Der Himmel des Wienerlieds ist an sich an Sternen nicht gerade arm. Die neuesten Sterne Sarah Bernhardt leuchten aber besonders hell.
Ob man sich in einer globalisierten und digitalisierten und was-weiß-ich-was Welt nach dem Ursprünglichen, dem Einfachen sehnt, sei jetzt einmal dahingestellt. Fakt ist aber schon auch, dass diese Art von Musik, viele sagen auch »Folk« dazu, bei uns eher »Wienerlied«, gerade ihren jüngsten Frühling erlebt. Das Genre ist, wie man im Sport sagen würde, in der Spitze breiter geworden. Von jungen Chartstürmern wie Felix Kramer, von Dauergästen auf den Stadt- und mittlerweile auch Dorfbühnen wie Ernst Molden bis hin zu etwas nischigeren Künstlerinnen wie Sigrid Horn, die etwa auch im letzten Jahr den Protestsongcontest gewinnen konnte und es spätestens mit ihrem im Februar erschienenen dritten Album »I bleib do« zu einiger Bekanntheit in »Szenenkreisen« gebracht hat.
Aufs Wesentliche reduziert
Und Sigrid Horn ist auch ein gutes Stichwort: Sie ist die Dritte – und einzige namentlich nicht im Bandnamen vermerkte – im Bunde einer neuen Gruppe, die sich anschickt, dem Genre und den Kneipen dieser Stadt ihren Stempel aufzudrücken. Mit Sarah Metzler (Stimme, Harfe) und Bernhard Scheiblauer (Stimme, Ukulele) bildet sie nämlich das Trio Sarah Bernhardt – die Ähnlichkeit mit der gleichnamigen Schauspielerin ist wohl bewusst gewählt –, dessen Debüt »Langsam wiads wos« zu einigen Begeisterungsstürmen im Publikum aufrufen sollte: Erschienen bei – natürlich! – Medienmanufaktur Wien, finden sich elf Stücke, die gar zart intoniert, aufs Wesentliche reduziert, von den Unwegsamkeiten im täglichen Überleben erzählen. Wegen des musikalisch recht eng geschnürten Korsetts aus Harfe und Ukulele darf man sich diesbezüglich nicht allzu große Hoffnungen auf Überraschungen machen, wenngleich alles natürlich pippifein den jeweiligen Texten unter- und zugeordnet ist. Hier passt jeder Zupfer zum erzählerischem Sujet und sogar der so häufig gescholtene permanente Zwie- oder Dreigesang vermag es an keiner Stelle zu nerven. Und das muss dir auch erst einmal gelingen.
Besonders eindrücklich wird das durchwegs zur Schau gestellte erzählerische Talent im vielleicht größten Hit »der unverblümte«, der von einem Tag am Lido eines Lago berichtet, damals als es noch viel mehr Kinder gab, unschuldig, ein bisschen verliebt. Von Gameboys, Heißluftballonen, vom Pfitschigogerln, vom Ende einer vielleicht einmaligen Liebe. Aber auch von Hoffnung und der Erkenntnis, dass der Mensch dann doch seriell monogam ist, kulminierend in einer gar zauberhaften Strophe: »laung laung is’ her – 3 wochn scho / es gibt do wen den i kenna gleant hob / de aung so blau – a haus am see / und mit neamd is’ busfoan aunnährend so schee«.
Und – das kann man jetzt durchaus glauben: Auch mit Sarah Bernhardt im Ohr wird das Busfahren, das ja schließlich schon seit jeher als beste Nebenbeschäftigung neben dem Musikhören zu gelten hat, schön. Schließlich ist »Langsam wiads wos« ein wirklich sehr schönes Stück Musik.
»Langsam wiads wos« erscheint am 21. August 2020 bei der Medienmanufaktur Wien. Live ist die Band am 6. November in der Wiener Sargfabrik zu sehen.