Bildungssystem und mediale Realität

Lehrende wissen nur selten, was die Auszubildenden in sozialen Netzwerken so treiben. Auch partizipative Medien erfordern eine wache Medienkompetenz, die in den Schullehrplänen noch gar nicht vorgesehen ist. Schafft es das Bildungssystem, mit der medialen Entwicklung mitzuhalten? Oder kann man Medienkompetenz nur auf der »Straße« lernen?

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Nach dem Jahrhundert der Massenmedien kommt das Jahrhundert der partizipativen Medien gerade in Gang. Wer einen Computer bedienen kann, kann eine eigene Medienplattform betreiben. Zumindest der Theorie nach gibt es also eine Demokratisierung der Medien. In der Realität ist es aber oft so, dass Medien zwar genutzt werden, aber die Kompetenz, ihre Möglichkeiten sinnvoll umzusetzen, wird nirgends vermittelt. Geschweige denn der mündige Konsum. Klare Ansprechpartnerin wäre hier natürlich die Schule. Allerdings ist eine umfassende Medienbildung nicht unbedingt Teil des regulären Schulunterrichts. Oft können die Lehrenden nicht mit der schnellen Entwicklung mithalten und das Schulsystem selbst scheint von dieser Geschwindigkeit gänzlich überfordert. Es sind Initiativen von Einzelpersonen, die versuchen, profunde Kenntnisse über die Medien zu vermitteln, wie ein Lehrer an der »Schule im Park« in Wien, der seine 3. Volksschul-Klasse mit iPods ausgestattet hat und zusammen mit den Schülern alternative Lernmethoden erforscht. Oder es gibt junge Autodidakten, die sich Medienkompetenz selbst aneignen. Beides sind allerdings Best-Practice-Beispiele und eher die Ausnahme.

Teilweise stoßen sogar Konzerne mit eigenen Initiativen vor, um die Lücke in der Medienkompetenz zu schließen. Wenn Konzerne aber in die Bildung eingreifen, passiert das nicht uneigennützig und löst gemischte Gefühle aus. Dennoch leisten ihre Projekte einen wichtigen Beitrag zu Medienbildung. Immerhin soll geklärt werden, was im Netz erlaubt ist und was nicht und wie man sich selbst und die eigene Privatssphäre schützt – wichtige Fragen, vor allem für junge Mediennutzer. Doch: Wäre die Beantwortung dieser Fragen nicht eigentlich die Aufgabe des Bildungssystems? Kann das System mit dem schnellen Wandel der Medienwelt mithalten oder muss die Vermittlung von Medienkompetenz Konzernen überlassen werden? Oder verhält es sich mit Medienkompetenz ja auch wie mit HipHop – man kann sie nur auf der Straße lernen. Dann herrscht dort aber – um im Bild zu bleiben – auch ganz klar das Recht des Stärkeren.

Die Recherche für diesen Wortwechsel macht die gesellschaftspolitische Dimension von Medienkompetenz deutlich – immerhin fordert die digitale Agenda der EU ihre Mitgliedsstaaten auf, bis 2011 eine langfristige Politik für digitale Kompetenzen umzusetzen. Dennoch entwickeln sich Realität und Schulsystem mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Es ist wohl die Gesamtheit aller staatlichen, privaten und persönlichen Initiativen, die die Hoffnung auf eine fundiert mediengeschulte, mündige Gesellschaft aufrecht erhält.

Im April 2011 wird sich übrigens der Kongress »Kinder und digitale Medien« (veranstaltet von der Wiener PR-Agentur Cox Orange) mit der Kluft zwischen Kindern und Erwachsenen beim Medienverständnis beschäftigen. Weiterführendes auf span lang=“DE-AT“>www.thegap.at/wortwechsel

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