Flexen zwischen Dersim und Giesing, Grenzen und Gefühl. Mit »Canê« gelingt Ebow ein mitreißender Lagebericht von Krieg bis Kiez.
»Das ist der einzige Moment, wo du ihre Aufmerksamkeit bekommst. Wenn du dir etwas nimmst, wovon sie denken, dass es dir nicht zusteht.« Ebow ist mit einem neuen Album am Start und analysiert damit auf eingängige Art und Weise die Welt in der multiplen Krise – direkt, floskellos und ohne sich in verschwurbeltem Akademiker*innensprech zu verheddern. Queer und kurdisch ist die Verbindung, die Ebow von Giesing nach Dersim zieht.
»Free meine Leute, free ma people!«, ist das Erste, was man vernimmt, und es ist eine Line, die sich durch das ganze Album zieht: Faschos, Krieg, Street Knowledge und Community-Verantwortung sind an der Tagesordnung, während in der ersten Albumhälfte schwere Beats aus den Boxen rollen, die Ebows Stimme genug Luft zum Wirken lassen.
Platz am Tisch
Am eindrucksvollsten bleibt der Spoken-Word-Part auf »Prada Bag« hängen, aus dem auch das Eingangszitat stammt. Was hat es mit dem vieldiskutierten Flexen in Rap-Texten und -Videos auf sich? Wer sind die Menschen, die nach wie vor nicht gehört werden, die als Projektionsfläche für Angstbilder dienen, anstatt als Gegenüber auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden? Was ist individuelle Konsumentscheidung? Was der einzige Weg, einen Platz am Tisch zu bekommen?
Die zweite Albumhälfte ist etwas gefühlvoller, fast schon ruhig. Diese Verschnaufpause braucht man allerdings auch, während man im Kopf noch in den Lines der früheren Tracks festhängt. Kooperationen mit Meron (»La petite mort«) und Balbina (»Excalibur«) brechen etwas mit dem harten Tobak und öffnen die Fenster der Gefühle zum Stoßlüften.
Der Titeltrack zum Schluss des Albums fasst das Ganze nochmal in runder, zuversichtlicher Manier zusammen: Es gibt da draußen nicht nur die vielen frustrierenden und erschreckenden Kämpfe, sondern auch die Leute, die sich ihnen stellvertretend für Generationen von Unbekannten stellen.
»Canê«, übrigens ein kurdischer Begriff, der sich mit »Liebling« und »Seele« übersetzen lässt, ist ein Album zum öfteren Pausieren, zum Nachdenken, genauso wie für den entschlossenen Weg zur nächsten Demonstration.
Das Album »Canê« erscheint am 18. März bei Alvozay Records. Ebow ist am 22. April im Flex in Wien live zu sehen.