weit weg und noch gar nicht auf dieser Welt. Doch diese sechs Wiener haben es da schon geahnt, dass irgendwas nicht stimmen kann.
Es sind natürlich auch nicht irgendwelche sechs Wiener, sondern namentlich Christian Fuchs, David Pfister, Christof Baumgartner, Markus Reiter, Gernot Scheitbauer und Bernd Supper, die sich seit damals gemeinsam Die Buben im Pelz nennen dürfen. Aus dem Duoprojekt von Fuchs und Pfister, die selbst schon verschiedenste musikalische Ausflüge unternommen haben, ist für das dritte Album eine echte Supergroup entstanden, die nun eben auch aus (Ex-)Mitgliedern von Bands wie Scarabeusdream, Destroyed but Not Defeated oder Liger zusammengewürfelt ist. Echte Bandmitglieder, keine Studiomucker. Dass sich das finanziell nicht ausgehen kann – mein Gott, l’art pour l’art muss auch mal reichen.
Ein paar Texterl auf Wienerisch
Es ist nicht so, dass Christian Fuchs und David Pfister untätig gewesen wären in den mittlerweile vier Jahren, die zwischen dem Jetzt und dem zweiten Album »Katzenfestung« vergangen sind. Der eine hat etwa mit Black Palms Orchestra aufgenommen, der andere mit The Devil and the Universe. Der Schritt zum doch sehr anderen Projekt Die Buben im Pelz ist aber ein recht kurzer: Ab und zu ein paar Texterl auf Wienerisch und so, wie der Pfister erklärt: »Wenn Christian und ich das Gefühl haben, wir haben was zu sagen, sammeln wir die Texte. Wenn wir auch das Gefühl haben, wir möchten sie nach außen tragen, formiert sich eine Platte.«
Das Songwriting war dieses Mal dann ganz anders als sonst, mehr organisch als erdacht sozusagen. Im Kollektiv mit der neu und fest rekrutierten Band – es sind jene Leute, die dann auch in Berlin sein werden – hat man gemeinsam an den Stücken gearbeitet; auf Computer wurde dabei verzichtet, alles analog. Fuchs erinnert dieses »kommunistische Songwriting« (Zitat Pfister) an Urzeiten seines musikalischen Schaffens: »Diese klassische Arbeitsweise – man geht in den Proberaum, schreibt einen Song, nimmt ihn gemeinsam auf –, das habe ich zuletzt bei meiner ersten Band Fetish 69 gemacht.« Der Blick ins Archiv beweist: Das ist richtig lange her.
Überhaupt ist auf diesem nun dritten Album der Gruppe Die Buben im Pelz einiges anders. Die erste Platte hat noch mit dieser einen Mörderidee aufgewartet, gleich ein ganzes Album, noch dazu einen geschichtsträchtigen Klassiker, in Wiener Dialekt zu übersetzen – wer sich an die Vinylversion von »Die Buben im Pelz & Freundinnen« mit der pellbaren Wursthaut nicht erinnern kann, hat nie geliebt. Apropos: Die ging letztens für 350 Euro bei Discogs über die private Ladentheke – Wertanlage! Und hat uns legendäre Stücke wie »Olle faden Parties« oder »Venus im Pelz« besorgt, Kultstatus inklusive.
Schroff wie die Kellner
»Katzenfestung«, das zweite Album aus dem 17er-Jahr, bestand im krassen Unterschied zum Vorgänger ausschließlich aus eigenen Kompositionen – eh klar, mehr künstlerische Freiheit. Zu genrevariablem Bindestrich-Rock ging’s dabei vor einem dunklen gesellschaftlichen Hintergrund aber auch tatsächlich um Katzen.
Auf »Geisterbahn« ist die musikalische Stimmung schroff wie die Kellner von Berlin und Wien, doomig und noisig, aber vor allem eines: rockig. Quasi ein musikalischer Gegenentwurf zur Gegenwart: Hoch lebe die Gitarre! Es gibt weniger Gäste, nur der Franz Adrian Wenzl und die Valerie Renay haben Gastauftritte, keine klassischen Features – die reguläre Band war jetzt eh genug. Und es gibt tatsächlich wieder Coverversionen, zwei politische Lieder noch dazu, die in ein Wienerisch gebracht werden: den Studentendemoklassiker »Macht kaputt, was euch kaputt macht« von Ton Steine Scherben und das italienische Partisanenlied »Bella Ciao«, das die meisten noch aus der »Bauerndisco« (Pfister) kennen dürften. Zwei Lieder, die inhaltlich für die Platte stehen.
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