Der Psychopath und sein Traumjob: Jake Gyllenhaal als Nachtschwärmer, der mit Sensationsreportagen sein Geld verdient. Intensiv, spannend, facettenreich.
Louis Bloom (Jake Gyllenhaal) ist arbeitslos. Nachts streift er durch Los Angeles, um gestohlenes Baumaterial zu verhökern. Tagsüber hockt er in seiner spartanisch eingerichteten Wohnung, gießt die einsame Zimmerpflanze, bügelt Hemden. Bloom sehnt sich nach einem richtigen Job. Seine Erscheinung ist gepflegt, sein Auftreten resolut, seine Rhetorik makellos. Blooms Wortschatz scheint sich aus Selbsthilfeseminaren und Online-Unikursen zusammenzusetzen. Seine Sprache verrät mehr über ihn als die ausgezehrte Gestalt und das unheimliche Grinsen. Sie ist so künstlich und distanziert wie Bloom selbst, ist die Sprache eines verspielten Psychopathen, der ein gesellschaftlich akzeptables Leben imitiert.
»Nightcrawler« erzählt vom Arbeitsmarkt als Haifischbecken, zeigt das Wohlstandsgefälle und den Klassenkampf im Ballungsraum L.A., spricht profitträchtige Sensationsgeilheit und den ethischen Verfall der Medien an. In der Themengewichtung des Films handelt es sich dabei aber nur um Nebenprodukte der modernen (US-)Gesellschaft. Das Haupterzeugnis ist Bloom selbst. Bloom, der im Freelance-Crime-Journalismus seine Berufung entdeckt. Der die nächtliche Stadt nicht länger nach unbewachten Baustellen, sondern frischen Tatorten durchforstet. Der mit einer wackligen Handkamera das Blut auf der Straße filmt und es an die Programmchefin (Rene Russo) eines Nachrichtensenders verkauft.
Die Handlung des Films folgt Blooms Aufstieg vom unerfahrenen Selfmade-Reporter zum gefragtesten Sensationsjournalisten L.A.s. »Nightcrawler« ist dabei sowohl Drama als auch Thriller, in erster Linie aber stets ein Psychogramm Blooms. Der von Gyllenhaal grandios gespielte Protagonist stellt gewissermaßen ein Update, eine an die Rezession angepasste Version von Bret Easton Ellis‘ »American Psycho« dar. Wie dessen Patrick Bateman ist Bloom ein Nihilist und Menschenfeind, der im gesellschaftlichen Status Quo den idealen Nährboden findet. Wie Bateman gewährt er uns durch seine oft verstörend direkte Art kurze Blicke hinter die Fassade. An diesen Stellen ist »Nightcrawler« zugleich furchterregend und unbehaglich witzig – etwa wenn Bloom versucht, die Programmchefin mit Argumentationsgewalt in sein Bett zu kriegen.
"Nightcrawler" läuft am 31. Oktober in österreichischen Kinos an.