Ein Grenzgang an der Pixelfront

Alle Jahre wieder macht die World Press Photo Ausstellung Halt in Wien. Preisgekrönte Fotos, die berühren, verwundern und schockieren. Angesichts der momentanen Flüchtlingssituation und der unzähligen Bilder, die uns täglich erreichen, stellt sich jedoch die Frage: Welche Bilder darf man zeigen?

Die Entscheidung, was man tatsächlich zeigen kann und was nicht, ist auch für ORF-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder täglich Brot. Sie ist in Italien stationiert und hat in den letzten Jahren viele Bilder gesehen, die in einer ethischen Grauzone liegen. Sie empfindet die Frage als schwierig: "Ich bin schon der Meinung, dass man nicht alles zeigen soll und kann. Die Frage ist immer, wer zeigt was zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Absicht."

Ob die "Bild" in diesem Fall wirklich vom Willen der Weltverbesserung oder viel mehr von der ökonomischen Absicht geleitet wurde, sei dahin gestellt. Trotzdem beharrt sie auf die "Macht der Bilder" und irgendwo hat sie auch Recht. Denn mittlerweile hat die Pressefotografie diese Aufgabe, laut Klimek, zunehmend vernachlässigt: "Durch Pressefotografie soll die Aufdeckung der Wahrheit in den Medien stattfinden, aber die Medien lassen sich diese Macht entziehen und die Aufdeckung wandert immer mehr in Ausstellungsräume ab. Die Kraft und das Können der Medien geht dadurch immer mehr verloren. Diesen Verfall der Medienwürde empfinde ich als sehr unangenehm." Die Gründe dafür seien einfach. Es fehle den Medien einfach an den nötigen Kontrollorganen. Früher machte der Fotograf ein Foto, der Fotochef hinterfragte und entschied. Als weitere Instanzen hat es Chefredakteur und Herausgeber gegeben. War das Foto strittig, entschied der Chefredakteur. War es sehr strittig, entschied der Herausgeber.

Medien verlieren wichtige Aufgabe

Was also eigentlich die Aufgabe der Medien sein sollte, erledigen mittlerweile also Initiativen, wie die World Press Photo Foundation. Qualitativ hochwertige Fotos, die berühren, erschrecken, Augen öffnen und sich für einige Menschen manchmal vielleicht als ethischer Grenzgang entpuppen, aber die Grenze selbst nie überschreiten. Fotos, die die erschreckende Wahrheit in einem Foto zusammenfassen und ganz ohne Worte eine ganze Geschichte erzählen.

Aber was bezwecken diese Fotos nun? Verändert sich die Einstellung eines Menschen tatsächlich, wenn man solche Bilder in den Medien sieht? Können Fotos, wie das des toten syrischen Jungen, wirklich Einfluss darauf haben wie Menschen zur aktuellen Flüchtlingssituation stehen und ganze Sichtweisen verändern? "Wenn man den Flüchtlingen ein Gesicht gibt, dann werden den Menschen ihre Ängste vor den Flüchtlingen genommen. Und man muss ihnen diese Angst einfach nehmen", meint Mathilde Schwabender. Auch die World Press Photo sieht keinen Zweifel am Einfluss ihrer Ausstellungsobjekte. "Wir sind uns sicher, dass solche Bilder einen Einfluss haben. Es regt den Zuseher an nachzudenken, zu analysieren, innezuhalten und dann kommt wahrscheinlich der Punkt, an dem er etwas verändern will."

Eines wird schnell klar: Bilder regen auf oder treffen mitten ins Herz. Sie sorgen für Gesprächsstoff und lenken den öffentlichen Diskurs vielleicht mehr in die Richtung, die er verdient hat. Und im selben Moment merkt man auch wie gleichermaßen sinnbefreit diese Diskussion ist, hat sie doch ihr eigentliches Ziel viel zu sehr verfehlt, wie ORF-Nahost Korrespondent Karim El-Gawhary sagt. "Wir sollten unsere Zeit nicht damit verschwenden, darüber zu diskutieren, welche Bilder man veröffentlichen darf und welche nicht, sondern wir sollten eigentlich über die Ethik und Moral jener Situationen diskutieren, die zu solchen Bildern führen. Man muss etwas unternehmen, damit es zu solchen Situationen nicht kommt." Word!

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.

Die Austellung World Press Photo 15 findet noch bis 18. Oktober im Westlicht statt.

Bild(er) © 1: Carl Johann Holzer, 2:  Massimo Sestini / Italien, 3: Bulent Kilic, Türkei, Agence France-Presse, 4: Mads Nissen, Dänemark, Scanpix/Panos Pictures, 5: Pete Muller, USA, Prime für National Geographic / The Washington Post, 6: Ausstellungsansicht World Press Photo 15 (WestLicht / Sebastian Toth)
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...