Ein Herz für kaputtes Kino

Am Freitag den 13. April wurde unter dem Titel Klub Kaputt im Wiener Filmcasino eine neue Filmreihe gestartet. Im Fokus stehen die ungeliebten Kinder des Kinos.

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Das Kino müsse wieder gefährlicher werden und ein Refugium für Abgedrängte und Unerwünschte, so die Veranstalter. Die Gutmenschen und Gesellschaftstauglichen, die Schönlinge und Johnny Depps des zahmen Hollywoodkinos müssen fortan den B-Movie-Monstren der 80er weichen.

Mit dem Klub Kaputt feierte ein Format Premiere, das von nun an jeden zweiten Freitag im Monat die blutrünstigen Albtraumgestalten aus den Hinterhöfen der amerikanischen Filmindustrie auf die Leinwand des Wiener Filmcasinos transferiert.

Zur Erstauflage gaben sich zwei Allzeitgrößen des Slasher-Genres die Ehre: Freddy Krüger und Jason Voorhees waren sowohl im Einzel als auch im gemischten Doppel zu bewundern. Passend zum Datum wurde der Auftakt mit originalen 35mm-Kopien von „Friday the 13th: The Final Chapter“, „A Nightmare On Elm Street“ und „Freddy Vs. Jason“ gefeiert. Unsere Redakteure Jan Hestmann und Leo Dworschak sprachen mit Organisator Markus Keuschnigg (Slash Filmfestival) über seine neue Filmreihe und seinem Konzept einer unorthodoxen Cinephilie für Kinoliebhaber abseits verstaubter Strukturen.

Warum startet der Klub Kaputt mit Freddy und Jason?

Es war uns von Anfang an klar, dass wir Filmklassiker zeigen wollen, die in der österreichischen Filmkulturlandschaft sonst wenig Abdrücke finden. Der Klub Kaputt ist grundsätzlich ja eine Veranstaltung, die sich sehr stark auf das konzentrieren soll, was wirklich randständig ist. Das ist mir bewusst, das ist weder die Freitag-der-Dreizehnte-Reihe noch die Nightmare-on-Elm-Street-Reihe. Die sind relativ populär. Wir wollten aber auch für die Eröffnung einfach etwas haben, wo die Leute aufmerksam auf uns werden und haben uns dann gedacht, dass ist eine ganz schöne Idee zum Freitag den Dreizehnten. Wir wollten an und für sich ein Freitag-der-Dreizehnte Marathon-Screening veranstalten, doch das ist aus Gründen der Kopienverfügbarkeit nicht möglich gewesen.

Ihr benutzt ja die originalen 35mm-Filmkopien.

Für uns war von Anfang an klar, dass wenn wir Klassiker zeigen, wir dann immer auf Kopien gehen, immer auf 35mm-Kopien, Originalversion, ungeschnitten. Wir machen das ja auch für die Fans da draußen, für viele Leute, die eben noch nie Gelegenheit gehabt haben, diese Filme auf der großen Leinwand zu sehen, dafür wofür sie letzten Endes gemacht worden sind. Das schließt dann leider einige Sachen von vorneherein aus.

Die Freitag-der-Dreizehnte-Reihe ist leider kopienmäßig nicht sonderlich gut erhalten. In einem deutschen Archiv haben wir von Teil Drei und Teil Vier Kopien gefunden, die wir bekommen hätten und eine davon jetzt haben. Die beiden Filme sind in Deutschland verboten, dürfen nicht aufgeführt werden, es dürfen auch keine DVDs davon verkauft werden. Das Archiv hat dort zu uns gesagt, sie dürfen die Filme nicht rausgeben. Ich hab wochenlang argumentiert, dass sie in Österreich ja nicht verboten sind, hab irgendwann sogar angeboten, ihnen die Kopie abzukaufen. Und dann, noch mal eine Woche später, ging es plötzlich und wir haben den vierten Teil geliefert bekommen. Ich habe erfahren, dass die Filmkopie vernichtet hätte werden sollen, weil die Beschlagnahmung erneuert worden ist. Das heißt, wir haben die Kopie jetzt indirekt auch vor der Vernichtung gerettet.

Unter diesem ganzen Licht, finde ich, passt der Film dann schon wieder sehr gut als Eröffnungsfilm des Klub Kaputt, weil er zeigt, wie hierarchisch das filmarchivarische Denken ist. Was ist es wert geschützt und bewahrt zu werden? Was wird dann einfach vernichtet, weil man es nicht vorführen darf?

Was passiert nach dem ersten Klub Kaputt mit der geretteten Kopie?

Der Film liegt dann in einem Wiener Lager und ist für die Nachwelt erhalten. Die Kopie schaut auch noch relativ gut aus, sie ist ein bisschen rotstichig, aber das ist nicht sonderlich störend. Der Rotstich entsteht, wenn die Kopie zu warm gelagert wird. Man hat sie dort offenbar irgendwo hingelegt, auf den Esstisch vielleicht – jedenfalls in kein gutes Filmlager. Ansonsten schaut sie aber toll aus. Sie wurde offenbar nie gespielt, es gibt wenig Verschmutzungen.

Sind 35mm-Kopien noch schwieriger zu bekommen?

Es ist schwer, weil die Filme die wir haben wollen üblicherweise Filme sind, die nicht so gut gepflegt worden, die nicht so gut archiviert worden sind. Sie schlummern nicht in einer restaurierten Fassung in einem Dungeon, wo man dann einfach anrufen und um eine Kopie bitten muss. Es gehört auch immer viel Glück dazu. Mit ein Grund, warum mir die Arbeit einfach Freude macht, ist, weil man halt ein bisschen detektivisch arbeiten muss. Das ist dann das Besondere, der Moment, in dem man eine Kopie endlich in den Fingern hat und sie durch den Projektor rattern sieht.

Ich bin am Ostermontag um 23 Uhr ins Filmcasino geradelt, weil mir der Vorführer gesagt hat, die Kopie ist eingetroffen. So ein Film ist wie eine Zeitmaschine. Da liegen Zetteln drin, wo dann eben Anweisungen draufstehen, wann man sie aufführen darf – Freitag der Dreizehnte nicht am Karfreitag! Das hat etwas Besonderes, das hat eine Textur, und dieses Gefühl wollen wir mit dem Klub Kaputt aufleben lassen. Der Klub Kaputt soll ein Ort für eine Filmkultur, eine Liebhaberkultur sein. Wir werden Cocktails mixen, Chili con Carne kochen und Langspielplatten auflegen. Es soll kein Zwang sein, sondern so relaxt wie irgendmöglich. Und ein Gefühl soll übrig bleiben.

Der Klub Kaputt soll die unliebsamen Figuren abseits der Bestenlisten und Filmpreise auf die Leinwand bringen. Freddy Krüger schaffte es in einer Wahl des American Film Institutes aber immerhin unter die Top 50 der Film-Bösewichte.


Das ist natürlich nicht alles immer so ganz orthodox zu sehen. Man braucht einen gewissen Leitsatz. Ich bin mir sicher, es wird auch in Zukunft noch passieren, dass wir Filme zeigen, die doch auf einer Bestenliste aufgetaucht, oder doch irgendwie mit einem Preis ausgezeichnet worden sind. Es geht mir aber trotzdem darum, und ich glaube, dass wird dann für alle Filme gelten, die wir aufführen werden, dass das keine klassisch kanonisierten Filme sind. "Nightmare on Elm Street", von denen die wir jetzt zeigen, sicher noch am ehesten, aber trotzdem keine Filme, die jetzt im klassischen Sinn filmhistorisches Kulturgut sind und als solches betrachtet werden. Es ist aber so, dass die künftigen Klubs eindeutiger in eine, ja, sag ich jetzt mal, zwielichtigere Richtung gehen werden.

Einer dieser Leitsätze lautet „Kopfschüsse statt Hirnwichse“.

Also es ist bei dem Projekt auch ein bisschen darum gegangen, was ich mit dem Slash auch versucht habe umzusetzen – die ganzen Arten und Weisen wie Filme ausgestellt und auch in sogenannte Diskurse eingebaut werden nicht unbedingt zu verändern, aber denen eine Alternative entgegenzusetzen. Also zu zeigen, dass man, wenn man jetzt sich einen Klassiker im Kino anschaut, nicht unbedingt ins Kino gehen muss wie in einen Gottesdienst. Die Formen von Cinephilie und von sehr orthodoxer Cinephilie, denen man zum Beispielauf der Viennale oder auch hier im Filmmuseum, wo wir gerade sitzen, begegnet, die wachsen aus einem Filmverständnis heraus, das ich verstehen kann, aber das nicht hundertprozentig meines ist. Aus einem Filmverständnis das sich aus den 60er Jahren ableitet, aus der Nouvelle Vague, aus einer sehr theorielastigen, aus einer sehr formalistischen Deutung des Films. Wo Film auch immer ganz stark verknüpft worden ist mit einer politischen Agenda, mit einer soziokulturellen Agenda.

Das finde ich alles ganz wunderbar und finde ich ganz toll. Aber zu sagen, das ist dann das Kino, das ist was sich intelligente Leute anschauen, wo man sich hinsetzt und sagt: ach was für ein guter Film! Das finde ich letzen Endes eine Frechheit. Wenn man einmal auf einem größeren Fantasy Filmfestival gewesen ist, erlebt man die andere Form von Cinephilie, eine Form von Kinoliebe, die sich halt in den offiziellen Strukturen weniger stark abdrückt. Und genau dafür sollen eben der Slash und der Klub Kaputt so niederschwellig wie nur irgendmöglich stehen. Sie sollen den anderen Filmen einen Raum geben.

Warum ist Freddy vs. Jason gut?

Freddy versus Jason ist damals schon verkannt worden. Ich finde, der Film ist ein Meisterwerk, weil er über beiden Franchises schwebt und ja grundsätzlich schon vom Ansatzpunkt eine Unmöglichkeit ist. Man sagt natürlich beide Filme sind Slasher, aber sie existieren so getrennt voneinander – einer mit dem eher proletarischen, grindigen, blutigen Schlächter, der andere mit dem fast ein bisschen femininen, intelligenten, gemeinen. Ich finde das Ronny Yu (der Regisseur von Freddy vs. Jason; Anm.) es geschafft hat, den beiden Figuren Tribut zu zollen und darüber hinaus eine vollkommen wahnwitzige, eigentlich surreale Geschichte zu inszenieren. Freddy vs. Jason ist ein wunderbar unverkrampfter und unprätentiöser Metafilm, der aber sehr intelligent über das Genre nachdenkt, was es noch bedeuten kann.

Hat der Klub Kaputt eine Förderung erhalten?

In Bezug auf Förderung gehte es uns besser als mit dem Slash. Vielleicht weil solche punktuellen Veranstaltungen besser gefördert werden als ein ganzes Festival. Unsere Einreichung für den Klub Kaputt war ein Teil eines Programms, das ich für das Filmcasino ausgearbeitet habe, wo unter anderem auch noch eine Seriennacht am Programm stehen wird und womit wir versuchen wollen, dem Filmcasino, die junge Zielgruppe, die wir mit dem Slash auch hingebracht haben auch unabhängig vom Slash zu erobern. Dass das wunderbare Programmkino für die Leute attraktiv bleibt. Dafür sind wir dann gefördert worden von der Stadt Wien, für das gesamte Packet.

Wie sieht das zukünftige Programm des Klub Kaputt aus?

Es gibt im Moment viele Ideen, die wir haben, es hängt wie schon gesagt stark davon ab, ob wir an Kopien kommen oder nicht. Eines unserer großen Anliegen ist, dem britischen Regisseur Ken Russell ein kleines Denkmal zu errichten. Das ist insofern ganz interessant, weil die Kollegin mit der ich den Projekt leite, Veronika Franz, sozusagen von Russell ins Kino eingeführt worden ist, also mit dessen transgressiven, extremen, provokanten Filmen. Das ist ihr Kern, der Nukleus ihrer Kinoliebe, meiner sind vermutlich die Slasher Filme, die wir jetzt am Anfang zeigen. Es gibt dann auch noch andere Ideen: Weekend of Horrors, die Horror-Convention, kommt im Juni zum ersten Mal nach Wien. Da könnte man eine Kooperation machen und einige Stargäste zu den Screenings holen. Man wird sehen.

Der nächste Klub Kaputt findet am 10. Mai statt. Nähere Infos unter:

http://www.filmcasino.at/klub_kaputt

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