Mit dem dritten Tag geht das Waves Vienna 2024 zu Ende. Es war heiß, es war laut, es war großartig!
Luca Malina (bf)
Wo gestern Abend noch die in der Zwischenzeit mit dem XA-Award ausgezeichneten Lucy Dreams – nochmal Gratulation! – eine von vorn bis hinten durchgeplante Performance hingelegt haben, zeigt Luca Malina auf derselben Stage im Coco heute das genaue Gegenteil. In funky Sonnenbrille und Oversized T-Shirt steht sie allein auf der Bühne, spielt die Backing-Tracks vom Laptop ab und singt dazu, während sie mit sich selbst auf der Bühne tanzt. Das ist charmant unprätentiös und auch in der Setlist findet sich der eine oder andere Banger. Trotzdem lässt mich das Gefühl nicht los, dass da noch etwas mehr möglich wäre. Etwas mehr Schliff, etwas mehr Show, etwas mehr Push. Aber das Potenzial ist deutlich zu sehen und auch was zu hören war, hat nicht enttäuscht.
Low Life Rich Kids (bf)
Endlich hab ich Österreichs realste Fake-Band mal live gesehen. Die Gruppe bestehend aus dem umtriebigen Bernhard Eder und den ursprünglichen Schauspieler*innen Mara Romei und Coco Brell geht ja auf eine Theaterinszenierung am Vestibül zurück. Dort hat Eder für eine fiktive Band – verkörpert von Romei und Brell – die Musik geschrieben. Einer der Tracks »Angst« ging dann bei FM4 durch die Decke und aus Fiktion wurde Realität. Die Spuren des Theaters sind noch immer deutlich zu spüren – im markanten Sprechgesang, den dramatischen Gesten und der theatralen, erzählerischen Sprache. Das ist aber keine Kritik! Ein Act mit prononcierter Theatralik könnte sicher seinen Platz im deutschsprachigen Indiepop finden. Gleichzeitig scheint die Band aber gerade auf der Suche nach ihrem Sound zu sein. Neuere Songs changieren zwischen eingängigen Sommerhits wie »Italien« und härteren Nummern wie »Anti-Woke-Generation«. Es fühlt sich danach an, als hätten sie ihren eigenen Sound, losgelöst von ihren Anfängen noch nicht ganz gefunden. Ob sie ihn finden und welcher es sein wird, sollte aber mit Spannung verfolgt werden.
Cosmopaark (bf)
Wenn ich in einer neuen Stadt bin, gehe ich dort immer gerne Ramen essen. Das ist quasi ein Benchmark für mich. Praktisch jede größere Ansiedlung hat mittlerweile eine solide Ramen-Bar. Es ist spannend die kleinen Unterschiede und Nuancen zu sehen. Und enttäuscht hat mich das auch noch selten. Aus ähnlichen Gründen gehe ich auf Festivals immer gerne zu Shoegaze-Bands. Mitten in der Menge zu stehen und die Wellen an Sound über sich hinwegwaschen zu lassen, während das Hirn mal Pause hat, ist eine angenehm entspannende Erfahrung im Trubel des Festivalgeschehens. Dieses Jahr haben die drei Franzosen von Cosmopaark meinen Shoegaze-Itch am Waves Vienna gescratcht. Sehr solide was da auf die Bühne kommt, etwas weniger Verzerrungen als viele, aber viel Commitment minutenlang in den Grooves sitzen zu bleiben. Sehr viel mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen. Ich bin ja kein Shoegaze-Experte, sondern nur Connaisseur-auf-Zeit.
Power Plush (do)
Am finalen Tag zeigt das Waves Vienna endlich Erbarmen und bietet seinem schon ziemlich ausgepowerten Publikum das wohl angesagteste Genre der Neuzeit, nämlich Neue Neue Deutsche Welle, wie manche sagen. Der jüngste Nachschub dessen, was generational Acts wie Die Kerzen ausgebrütet hatten, kommt aus dem Land, wo die Datteln wachsen, das ist Sachsen. Power Plush, die ihrem Wave-Sound englische Texte geben (zählt trotzdem!) haben schon mit Blond, Kraftklub, Tocotronic und mehr die Bühne geteilt, im B72 gibts vor dem Gig und nach langer Anreise aus Chemnitz einen Motivationskreis. Den bräuchte es aber gar nicht, Teile des Publikums sind erstaunlich textsicher und dass der Vierer verschworen ist, hört man mit dem ersten Schlag, der auch die erneute Hitzeschlaggefahr zumindest nicht weniger werden lässt. Tanzbar!
Girlband! (bf)
Girlband! ist eine Rockband! Manchmal muss man sich das Leben nicht schwieriger machen, als es ist. Und als ich ins prall gefüllte Chelsea reinkomme, springt der Funke schon zwei Räume von der Bühne entfernt über. Das ist direkt, hat Druck und macht die Sache eben nicht komplizierter als sie sein muss. Tolle Stimme, satte Bässe, treibende Drums, hin und wieder ein verzerrtes Gitarrensolo. Klingt in den besten Moment ein bisschen nach frühen Gossip, aber mit ein bisschen mehr Hard Rock im Mix. Wenn es mit dem Trio so weitergeht wie sich derzeit abzeichnet, sind sie potenziell auch Ziele für den Satz: »Die hab ich vor Jahren zum ersten Mal am Waves gesehen.«
Modular (do)
Wer die Musik von Mia Morgan, also new-wavigen Bubblegumpop mag, wird jener von Selena Hammers alias Modular aus Hamburg zumindest etwas abgewinnen können: Toxische Beziehungsmuster, Queerness, FLINTA* auf der Bühne, Polarkeis 18 und Safe Spaces sind die thematischen zeitgenössischen Schwerpunkte, quasi als richtige Botschaft für den musikalischen, chronologischen Schlussakkord des Waves Vienna 2024. Logisch, dass die Hütte da voll ist, alle, die sich nicht verlabert haben (gehört auch dazu und machen leider auch manche im Publikum), sind da – Headliner der Herzen nennt man das auch. Stilecht mit ordentlich viel weißem Nebel, weißen Rosen am Mikroständer, Schnellfickerhosen und weißen, samtenen Opernhandschuhen ist Dramatik Trumpf und dem Sujet entsprechend. Live (vorerst) zum Duo gewachsen, präsentieren Modular die bisher erschienen EPs voller Hits, die Audience ist dankbar und erneut durchaus textsicher. Headliner der Herzen eben und ein würdiger Abschluss.
Das Waves Vienna fand von 5. bis 7. September in diversen Wiener Gürtellokalen statt. Die Berichte von den ersten beiden Tagen finden sich hier und hier.