Manchmal bedarf das Schaffen großer Kunst nur einfacher Mittel. Für Washed Out reichen Laptopgeschraube und analoge Patina, die er in Musik transferiert. Gerade brilliert er mit einem sonnendurchfluteten Debüt, das nicht nur die Musik-Blogger-Riege begeistert.
Bands, die ihre Mitglieder am liebsten auf verwaschene Bilder in Vintage-Ästhetik bannen, sind super. Punkt. Gewagt mag sie ja sein, diese These, so weit hergeholt aber auch wieder nicht, wenn man an Cults denkt oder Beach House und Little Joy sowieso. In dieses Ladl voll superer Musiker darf man getrost auch Ernest Greene stopfen. Ernest Greene? Ernest Greene ist vermutlich bekannter unter seinem Pseudonym Washed Out. Er stammt aus dem tiefsten Süden der Vereinigten Staaten, mit Southern Rock hat seine Musik aber genau gar nichts zu tun. Vielmehr kommen seine ruhigen Synthpop- und verwaschenen Chillwave-Basteleien, die in die 80er und frühen 90er zurückversetzen und auf verwirrende Art bewegen, mindestens genauso schön entspannt daher wie der Künstlername. Vor zwei Jahren wurde das Genre aus der damals schon ironisch gebrochenen Taufe gehoben, im Wissen um die Macht und Lächerlichkeit derartiger Marketingschablonen. Mit Washed Outs Langspieldebüt entwickelt sich (Post?-)Chillwave weit über den So-Even-Before-Last-Years-Hype hinaus.
Die Macht der Blogger
Für seine ersten Aufnahmen als Washed Out zog sich Ernest Greene im Sommer 2009 – nachdem er ausführlich mit den Genres HipHop und Elektro experimentiert hatte – zurück ins Städtchen Perry, Georgia, zu seinen Eltern, die dort in einem Haus umgeben von Pfirsichbäumen leben. Tagsüber schrieb er erfolglos Bewerbungen, nachts werkelte er an Tracks und Beats an seinem Laptop, die in weiterer Folge auf Myspace landeten.
Sich auf die Bühne zu begeben, ist ihm zu dem Zeitpunkt erst einmal nicht in den Sinn gekommen, genauso wenig bombardierte er Plattenlabels mit Demoaufnahmen. Das brauchte er offensichtlich auch nicht, denn wie ein paar Jahre zuvor bereits Arctic Monkeys und Konsorten, blieb auch er in den Weiten des WWW nicht lange ein unbeschriebenes Blatt: Die Macht der Blogger schlug beinahe über Nacht zu. Gorilla vs. Bear und Pitchfork zerrten ihn ins gleißende Scheinwerferlicht, in weiterer Folge gemeinsam mit Best Coast auf die Bühnen Europas und schließlich enterte Washed Out mit seiner »Life Of Leisure«-EP 2009 diverse End-of-Year-Polls. Maßgeblich dafür war sicher die unglaublich ergreifende, organische Art, in der er seine versunkenen, sphärischen Pop-Hymnen in Szene setzte, die vor einer alle Genre-Grenzen ignorierenden Energie sprühten.
Nach nunmehr drei EPs ist jetzt auch der erste Longplayer am Markt. Wie soll man ein Debüt beschreiben, das so tief ins Herz schneidet, dass einem die Luft wegbleibt? Schwierig, aber hier zumindest ein Versuch: Greene weitet auf »Within And Without« die Palette an Stimmungen und Atmosphären, die bereits auf seinen EPs sehr vielfältig war, noch einmal aus und bietet – beim atemberaubenden, liebevoll erotischen Coverartwork angefangen – eine reifere, verfeinerte Herangehensweise. Haftete »Life Of Leisure« noch der Nachgeschmack von Nostalgie an, ist nicht mehr viel von verträumten Teenie-Erinnerungen zu hören – alles fühlt sich lebendig an und zollt den großen Emotionen, wie Sehnsucht, Trauer und Euphorie, Tribut. Getragen wird das alles von einem flächigen, ins Orchestrale gehenden Shoegaze-Sound, wie er beispielsweise auch Toro Y Moi – mit dem Greene im Übrigen auch des Öfteren zusammenarbeitet – aus dem Laptop hätte fallen können.
That Summer Feeling
Eröffnet wird das Album mit »Eyes Be Closed«, einem fast psychedelischen Popwirbel Underworld’schen Ausmaßes, der das akustische Pendant zu einer leichten Brise auf sonnengebräunter Haut ist. Dieser Track geht über in das etwas düsterere, aber nicht minder schöne, »Echoes«, das mit 80er- und 90er-Balladen-Soundeffekten spielt. Was folgt, ist großteils von einem ähnlichen atmosphärisch-einlullenden Brummen durchzogen, nur »Before« experimentiert wirklich mit Genres, indem es HipHop-Beats und Vocal-Samples integriert. Ein rundes Ende findet »Within And Without« mit dem pianogetragenen »A Dedication«, das der vermutlich interessanteste Song am Album ist: Greene zeigt sich hier von seiner geradlinigen Singer-Songwriter-Seite und erhebt seine Stimme voll und weit über die Sound-Effekte, die von einem Fallenlassen in eine Endlichkeit erzählen, mit der man sich aber arrangieren kann.
Aufgenommen wurden die neun Perlen gemeinsam mit Ben Allen, der auch »Merriweather Post Pavillion« von Animal Collective oder »Halcyon Digest« von Deerhunter co-produziert hat. Und so klingt „Within And Without“ auch unglaublich dicht und atmosphärisch, nach sternenklaren Nächten auf Picknickdecken und ausgeblichenen Polaroids von Sonnenuntergängen. Kurz: Perfekt. Das einzige, was sich jetzt noch schleunigst ändern muss, ist Greenes fast schon mickrige Facebook-Follower-Quote.
»Within And Without« von Washed Out ist ab 8. Juli via Sub Pop/Domino erhältlich.